Die Ganztagsbetreuung kommt in Baden-Württemberg nicht so recht in Gang. Das Land verschleppe den Ausbau, kritisiert der Städtetag und macht Druck auf die Regierung. Diese solle sich ein Vorbild an Sachsen nehmen.
Stuttgart - Ganztagsschulen sind in Baden-Württemberg nach wie vor die Ausnahme. Die grün-rote Landesregierung wollte 2014 innerhalb von zehn Jahren 70 Prozent der Grundschulen auf verbindlichen Ganztagsbetrieb umstellen. Davon ist der Südwesten weit entfernt. 18 Prozent haben sich bis jetzt zu der Änderung entschlossen.
Die Eltern wollen lieber flexible Betreuung, etwa in Form von Horten. Doch dafür hat das Land seit 2014 keine neuen Angebote mehr bezahlt. Jetzt tritt ein Wandel ein, doch der geht den Städten nicht schnell genug. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hat bereits im März angekündigt, dass das Land ab dem Schuljahr 2019/20 wieder flexible Betreuung fördern werde, auch die neuen Gruppen, die seit dem Schuljahr 2014/15 eröffnet wurden. Doch seit März hat sich nichts getan, bedauert Norbert Brugger, der Bildungsdezernent des Städtetags.
„Unsägliche Abrechnerei von Kleinbeträgen“
Die Städte und auch das Land wollen die Ganztagsbetreuung voranbringen, doch zuviel Bürokratie behindere dies, meint der Städtetag. „In Baden-Württemberg fehlt der Pioniergeist, anders als in Sachsen“, bemängelt Norbert Brugger. Der Dezernent stellt fest: „Wir investieren eine Menge Zeit in unsinnige Bürokratie. Es gibt eine unsägliche Abrechnerei von Kleinbeträgen.“ Der Ärger darüber sei nicht nur bei den Kommunen sondern auch in den Schulen groß.
Zwar kündige das Land Vereinfachungen an, aber vieles werde verschleppt. Bis jetzt müssten die Kommunen jedes Schuljahr neue Anträge für jedes der 20 000 Betreuungsangebote stellen, sagte Brugger unserer Zeitung. Hier stellt das Ministerium jedoch eine Verbesserung in Aussicht. Eine Pro-Kopf-Pauschale soll bewirken, dass die Kommunen nur noch einmal im Jahr die Zahl der betreuten Schüler melden müssen. Das begrüßen die Kommunen sehr und werten die Ankündigung als „großen Schritt in die richtige Richtung“. Jetzt soll allerdings erst einmal umfassend erhoben werden, wo es welche Betreuungsangebote gibt – und das dauert.
Schnellere Budgetierung verlangt
Auch sonst gebe es vermeidbaren Verwaltungsaufwand noch im Überfluss meint Brugger. Die Kommunen verlangen die Budgetierung der Landesfördermittel. Dass das frühestens ab dem Schuljahr 2020/21 möglich sein soll, wie das Kultusministerium sagt, mag der Städtetag nicht einsehen. Das Vorbild wäre Sachsen. Dort habe man einfach das Schulgesetz geändert und eine schnelle Lösung erreicht.
Beispielhaft sei Sachsen auch bei der Einführung von Girokonten für Schulen vom Land, findet der Städtetag. Das erscheine in Baden-Württemberg „seit Jahrzehnten unmöglich“. Lehrer würden häufig Geld für Schulausflüge und ähnliches über ihre eigenen Konten laufen lassen. Noch warten die Städte auf eine Antwort der Kultusministerin dazu. Zu langsam reagiere das Ministerium auch bei der Vereinfachung der Kooperation mit außerschulischen Partnern. Der Städtetag hat sich bereits mit Kirchen, dem Landessportverband, dem Landesjugendring und beispielsweise dem schwäbischen Chorverband auf ein Modell verständigt. Seit Juni warte man auf eine Reaktion des Ministeriums, ohne die es nicht weiter gehe.
Höhere Fördersätze
Mit dem Wiedereinstieg in die Finanzierung ist es laut Brugger nicht getan. Die Kommunen verlangen eine Erhöhung der Fördersätze um mindestens 25 Prozent. Aktuell ist das Land laut Städtetag mit 458 Euro pro Jahreswochenstunde bei der Betreuung im Rahmen der Verlässlichen Grundschule dabei. Für flexible Nachmittagsangebote gibt es 275 Euro pro Jahreswochenstunde für die Kommunen. Die Sätze würden von vor der Jahrtausendwende stammen, klagen die Städte. Die Erhöhung sei schon deshalb notwendig, um die gestiegenen Personalkosten auszugleichen.
Hinter dem Zeitplan hinkt nach Einschätzung der Städte auch die Einführung des Ganztagsbetriebs an weiterführenden Schulen her. Der Koalitionsvertrag der Landesregierung sieht ein Gesetz noch in dieser Legislaturperiode vor, das den Ausbau bis zur Klasse sieben regelt. Außer allgemeinen Ankündigungen gebe es bislang aber nichts. „Abstimmungen mit den kommunalen Landesverbänden fanden noch nicht statt“, meint Brugger zum Status Quo. Doch im November und Dezember stehen Sitzungen mit Beteiligung des Kultusministeriums an.