Betrachtungen vor der Wahl in Leonberg Deutschland vor der eigenen Haustür
Die großen Probleme im Bund lassen sich bei uns wie im Brennglas verfolgen, meint unser Leonberger Redaktionsleiter Thomas K. Slotwinski.
Die großen Probleme im Bund lassen sich bei uns wie im Brennglas verfolgen, meint unser Leonberger Redaktionsleiter Thomas K. Slotwinski.
Mit einer Mischung aus Hoffnung und Bangen blicken die Menschen auf den Wahltag: Wechselstimmung liegt in der Luft, wobei nicht ausgemacht ist, welche Auswirkungen ein wie auch immer gearteter Wechsel haben wird. Dass es in der Wirtschaftspolitik wesentlichen Korrekturbedarf gibt, ist indes direkt vor unserer Haustür zu sehen.
Beim Ditzinger Laserspezialisten Trumpf, einer der familiengeführten Vorzeigebetriebe des ganzen Landes, wird massiv gespart. Die Vorstandschefin Nicola Leibinger-Kammüller wirft der scheidenden Bundesregierung „Planwirtschaft“ vor. Die Betriebe benötigten keine Subventionen, sondern Entlastungen.
Nicht minder groß ist die Mischung aus sprachloser Überraschung und Entsetzen bei Bosch: Der Technologiekonzern mit Stammsitz in Gerlingen, der viele Jahrzehnte nahezu über den Dingen schwebte, baut massiv Stellen ab. Vor dem neuen Entwicklungscampus in Leonberg oder dem Forschungszentrum in Renningen haben Ingenieure in der Weihnachtszeit symbolisch wie lautstark um Hilfe gerufen. Menschen, die sich vorher vor allem in technischen Dimensionen der Zukunft bewegt haben, sehen sich plötzlich mit der brutalen Wirklichkeit konfrontiert.
Die Hilferufe wiederum, die aus den Krankenhäusern kommen, dringen kaum noch durch. Die medizinische Versorgung der Menschen ist teuer wie nie. Das wollte der Noch-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit seiner mehr berüchtigten als berühmten Krankenhausreform ändern. Davon ist bisher nichts zu merken. Im Gegenteil: Die Warteschlangen in den Kliniken und auch bei den niedergelassenen Ärzten geraten immer länger. Notfallpraxen werden geschlossen. Jene in Leonberg, einst mit Ditzingen fusioniert, steht noch nicht auf der schwarzen Liste – wie lange, weiß niemand.
Genau wie die Zukunft des Krankenhauses in Leonberg keineswegs dauerhaft gesichert ist. Insider erwarten spätestens dann Probleme für den Bestand der medizinischen Nahversorgung in der Leonberger Region, wenn in einigen Jahren die große Flugfeldklinik eröffnet. Der Start des Prestigeprojekts des Böblinger Landrats Roland Bernhard verschiebt sich immer wieder. Dass es am Ende mehr als eine Milliarde Euro kosten wird, gilt als sicher.
Und auch die Konflikte um die ungesteuerte Migration treten direkt bei uns vor der Haustür zutage: Ein Bäckermeister im Ditzinger Teilort Hirschlanden wollte jüngst nicht, dass eine muslimische Frau in einem Nikab, einer Vollverschleierung, sein Geschäft betritt. Es kommt zum verbalen Konflikt, den die Frau filmt und ins Netz stellt – die auch bei vielen anderen Fällen hinlänglich bekannten hasserfüllten Kommentare in die eine und die andere Richtung inklusive. Diesmal offensichtlich sogar mit Morddrohungen gegen den Chef. Ob eine zerstörte Schaufensterscheibe seines Geschäfts mit all dem zusammenhängt, ist offen.
Der Bäckermeister ist übrigens kein dumpfer Deutschtümler, sondern ein italienischer Einwanderer, der in den Sechzigern mit seiner Familie die kleine Bäckereikette aufgebaut hat, sehr gute Qualität liefert und in Ditzingen hohes Ansehen genießt.
Diese Momentaufnahmen zeigen: Es gibt auf allen Ebenen großen Handlungsbedarf. Viele der, wie es jetzt immer heißt, demokratischen Parteien haben offenkundig zu etlichen Entwicklungen viel zu lange geschwiegen und die Mahnungen aus dem Mittelstand, der Basis unserer Gesellschaft und unseres Wohlstands, auch aus ideologischen Gründen überhört. Am Sonntag gibt es noch eine Chance, eine Politik zu wählen, die wirklich in der Mitte angesiedelt ist und die schweren Zukunftsaufgaben mit Pragmatismus und Mut gleichermaßen angeht.