Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Warum stößt das Betreuungsgeld auf eine so breite Abwehrfront? Es gibt zunächst ganz grundsätzliche Einwände: Wenn alle eine staatliche Prämie erhalten sollten, die es vermeiden, öffentlich subventionierte Einrichtungen zu benutzen, dann müsste es auch Geld für jeden geben, der mit dem Rad zur Arbeit fährt statt mit der U-Bahn; der eine Ausbildung in einem Unternehmen absolviert statt einen Studienplatz zu beanspruchen; der Schwimmbäder, Theater oder Bibliotheken meidet – die Liste der absurden Beispiele ließe sich fortsetzen.

 

Erfahrungen in anderen Ländern hätten gezeigt, dass Zuschüsse wie das Betreuungsgeld Fehlanreize setze. 92 Prozent der Bürger, die in Schweden Betreuungsgeld beantragten, seien Einwanderer. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass Migrantenfamilien durch die dort „Varnadsbidrag“ genannte Prämie animiert würden, ihre Kinder nicht in die Kita zu schicken. Deren Integration werde somit behindert. In Finnland und Norwegen sei die Erwerbstätigkeit junger Mütter seit Einführung des Betreuungsgeldes rückläufig. Skandinavische Familien würden vom Betreuungsgeld zudem nur dann Gebrauch machen, wenn sie keinen Kita-Platz bekämen.

Das Betreuungsgeld, so die Sorge der Kritiker, verleite finanziell schlecht gestellt Eltern, ihre Kinder zuhause zu betreuen, wo sie nicht in ausreichendem Maße pädagogische Anreize erfahren würden. Im Einwanderermilieu seien Frauen mit Kleinkindern nur selten erwerbstätig. Für die Integration sei das nicht förderlich. Das Betreuungsgeld werde diese Verhältnisse zementieren. Es entstünden zudem reine Mitnahmeeffekte, so eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung über „fiskalische Auswirkungen sowie arbeitsmarkt- und verteilungspolitische Effekte“ des Betreuungsgeldes. Diese neue Sozialleistung sei „integrationspolitisch ein schwerer Fehler“, warnt der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen. Gerade Kinder aus sozial schwachen Familien seien besonders auf die Förderung in Kitas angewiesen. Das Betreuungsgeld sei aber gerade für solche Familien attraktiv. Der Deutsche Caritasverband urteilt: „Das Betreuungsgeld benachteiligt Familien, die auf Plätze in einer Kita angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.“

Altes Rollenmodell verfestigt sich

Aus fiskalpolitischer Sicht wird kritisiert, dass es nicht sinnvoll sei, neue Subventionstatbestände zu erfinden, bevor die Effektivität ähnlicher Zuschüsse erwiesen ist. Seit Jahren verspricht die Regierung, den Nutzen familienpolitischer Leistungen untersuchen zu lassen. Es geht da unterm Strich um eine dreistellige Milliardensumme. Bisher gibt es keine solche Bilanz. Stattdessen wächst der immense Förderbetrag um eine weitere Milliarde. Das Geld wäre vernünftiger angelegt, wenn damit der Kita-Ausbau bezuschusst würde. Mit den 1,2 Milliarden Euro, die das Betreuungsgeld jährlich kosten soll, ließen sich 60.000 neue Kita-Plätze schaffen.

Die „Erziehungsarbeit“, die Eltern leisteten, so ein weiteres Argument, sei keineswegs Privatsache, sondern im öffentlichen Interesse. Schließlich werde damit das Fundament bereitet für unser künftiges Zusammenleben. Deshalb verdiene diese wichtige gesellschaftliche Leistung, auch finanziell honoriert zu werden. Es gehe hierbei auch darum, die Gleichwertigkeit von Erwerbsarbeit und familiärer Erziehungsarbeit zu verdeutlichen. Zudem sei es pädagogisch ideal, wenn kleine Kinder durch vertraute Bezugspersonen betreut würden – zu Hause eben.

Jeder Kita-Platz kostet den Staat monatlich 1000 Euro

Das politisch zentrale Argument heißt: Wahlfreiheit. Eltern könnten nur dann wirklich frei entscheiden, welche Art von Betreuung sie ihren Kindern angedeihen lassen, wenn es nicht nur ausreichend Plätze in Kitas oder bei Tagesmüttern gebe, sondern Väter oder Mütter es sich auch finanziell leisten können, der Kleinen wegen daheim zu bleiben. Der Staat dürfe kein Erziehungsmodell bevorzugen. Den Familien müsse es freigestellt werden, ob sie ihre Kinder der Obhut einer öffentlichen Einrichtung überlassen, selbst betreuen oder privat eine Betreuung organisieren. Insofern sei das Betreuungsgeld auch „ein Zeichen sozialer Gerechtigkeit“, argumentiert die CSU. Die Kinder daheim erziehen zu können dürfe nicht das exklusive Privileg wohlhabender Familien sein.

