Wenn die Nachrichten melden, dass der Diktator Alexander Lukaschenko ein Zivilflugzeug im weißrussischen Luftraum entführen lässt, um einen oppositionellen Blogger verhaften zu können. Wenn also diese Form staatlicher Luftpiraterie möglich ist, kann man dann je wieder behaupten, ein Thriller sei unrealistisch?

Stuttgart - Das Problem mit vielen Thrillern scheint, dass sie ihre Handlung immer so unrealistisch überdrehen müssen. In Marc Elsbergs Thriller „Der Fall des Präsidenten“ (Spiegel-Belletristikbestseller Platz 23, Blanvalet, 606 Seiten, 24 Euro) wird der bullige US-amerikanische Ex-Präsident Douglas Turner („allfällige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen zwangsläufig nicht immer zufällig“, wie es im Nachwort heißt) bei einem Besuch in Athen von den griechischen Behörden im Namen des Den Haager Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) verhaftet und in Auslieferungshaft genommen. Ihm droht eine Anklage wegen Kriegsverbrechen von US-Truppen in Afghanistan, die auf seinen Befehl hin erfolgten. Turners Nachfolger Arthur Jones steht mitten im Wahlkampf und kann deshalb diesen Affront gegen die USA nicht hinnehmen. Zumal die Vereinigten Staaten die Jurisdiktion des ICC nicht anerkennen (tun sie auch in Wirklichkeit nicht). Also legt Jones nicht nur der griechischen Regierung die Daumenschrauben an, sondern gleich der ganzen EU. Droht mit Wirtschaftssanktionen, lässt die Geheimdienste die sozialen Netzwerke beeinflussen, übt Druck direkt auf den ICC aus. So weit, so realistisch. Doch dann, so denkt man, kommt diese totale Überdrehung im Dienste einer flotten Thrillerhandlung. Turner wird nämlich in einer ebenso tollkühnen wie obskuren Militäraktion am helllichten Tag aus dem Gefängnis befreit. Das schien beim Lesen dann doch ein bisschen übertrieben.