Bis Ende Juni können Anwohner Lärmbelastungen an das Eisenbahn-Bundesamt melden. Doch dabei kann nicht jeder tatsächlich mitmachen – denn die Bahn klammert eine Strecke einfach aus.

Korntal-Münchingen - Korntal ist zwar ein großes Dorf, aber eines mit magischen Kräften, das Dinge verschwinden lassen kann. So könnte man überspitzt die Zahlen der Bahn zur Lärmkartierung zusammenfassen. Diese hat das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) für alle Hauptstrecken erstellt und lädt bis Ende Juni zur Öffentlichkeitsbeteiligung ein, um den Lärm zu erfassen. Doch unabhängig davon, dass viele Anwohner in Korntal, Gemeinderäte und auch die Stadt schon früher Zweifel an den Zahlen der Bahn erhoben haben, sind einige nun über einen weiteren Kniff verärgert. Denn ein Abschnitt ist in dem aktuellen Verfahren gar nicht erst enthalten: die Strecke von Kornwestheim zum Korntaler Bahnhof.

 

Das EBA begründet das damit, dass auf der Strecke jährlich weniger als 30 000 Züge fahren, weshalb sie keine Haupteisenbahnstrecke sei. 7739 Güterzüge pro Jahr würden deshalb nicht berücksichtigt, beklagt sich Ralf Maus von der Agendagruppe Lärm und Verkehr. Zudem endet für das EBA die Strecke an der Gemarkungsgrenze zu Korntal – Züge auf rund 1,3 Kilometern im weiteren Verlauf bis zum Bahnhof würden damit überhaupt nicht registriert, sondern nur die jährlich 110 Güterzüge zwischen Korntal und Zuffenhausen. „Die Züge überspringen sozusagen diesen Abschnitt“, sagt Maus, der das EBA bislang erfolglos zur Korrektur aufgefordert hat. Auch die städtische Umweltbeauftragte Angelika Lugibihl ist mit der Lärmkartierung unzufrieden. „Ich kann das methodisch nicht nachvollziehen.“

Erst hinter dem Korntaler Bahnhof taucht zumindest ein Teil wieder auf: Zu den dort 44 566 Zügen kommen dann aber nur 5767 dazu, und nicht die für den Abschnitt Kornwestheim-Korntal angegebenen 10 514. Unklar ist also, wo knapp 5000 Züge abbleiben. Das EBA war sich in einer ersten Reaktion sicher, dass keine Strecke fehlte und wollte das prüfen. Ein Ergebnis stand auch drei Tage nach der Anfrage aus.

Kurios mutet den Anwohnern auch an, dass jenes Streckenstück bei einer Lärmkartierung 2007 erfasst und in die Klasse mit den höchsten Lärmwerten einsortiert wurde. Dafür fehlte der Gleisabschnitt auf Korntaler Gemarkung, zwischen den Grenzen zu den Stuttgarter Stadtteilen Zuffenhausen und Weilimdorf. Das EBA habe das damit begründet, dass in Korntal-Münchingen weniger als 1000 Einwohner pro Quadratkilometer leben – rechnet man aber nur Korntal, wird dieser Wert locker übersprungen.

Als Folge eines früheren Lärmsanierungsprogramms der Bahn bekamen einige Stuttgarter eine Lärmschutzwand, etwa im Gebiet Zuffenhausen-Elbelen, das an der Strecke von Kornwestheim nach Korntal liegt. Doch die Anwohner weiter westlich, in Neuwirtshaus, gingen leer aus. Er habe deshalb keinen Zuschuss für den 30 000 Euro teuren Einbau von Lärmschutzfenstern bekommen, beklagt Uwe Held von der Interessengemeinschaft gegen DB-Güterzuglärm.

Warum es trotz desselben Abstands der Häuser zu den Gleisen so verschiedene Lösungen gab, ist auch für die Stadt Stuttgart heute nicht mehr nachvollziehbar. Es könnte mit einem Mittelwert zusammenhängen, der Pausen zwischen den Zügen einrechnet, und gerade noch unter dem Lärmsanierungswert liegt, vermutete ein Mitarbeiter des Amts für Umweltschutz.

Auf eine Lärmschutzwand hoffen auch die Anwohner des Korntaler Bahnhofs schon lange. „Die Stadt ist mit dem EBA im Dauergespräch“, sagt dazu Lugibihl. Wenn der eigene Lärmaktionsplan nach der Sommerpause vom Gemeinderat verabschiedet sei, werde es wieder ein Treffen geben. Immer wieder hatte es in dem Zusammenhang auch Kritik an den Zahlen gegeben, etwa weil die Bahn Daten eines Zeitraums lieferte, in dem wegen Bauarbeiten weit weniger Güterzüge fuhren. Zweifel gab es zudem an den Prognosen. Mit dem Ausbau der Rheintalstrecke sei für ihn klar, dass Korntal noch stärker betroffen werde, als es die Zahlen weismachten, hatte der Grünen-Rat Wolf Ohl einmal gesagt. Die Bahn damals: „Behaupten kann man viel.“