Gerson da Cunha ist in seiner Heimat hoch angesehen, war Journalist, Werber, Unicef-Beauftragter und jetzt als Gast beim Indischen Filmfestival. Er bleibt ein paar Tage in der Stadt – und freut sich auf einen Opernbesuch.

S-Mitte Gerson da Cunha und Stuttgart: das ist Liebe auf den ersten Blick. Kaum in Echterdingen gelandet und über die Weinsteige in die City unterwegs, sagte er seiner Frau im Taxi: „Mensch, Uma, Stuttgart hat aber eine richtig menschliche Größe.“ Er sagt das nach acht Stunden Flug von Mumbai nach Amsterdam, zwei Stunden Aufenthalt dort und einer weiteren Flugstunde nach Stuttgart, seine wachen Augen leuchten dabei. Gerson da Cunha ist 89 Jahre alt, schon viel in der Welt herumgekommen und zum ersten Mal in Stuttgart.

 

Anlass für seinen Besuch ist das 15. Indische Filmfestival, bei dem bis Sonntag im Metropol-Kino an der Bolzstraße Spielfilme, Kurzfilme und Dokumentationen gezeigt werden und bei dem auch viel über Indien diskutiert wird, unter anderem über das Jubiläum 50 Jahre Partnerschaft zwischen Mumbai und Stuttgart.

Mehr Zeit und Ressourcen für Stadtbewohner

Gerson da Cunha ist Journalist, Werber, Autor, Dichter, Film- und Theaterschauspieler und genießt in seiner Heimat und auch darüber hinaus hohes Ansehen. Er arbeitete zunächst als Journalist bei der größten Nachrichtenagentur Indiens, wechselte dann in eine große Kommunikationsagentur, die er viele Jahre lang leitete und wo er in Indien legendäre Kampagnen entwickelte. Nach einem Vierteljahrhundert in der Werbung begann er, seine Fähigkeiten für soziale Projekte einzusetzen. Im Rahmen eines Forschungsstipendiums beschäftigte er sich in Sao Paulo in Brasilien mit dem Themenbereich gesunde Kinderernährung und startete eine Kampagne, damit wieder mehr Mütter dort ihre Kinder stillen. Dann arbeitete er sieben Jahre lang für das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) in Brasilien und in New York. Zurück in Mumbai gründete er später die AGNI – Action für Good Governance and Networking in India, eine Nichtregierungsorganisation, die die Politik dazu bringen will, mehr Zeit und Ressourcen für Stadtbewohner aufzubringen.

Zum ersten Mal in der Stadt – und in der Stuttgarter Oper

Und jetzt also ein erster Besuch in Stuttgart und der eingangs erwähnten Liebe auf den ersten Blick. Damit kein Missverständnis entsteht: Es ist nicht so, dass ein Einwohner der Millionen-Metropole Mumbai alles niedlich findet. Gerson da Cunha kann die Dimensionen einer Stadt ganz gut einschätzen. Er war bereits in München oder Hamburg. Aber Stuttgart hat ihn sofort betört. Die Stadt hat ihm gezeigt, was sie im Vergleich zu Mumbai in Sachen Lebensqualität bedeuten kann. „Ich mache mir wegen der Luftverschmutzung und Vermüllung meiner Stadt echt Sorgen.“

Die Annäherung der Inder an den westlichen Lebensstil hat offenbar ihren Preis. Aber Uma da Cunha sieht auch eine Gegenbewegung in ihrem Land. „Viele Inder besinnen sich wieder auf unsere Traditionen. Yoga und Ayurveda galt lange als unschick. Jetzt kommt es in den Städten wieder zurück. Allerdings in einer modernen Art im Fitness-Studio.“ Es ist als diffundiere dieses uralte Wissen zwischen Ost und West in Wellenbewegungen. Das Beispiel eines Film-Festival-Beitrags „Der Doktor aus Indien“ (Sonntag, 14 Uhr, Metropol) mache dies anschaulich. Es ist die Geschichte von Dr. Vasant Lad, einem Pionier der ganzheitlichen Medizin, der in den 1970ern die ayurvedische Heilkunst in den Westen brachte. Seither etabliert sich Ayurveda hier immer stärker, während in Indien das Interesse daran schwindet. „Ein guter Film“, sagt Uma da Cunha, „es lohnt sich, ihn anzusehen.“

In Stuttgart werden die beiden neun Tage bleiben. Und am Montag wird sich ein großer Wunsch von Gerson da Cunha erfüllen. Er will unbedingt in die Oper. Bei seinem Besuch im Stadtbüro von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten kam zufällig gerade auch Thomas Koch, der Kommunikationsdirektor der Oper, vorbei. So konnte direkt beim Hans-im-Glück-Brunnen gleich alles organisiert werden.