Der Wiener Bestsellerautor Daniel Glattauer („Gut gegen Nordwind“), veröffentlicht seinen neuen Beziehungsroman „Ewig Dein“.

Stuttgart - Im 16. Wiener Gemeindebezirk Ottakring heißen die Cafés beispielsweise Özgür und die Bäckereien Gül, aber die Bar auf der anderen Straßenseite trägt einen italienischen Namen und verkauft auch Feinkost. Da trifft eine Gruppe von deutschen Journalisten und vor allem Journalistinnen den Wiener Bestsellerautor Daniel Glattauer (51), der seinen E-Mail-Roman „Gut gegen Nordwind“ sagenhafte zwei Millionen Mal verkaufen konnte. „Ich bin der Daniel“, sagt Glattauer, und am nächsten Tag, im Kaffeehaus, sagt er, dass es ja eigentlich „irre“ sei, wenn deutsche Journalisten extra wegen ihm und seinem neuen Werk „Ewig Dein“ nach Wien reisen. „Der Verlag will den Leuten das Buch reindrücken. Das mag ich gar nicht“, sagt er dann, „da ist es doppelt blöd, wenn das Buch hinterher floppt.“

 

Aber erst mal geht man ein paar Schritte von der italienischen Bar ins italienische Restaurant. Glattauer selbst wohnt ganz in der Nähe, er konnte sich eine tolle Wohnung in dem Teil von Ottakring kaufen, der jetzt als szenig gilt. In diesem Teil von Ottakring passiert das, was Leute, die sich gerne über Stadtentwicklung unterhalten, „Gentrifizierung“ nennen: Die Reichen kommen, die Armen müssen gehen. In einem anderen Teil von Ottakring stinkt die Luft nach Maische. Das ist die unmittelbare Umgebung der Brauerei, die Ottakringer heißt. Aber beim Nobelitaliener gibt es nur Wein und weder Cola noch Orangensaft, schon gar keinen Almdudler.

Rauchen ist erlaubt im Nebenzimmer, aber vielleicht unhöflich, und deshalb geht Daniel Glattauer zwischen den Gängen mal raus in die Kälte, zündet sich eine an und sagt, dass es ihm eigentlich wurscht sei, was die Journalisten über ihn oder sein Buch so schreiben. Aber dem Verlag sei es nicht egal. Glattauer sagt: „Von einem Schriftsteller, der Erfolg hat, wird erwartet, dass er da ist.“ Auch wenn Interviewmarathons nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen zählen.

„Herzeigen, was in dieser Welt alles möglich ist“

Beim Interviewmarathon, der am nächsten Tag im schönen Café Museum stattfindet, gegenüber der Secession, sagt Daniel Glattauer, dass er selbst all die Jahre bis zu seinem Erfolgsroman sehr gerne Journalist bei der renommierten Wiener Zeitung „Der Standard“ gewesen sei, „vor allem Gerichtsreporter. Das hat mich lange Zeit in große Spannung versetzt“. Und eigentlich habe er damals als Journalist und heute als Schriftsteller eh nur immer dasselbe gewollt: „Einfach ein bissi herzeigen, was in dieser Welt alles möglich ist.“

Das tut er ausgiebig in seinem neuen Roman „Ewig Dein“. Es ist möglich: Verliebtheit, Liebe, zu viel und zu wenig Nähe. Judith führt ein Lampengeschäft, Hannes, „sonnenfältchenäugig, ausgestattet mit Omas blendendem Gebiss“, stolpert in ihr Leben. Man kommt sich näher, „sie hatte noch ein Lächeln der Behaglichkeit auf den Lippen“, schreibt Glattauer. Man kommt sich ein bisschen komisch vor, wenn man als Mann das erste Drittel von Glattauers neuem Buch im Zug liest. Man entfernt vielleicht den Schutzumschlag, wenn man als Bub mal heimlich den Heftchenroman der kleinen Schwester ausgeborgt hatte und dabei ertappt wurde. „Sonnenfältchen?“, sagt Glattauer, „so kitschig bin ich. Das wäre nur dann schwierig, wenn man sich selber dabei erwischt, etwas zu schreiben, was man gar nicht mehr ist.“

