Vorstand der Tanzszene Baden-Württemberg war er schon, nun engagiert sich Guido Markowitz auch im Dachverband Tanz an oberster Stelle für seine Kunst – und zeigt am Theater Pforzheim, wie man als kleines Ensemble die große Welt erobert.

Stuttgart - Berlin, Linköping, Shenzen, Hongkong, Guangzhou, Waldkraiburg, Metzingen . . . Ortsnamen purzeln nur so im Gespräch mit Guido Markowitz. Der gebürtige Österreicher leitet in der vierten Spielzeit das Ballett am Pforzheimer Theater und weiß, dass Tanz heute nicht nur auf der Bühne beweglich sein muss, wenn er für Publikum wie Tänzer attraktiv sein soll.

 

„Wir sind ein kleines Haus, das zwischen den großen Burgen Stuttgart und Karlsruhe steht“, spielt Markowitz auf den Raum an, den er im Schatten der beiden Staatstheater erobern muss. Doch während die Nachbarn schwerfällige Tanker sind, ist Markowitz im Schnellboot unterwegs und kann Ideen fix umsetzen.

Dass es ihm daran nicht mangelt, wird bei einem Gespräch mit dem 49-Jährigen schnell klar. Und was er in Pforzheim bislang bewegt hat, macht das Publikum neugierig auf den nächsten Schritt. „Als ich die Stadt zum ersten Mal gesehen habe, war mir klar, dass ich mein erstes Stück nicht im Theater, sondern an einem externen Ort machen will, um die Menschen bei sich abzuholen und ihnen die Türen zu öffnen“, sagt Markowitz. Von der Stadtkirche über das Schwimmbad zu Schmuckmuseum und Gasometer führte dieser Parcours bis heute. „Das Publikum geht mit“, freut sich Markowitz über die Resonanz seiner Arbeit, „wir hätten an all diesen Orten noch viel öfter spielen können.“

Tanz-Austausch mit Schweden

Impulse von neuen Räumen erhält auch das zwölfköpfige Ensemble, dem Markowitz über die Grenzen von Pforzheim hinaus Möglichkeiten eröffnet hat. Seit zwei Jahren bereits läuft ein Tanz-Austausch mit der schwedischen Partnerstadt Linköping, den der findige Ballettchef über den Enzkreis angestoßen hat. Im vergangenen Herbst waren Tänzer von Markowitz in der Provinz Östergotland, derzeit sind schwedische Künstler in Pforzheim, um Arbeitsmethoden auszutauschen und kreative Prozesse anzustoßen. „Wir haben ein Konzept entwickelt, das wir auf die Begegnung mit anderen Städten übertragen können“, sagt Markowitz. Beim Choreografenabend „Tanz pur“, der im Mai im Pforzheimer Gasometer Premiere hat, werden Resultate zu sehen sein. „Es ist meine Verpflichtung, meinem Publikum eine große Vielfalt an Tanzsprachen zu zeigen“, sagt Markowitz.

Ins zweite Jahr geht auch der Pforzheimer Beitrag, der dank einer Initiative der Bundeskulturstiftung Zeitgenössisches in die Provinz bringt. „Tanzland Deutschland“ heißt das Projekt, für welches das Pforzheimer Ballett als eine von 19 Kompanien an Stadttheatern und aus der freien Szene ausgewählt wurde. Das bayerische Waldkraiburg bekam auf diesem Weg in der vergangenen Saison durch Gastspiele Einblick in die Tanzsprache von Guido Markowitz. Der Choreograf versuchte aber auch in Gesprächen vor Ort herauszufinden, mit welchen anderen Formaten der Tanz Spuren hinterlassen kann. Ein gemeinsam entwickeltes Angebot an Workshops und Einführungen intensivierte den Austausch. Es wurde sogar eine kleine Tanzkompanie gegründet, die bis heute besteht.

Mehr Aufmerksamkeit für die eigene Stadt

Metzingen ist die nächste „Tanzland“-Station der Pforzheimer, auch hier will sich Markowitz den Bedürfnissen vor Ort anpassen. Dass solche Herausforderungen der Entwicklung seiner Tänzer guttun, sieht der Choreograf tagtäglich. „Alle am Theater finden es schön, dass wir auf diesem Weg mehr Achtung und Wertschätzung erhalten“, zieht Markowitz „Tanzland“-Bilanz. Mehr Aufmerksamkeit gewinnt Pforzheim mit solchen Aktivitäten sowohl in der Szene als auch unter Tänzern: Auf eine ausgeschriebene Stelle kommen laut Markowitz inzwischen eintausend Bewerbungen. Und besonders gefreut hat ihn eine Einladung im Dezember nach China, wo seine Tänzer beim „International Greater Bay Dance and Music Festival“ in Shenzen, Hongkong und Guangzhou gastierten.

Tatsächlich findet Guido Markowitz neben seiner künstlerischen Arbeit die Zeit, sich in Verbänden für den Tanz zu engagieren. Seit 2017 ist er Vorstand der Tanzszene Baden-Württemberg; Ende vergangenen Jahres wurde er in den Vorstand des Dachverbands Tanz Deutschland gewählt, der sich zusammen mit der Ballettdirektoren-Konferenz in Berlin für den Tanz stark macht. Mitbestimmen, auch als kleines Haus wahrgenommen werden: Das ist seine Motivation. Was er bewirken will, weiß er: „Ich möchte mehr Achtsamkeit für kleine Theater und mehr Wertschätzung für die freie Szene, da kann es noch viel mehr Kooperationen geben; und ich möchte mich für den Kinder- und Jugendbereich engagieren“, zählt Markowitz auf.

Über die Schnelllebigkeit unserer Zeit

Wegen seines Ideenreichtums und seiner guten Vernetzung ist der Pforzheimer Ballettchef ein großer Gewinn für die Tanzszene im Land. Momentan gehört seine Aufmerksamkeit allerdings der nächsten Premiere: An diesem Samstag zeigt Guido Markowitz im Großen Haus des Pforzheimer Theaters den Abend „Verwandlungen“, bei dem zu Strawinskys „Feuervogel“ und „Metamorphosis“ von Philip Glass getanzt wird. Als Inspiration nennt er Ovid, dessen Aktualität sich nicht nur in den von Hugo-Boss-Designer Marco Falconi gestalteten Kostümen äußern soll. „Wenn man die Schnelllebigkeit unserer Zeit sieht“, sagt Markowitz, „dann sind da sehr viele Parallelen. Verwandlung kann Schutz, Hilfe oder Bestrafung sein.“ Bei der Bühnenprobe verblüfft das kleine Ensemble durch eine hohe Intensität an Bewegungen und Emotionen, deren Drängen mit schonungslosem Körpereinsatz an Dichte gewinnt. Immer wieder löst sich ein Paar aus der Menge und sucht Nähe, die schnell drückend wird und in Zweikampf mündet. Das ist sehr fein herausgearbeitet und berührt ungemein – sicherlich nicht nur das Publikum in Pforzheim.

Termine: Premiere am 26. Januar, 19.30 Uhr; weitere Aufführungen bis zum 16. Juni.