Der Astronaut berichtet per Live-Schalte von seiner Arbeit in der Raumstation – und von seinem Blick auf die Erde. Und der ist beunruhigend.

Künzelsau - Zwei Stunden dauert das – durchaus wörtlich zu nehmende – Warm-up. Punkt 17.15 Uhr erscheint dann das Video auf der großen Leinwand vor dem Alten Rathaus von Künzelsau (Hohenlohekreis), und ein sichtlich gut gelaunter Alexander Gerst im blauen Raumfahrtanzug ruft der Menge zu: „Hallo Hohenlohe, hallo Künzelsau!“ Bis zu diesem Moment haben sich die meisten Raumfahrtbegeisterten in schattige Nebengassen verzogen, einige haben aber auch in der Hitze ausgeharrt. Unter den Hartnäckigen ist Joachim Schröder, Weltraumfan, Geograf, Hobbyastronom und Mitglied der Astronomischen Vereinigung Weikersheim, der sich nahe der Bühne einen Platz gesichert hat.

 

Seit 1986 ist Schröder mit dem Weltraumfieber infiziert, die Ereignisse rund um den Halleyschen Kometen haben den heute 46-Jährigen Feuer fangen lassen. In seiner Freizeit hält der dreifache Vater Vorträge über den Sternenhimmel über Hohenlohe, Lichtverschmutzung und andere Themen rund um Astronomie. Aufgeregt zeigt der Raumfahrtfan auf sein Handy: „Schauen Sie mal, gerade fliegt er mit der ISS über Afrika.“ Der Live-Call mit Alexander, sagt Schröder, sei eine fantastische Sache: „Es ist so wichtig, junge Menschen für die Naturwissenschaften zu begeistern.“ Bei seinen Töchtern sei es ihm bereits gelungen: „Ich zeige ihnen mit meinem Teleskop die ISS“, erzählt er, „sie fiebern mit.“

Klicken Sie hier, um zur großen Gerst-Multimedia-Reportage zu gelangen

Die Menge fiebert mit

Das tut auch die Menge, während der Künzelsauer Ehrenbürger Gerst in einer 20-minütigen Video-Schaltung seiner Heimatstadt über seine Arbeit in der Raumstation berichtet und Fragen beantwortet. Wie bereits bei der letzten Mission – 2014 verbrachte der heute 42-Jährige 165 Tage im All – beweist Gerst, dass er ein talentierter Botschafter vom Außenposten der Menschheit ist. „Wir sehen Regenwälder, die gerodet werden, Gletscher, die geschmolzen sind, Seen, die verdunsten“, schildert er seine Beobachtungen aus rund 400 Kilometer Höhe. An Bord der ISS befinden sich auch Sensoren, die helfen sollen, das Erdklima besser zu verstehen. „Das Wichtigste aber ist die Perspektive.“ Von außen auf die Erde zu blicken und zu erkennen: „Alles, was drauf ist, ist endlich, und die Atmosphäre ist so dünn.“

Der Astronaut ist ein begnadeter Botschafter

Gerst spricht locker, versteht es, die Öffentlichkeit zu begeistern. Er twittert von der Station (1,17 Millionen Menschen folgen ihm), er schaltet sich zum Kraftwerk-Konzert auf den Stuttgarter Schlossplatz, er telefoniert mit seiner Heimatstadt – vor allem aber macht er Wissenschaftler in Deutschland und Europa glücklich. David Parker etwa, der Direktor für Exploration bei der Europäischen Weltraumorganisation Esa, spricht von einem „riesigen wissenschaftlichen Programm“. Mehr als 50 europäische Versuche im All hat Gerst für die nächsten Wochen und Monate auf dem Zettel, davon stammen 41 aus Deutschland.

Ein Versuch auf der Erde, den sich die Verantwortlichen für den besonderen Tag ausgedacht haben, klappt schon mal: Auf der Künzelsauer Hauptstraße sind farblich definierte Bereiche markiert und an die Besucher bunte Pappen verteilt worden. Auf ein Signal halten alle ihre Pappe über die Köpfe, so dass ein großes Bild in Rot entsteht: die Grußbotschaft „Hallo Alex!“ Um 17.35 ist Schluss: „Auf Wiedersehen.“ Astro-Alex, wie sie ihn nennen, winkt seinen Fans zu. Dann wird die Leinwand schwarz.