Ein Vater ist mit seiner Klage gegen die Kitaschließungen gescheitert. Die Kultusministerin hat eine Ausweitung der Betreuung angekündigt. Doch der Plan birgt Ärger und Enttäuschungen.

Mannheim/Stuttgart - Um die Kinderbetreuung in Coronazeiten gibt es weiter erhebliche Konflikte. Eltern sind enttäuscht, dass ihre Kinder trotz angekündigter Ausdehnung der Betreuungszeiten abgewiesen werden. Auch der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim hat den Eilantrag eines Vaters gegen die Beschränkungen des Kitabetriebs wegen der Coronapandemie abgelehnt.

 

Der Mann, der in der Immobilienbranche tätig ist, hatte geklagt, die Schließung der Kitas durch die Landesregierung sei rechtswidrig. Er könne seinen Beruf teilweise gar nicht ausüben, weil er seine beiden kleinen Kinder betreuen müsse. Seine Frau sei erkrankt. Durch die Isolation von Familien und Kindern seien bei den Kindern entwicklungspsychologische Schäden zu befürchten. Schließlich werde die Familie belastet, das Konfliktpotenzial steige. Er selbst spüre die psychische Belastung jeden Tag.

Eindämmung der Infektionsgefahr geht vor

Das Gericht lehnte den Antrag ab. Der Mann müsse Beeinträchtigungen in seiner Berufsausübung und in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit hinnehmen, weil der Gesundheitsschutz ein hohes Gewicht habe. Die Richter verwiesen darauf, dass im Infektionsschutzgesetz ausdrücklich vorgesehen sei, dass Kitas zur Eindämmung der Infektionsgefahr geschlossen werden könnten. Sie bestätigen damit die Haltung der Landesregierung. Außerdem könne der Mann die Notbetreuung nutzen und sei nicht in seiner Existenz bedroht. Die Kinder konnten dem Gericht zufolge vom 17. März an nicht in die Kita, ab dem 27. April besuchten sie die Notbetreuung, die jedoch täglich zweieinhalb Stunden kürzer ausfiel als die Betreuung vor der Coronapandemie.

Das Gericht sieht auch keinen Verstoß gegen den Schutz der Familie, den das Grundgesetzt garantiert. Der Staat müsse Eltern zwar unterstützen, doch konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen hätten sie nicht, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts vom Montag.

Weitere Öffnungen in der kommenden Woche

Kultusministerin Susanne Eisenmannn (CDU) hat bereits weitere Öffnungen in der Kinderbetreuung angekündigt. „Unser Plan sieht vor, dass wir ab dem 18. Mai die Betreuung an den Kitas in Richtung eines reduzierten Regelbetriebs in Absprache mit den Trägern schrittweise auf bis zu 50 Prozent der Kinder ausweiten“, sagte Eisenmann. Mit halben Gruppengrößen könnten die Abstandsgebote gewahrt werden. Gleichzeitig würden die Eltern weiter entlastet und die Kinder bekämen „ein Stück Normalität zurück“. Allerdings melden die Träger der Kitas, dass das Personal knapp ist. Die Risikogruppe unter den Erzieherinnen scheine größer zu sein als an den Schulen. Die Kultusministerin erwartet individuelle Lösungen in Absprache mit den Kommunen. Denkbar sei ein rollierendes System. Kinder könnten etwa in festen Gruppen abwechselnd an einzelnen Tagen in die Kita kommen. In einer Mitteilung des Kultusministeriums vom Mittwoch heißt es, dass es „bei weitem keine Normalbedingungen wie vor der Corona-Krise“ geben werde.

Eltern enttäuscht

Kritik kommt auch von Doro Moritz, der Landesvorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Sie bemängelt die mangelnde Abstimmung zwischen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und der Kultusministerin. Eisenmann hatte die Ausweitungen bereits angekündigt, Kretschmann hatte eine Kinderstudie zur Übertragung des Virus abwarten wollen, die allerdings noch gar nicht vorliegt.

Die GEW warnt vor einer Ausweitung des Betreuungsangebots. Moritz nannte den Plan „verantwortungslos gegenüber den Kindern und den pädagogischen Fachkräften“. Mit ihren „leichtfertigen Äußerungen zu einem reduzierten Regelbetrieb ab dem 18. Mai hat Kultusministerin Susanne Eisenmann Verunsicherung und großen Unmut bei den pädagogischen Profis in Kitas, bei Eltern und den Kita-Trägern ausgelöst“, kritisierte Moritz. Wer wisse, unter welchen Bedingungen mancherorts in der Notbetreuung gearbeitet werden müsse, könne die Ausweitung nicht weiterverfolgen.

Grüne fordern umfassende Strategie

Der Fraktionschef der Grünen im Landtag, Andreas Schwarz, hat sich in einem Schreiben an Susanne Eisenmann gewandt. Sie habe bei den Eltern „nachvollziehbare Erwartungen“ geweckt. Bereits jetzt stoße die Verteilung der verfügbaren Plätze auf große Kritik – nicht alle Kinder mit Anspruch auf einen Platz erhielten auch einen. Deshalb müsse Eisenmann eine „umfassende Strategie“ für die weitere schrittweise Öffnung der Kindertageseinrichtungen vorlegen. Dabei müsse die schwierige Personalsituation berücksichtigt werden, viele Erzieherinnen und Erzieher fielen in „vulnerable Gruppen“. Die Träger benötigten konkrete Maßnahmen, Konzepte und Handreichungen und müssten eng eingebunden werden.

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) wirft Eisenmann vor, den Kommunen den „Schwarzen Peter zuzuschieben“. Es stehe in den Einrichtungen kein Personal zur Verfügung, um neue Gruppen zu schaffen: „Wir würden neue Infektionsketten schaffen, wenn wir Personal in mehreren Gruppen abwechselnd einsetzen.“