Ein Bodensee-„Tatort“ wird am Bodensee gedreht – logo. Stimmt aber nicht: Teilweise entsteht der Krimi auch in Baden-Baden. Ein Besuch am Set klärt alle Fragen.

Überlingen – Die steile Marienschlucht gegenüber von Überlingen und das sich daran anschließende Ufergelände gehören zu den schönsten Flecken am Bodensee. Umso deplatzierter wirkt das zerbeulte rote Autowrack, das hier am Wasser liegt. Empörte Spaziergänger alarmieren umgehend die örtliche Zeitung, doch das Missverständnis ist rasch aufgeklärt: In der unberührten Natur produziert der SWR einen neuen „Tatort“ aus Konstanz.

 

Zaungäste sind bei Dreharbeiten ohnehin selten willkommen, aber diesmal ist der Drehort regelrecht abgeschottet, wenn auch nicht aus Gründen der Geheimhaltung: Die Ruhe des Naturschutzgebietes soll so wenig wie möglich gestört werden. Trotzdem tummeln sich immer noch rund zwanzig Menschen am Drehort: die beiden Hauptdarsteller Eva Mattes und Sebastian Bezzel, Regisseur Ed Herzog, Kameramann Andreas Schäfauer, beide nebst Assistenten, dazu diverse Bühnentechniker, die für Auf- und Abbau von Kamera und Zubehör zuständig sind; außerdem sind am Set die Sparten Requisite, Garderobe, Maske sowie Kostüm- und Szenenbild zum Teil mehrfach vertreten. Die meisten sind ebenso wie die gesamte Technik mit dem Schiff hergebracht worden, denn der Abstieg durch die malerische Marienschlucht ist beschwerlich und langwierig.

Dass der Südwestrundfunk den Krimi mit dem Titel „Die schöne Mona ist tot“ ausgerechnet hier drehen lässt, hat mit der Handlung zu tun: Im Film ist ein Auto von einer Klippe in den See gestürzt, und dies war der einzig geeignete Drehort am Bodensee, den man gefunden hat. Besitzerin des Wagens ist die Titelfigur; doch ihre Leiche ist unauffindbar.

An Drehorten herrscht zwar rege Betriebsamkeit, aber aus Gründen der Konzentration in der Regel auch eine fast schon sakrale Stille; die Lärmbelästigung hält sich also in Grenzen. Größere Sorge bereitete den Behörden das Auto. Zu den Auflagen, die mit der Drehgenehmigung verknüpft waren, gehörte daher die Garantie, das Seewasser nicht durch Öl oder Benzin zu verschmutzen. Eine Spezialfirma hat zuvor sämtliche Flüssigkeiten aus dem Auto entfernt. Der Unfall selbst ist allerdings in Baden-Baden gedreht worden. Das Team wird seine Zelte am Bodensee ohnehin kurz nach der Uferszene wieder abbrechen: Die Dreharbeiten in der Region dauern diesmal nur vier Tage.

Normalerweise ist das Verhältnis in etwa ausgeglichen: zehn Tage am See, zehn Tage in Baden-Baden und Umgebung. Dass die Filme nicht komplett in und um Konstanz entstehen, sei „dem Gebot der Wirtschaftlichkeit geschuldet“, erläutert die für Fernsehfilme zuständige SWR-Sprecherin Annette Gilcher: „Wenn ein ganzes Team reisen muss und Hotelzimmer oder Apartments braucht, kostet das sehr viel Geld. Deshalb werden Innenmotive und uncharakteristische Außenmotive in Baden-Baden und Umgebung gedreht.“ Die Kunst bestehe darin, die Szenen so auszubalancieren, „dass es so aussieht, als sei der Film komplett vor Ort entstanden“. In Baden-Baden befindet sich auch das Büro des Konstanzer Ermittlerduos Klara Blum und Kai Perlmann, übrigens im selben Gebäude wie die Räume der „Tatort“-Kollegen aus Stuttgart und Ludwigshafen.

Wer nun wissen will, was es mit der schönen Mona auf sich hat und warum sie verschwunden ist, muss sich noch eine Weile gedulden: Ausgestrahlt werden die Filme in der Regel ein Jahr nach ihrer Entstehung. Das hängt vor allem mit der Postproduktion zusammen. Schon allein die Farbkorrektur ist ein komplizierter Prozess. Außerdem muss der Film geschnitten werden. Dann erst kann der Komponist seine Musik unter die Bilder legen. Da sich diese Verzögerungen insgesamt zu annähernd zwölf Monaten summieren, zeigen die Sender ihre „Tatort“-Krimis gern ungefähr ein Jahr nach ihrer Entstehung, weil dann die gleichen klimatischen Bedingungen herrschen. Es kommt erfahrungsgemäß beim Publikum nicht gut an, im Sommer einen Winterfilm auszustrahlen.

Bleibt noch die Frage, warum man zwanzig Tage braucht, um neunzig Minuten zu produzieren; pro Tag also gerade mal vier bis fünf Minuten. Einen Film zu drehen, erläutert Annette Gilcher, „ist sozusagen Manufaktur. Ein Großteil der Aktionen kann nur hintereinander und nicht gleichzeitig erledigt werden. Außerdem vollzieht man ja die gleichen Abläufe mehrmals, bis eine Szene wirklich im Kasten ist.“ Das berühmte Filmkommando „Alles auf Anfang“ bedeute also, dass der für eine Szene notwendige Prozess tatsächlich wieder von vorne beginne. Im Gegensatz etwa zu den Nachmittagsserien werde ein Fernsehfilm zudem mit nur einer Kamera gedreht: „Die volle Konzentration liegt immer auf einer Perspektive, auch das Licht wird speziell für diese Kameraposition eingerichtet. Sobald man mit mehreren Kameras dreht, wird das Licht diffuser.“

Und dann gibt es immer wieder jene Momente, in denen man herzhafte Flüche am Set hört: weil man zum Beispiel warten muss, bis ein Flugzeug vorbeigeflogen ist. Oder, noch ärgerlicher und auch nicht zu beeinflussen: weil sich eine fette, schwarze Wolke vor die Sonne geschoben hat und man natürlich nach Möglichkeit vermeiden will, dass in ein und derselben Szene mal strahlender Sonnenschein und mal triste Stimmung herrscht.