Daniel Glattauer, der seit 26 Jahren mit der Frau zusammenlebt, die er vor zwei Jahren geheiratet hat, legt Wert darauf, er selbst zu sein. Schon als Journalist hat er sich „freigespielt“, wie er es nennt. Hat Unliebsames vermieden, was nicht bei allen Kollegen gut angekommen ist. Hat Kolumnist werden dürfen, und dass er ein guter war, merkt man, wenn man sein Buch weiterliest. Da schreibt er: „Natürlich suchte sie keinen Partner, schon gar nicht bei einer dieser Börsen im Internet, wo die Reizarmen aus den hinteren Reihen des Alltags als geistreiche Charmeure vorstellig werden.“ Und er sagt: „Ich bin für das geschätzt worden, was ich gerne mache. Ich war vor meinen Romanen so glücklich wie heute.“ Er versucht, den Erfolg wie „ein Möbelstück“ zu betrachten, von außen. Er weiß: „Die Dinge, die mein Leben besser machen könnten, haben nichts mit Erfolg zu tun.“

Glattauers Leben besteht aus zwei getrennten Teilen

Das Leben aus dem bemerkenswerten Fantasiereservoir des Daniel Glattauer lässt sein neues Buch „Ewig Dein“ irgendwann kippen: Hannes, der Traummann, entpuppt sich als Stalker, aus der Sonnenscheinschnulze wird ein düsterer Tanz am Abgrund, aus gepflegter Langeweile entwickelt sich eine beträchtliche Spannung. Rechtzeitig vor dem geradezu thrillerhaften Kunstkniffschluss wird aus „Ewig Dein“ ein Buch, das man nicht ohne Not weglegen mag. Was der Autor damit sagen will? „Ich will nichts Bestimmtes damit sagen. Ich stehe dazu, dass ich nur ein Unterhalter bin. Das Buch soll einfach Gefühle auslösen, die nicht negativ sind.“

Das Leben des Daniel Glattauer besteht nämlich aus zwei klar getrennten Teilen. „Für mich fällt das Schreiben unter Berufsleben“, sagt er, „und für mich ist das Privatleben das viel wichtigere Leben.“ Der Privatmann Glattauer, der über die Fähigkeit verfügt, öfters mal unangekündigt aus dem Bestsellerautor dieses Namens herauszuhüpfen, haut auch Sätze raus, die geeignet wären, die Augenbrauen der Herren Ober im Café Museum himmelwärts zu zerren, wenn er sie laut genug sagen würde: „Ich finde das kapitalistische System, in dem wir leben, scheiße. Die Menschen werden es den Reichen, die glauben, sie sind auf der sicheren Seite, einfach wegnehmen.“ Der Bestsellerautor Glattauer allerdings fände es „lächerlich, sich einer Plattform ,Schriftsteller gegen den Kapitalismus‘ anzuschließen“. Er sagt: „Die Welt ist mir zu groß – ich bleibe lieber bei der Einzelperson.“ Da könne man mehr ausrichten.

Als der Kaffee im Café Museum seinen Dienst getan hat, fragt Daniel Glattauer plötzlich: „Meinst du, wenn man das Talent hat zu schreiben, dann sollte man das dazu nutzen, um die Welt ein Stückchen zu verbessern?“ Er wolle Menschen glücklich machen, sagt er. Und dass er sich im dritten Semester einer fünfsemestrigen Ausbildung zum „Lebens- und Sozialberater“ befinde. Und, ja, er habe „fast ausgesorgt“.

Judith, die Liebe sucht und Wahnsinn findet, verkauft Lampen. Hannes, der nicht der ist, der er scheint, firmiert als Architekt. Daniel Glattauer muss man sich vor allem als glücklichen Menschen vorstellen: „Ich habe nicht mehr das Gefühl, dass ich irgendwelche Jobs machen muss, um Geld zu verdienen. Das ist ein schönes Gefühl. Ein Wahnsinnsgefühl!“ Er redet jetzt wie ein Wasserfall: „Mir tut es immer leid, wenn ich ein Gefühl habe, das andere nicht haben. Ich würde das jedem wünschen. Aber das geht sich halt nicht aus.“

Daniel Glattauer: Ewig Dein. Roman. Deuticke im Paul Zsolnay Verlag, Wien. 208 Seiten, 17,90 Euro.