Mit Blick auf den Rechtsanspruch auf Betreuung, der vom 1. August 2013 an gilt, rückt ein anderes Argument in den Vordergrund: Jeder Kita-Platz kostet die öffentliche Hand etwa 1000 Euro im Monat. Nur ein Bruchteil davon wird durch Gebühren finanziert. Vor diesem Hintergrund sei es allein schon finanzpolitisch sinnvoll, Eltern einen bedeutend kleineren Zuschuss zu gewähren, die für die Betreuung ihrer Kinder keine hochsubventionierten öffentlichen Einrichtungen in Anspruch nehmen. Das Betreuungsgeld sei keineswegs ein gesellschaftspolitisches Steuerungsinstrument, das junge Mütter vom Arbeiten abhalten solle („Herdprämie“). Es sei vielmehr ohnehin so, dass die meisten Eltern ihre Kinder bis zu drei Jahre zu Hause betreuen wollen. Das belegen auch die Untersuchungen zum Bedarf an Kita-Plätzen. Sie gehen aktuell davon aus, dass im Bundesdurchschnitt nur für 39 Prozent der Kleinkinder ein Platz benötigt wird. Um eine ausreichende Zahl solcher Plätze zu schaffen, geben Bund, Länder und Kommunen zwölf Milliarden Euro aus – die laufenden Betriebskosten nicht mitgerechnet. Der Aufwand für das Betreuungsgeld wird auf jährlich 1,2 Milliarden Euro geschätzt.

Das spricht gegen das Betreuungsgeld

Warum stößt das Betreuungsgeld auf eine so breite Abwehrfront? Es gibt zunächst ganz grundsätzliche Einwände: Wenn alle eine staatliche Prämie erhalten sollten, die es vermeiden, öffentlich subventionierte Einrichtungen zu benutzen, dann müsste es auch Geld für jeden geben, der mit dem Rad zur Arbeit fährt statt mit der U-Bahn; der eine Ausbildung in einem Unternehmen absolviert statt einen Studienplatz zu beanspruchen; der Schwimmbäder, Theater oder Bibliotheken meidet – die Liste der absurden Beispiele ließe sich fortsetzen.

Erfahrungen in anderen Ländern hätten gezeigt, dass Zuschüsse wie das Betreuungsgeld Fehlanreize setze. 92 Prozent der Bürger, die in Schweden Betreuungsgeld beantragten, seien Einwanderer. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass Migrantenfamilien durch die dort „Varnadsbidrag“ genannte Prämie animiert würden, ihre Kinder nicht in die Kita zu schicken. Deren Integration werde somit behindert. In Finnland und Norwegen sei die Erwerbstätigkeit junger Mütter seit Einführung des Betreuungsgeldes rückläufig. Skandinavische Familien würden vom Betreuungsgeld zudem nur dann Gebrauch machen, wenn sie keinen Kita-Platz bekämen.

Das Betreuungsgeld, so die Sorge der Kritiker, verleite finanziell schlecht gestellt Eltern, ihre Kinder zuhause zu betreuen, wo sie nicht in ausreichendem Maße pädagogische Anreize erfahren würden. Im Einwanderermilieu seien Frauen mit Kleinkindern nur selten erwerbstätig. Für die Integration sei das nicht förderlich. Das Betreuungsgeld werde diese Verhältnisse zementieren. Es entstünden zudem reine Mitnahmeeffekte, so eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung über „fiskalische Auswirkungen sowie arbeitsmarkt- und verteilungspolitische Effekte“ des Betreuungsgeldes. Diese neue Sozialleistung sei „integrationspolitisch ein schwerer Fehler“, warnt der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen. Gerade Kinder aus sozial schwachen Familien seien besonders auf die Förderung in Kitas angewiesen. Das Betreuungsgeld sei aber gerade für solche Familien attraktiv. Der Deutsche Caritasverband urteilt: „Das Betreuungsgeld benachteiligt Familien, die auf Plätze in einer Kita angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.“

Altes Rollenmodell verfestigt sich

Aus fiskalpolitischer Sicht wird kritisiert, dass es nicht sinnvoll sei, neue Subventionstatbestände zu erfinden, bevor die Effektivität ähnlicher Zuschüsse erwiesen ist. Seit Jahren verspricht die Regierung, den Nutzen familienpolitischer Leistungen untersuchen zu lassen. Es geht da unterm Strich um eine dreistellige Milliardensumme. Bisher gibt es keine solche Bilanz. Stattdessen wächst der immense Förderbetrag um eine weitere Milliarde. Das Geld wäre vernünftiger angelegt, wenn damit der Kita-Ausbau bezuschusst würde. Mit den 1,2 Milliarden Euro, die das Betreuungsgeld jährlich kosten soll, ließen sich 60.000 neue Kita-Plätze schaffen.

Die Gegner des Betreuungsgeldes machen auch verfassungsrechtliche Einwände geltend. Im Sommer hat die SPD-Bundestagsfraktion ein Gutachten vorgelegt, das diese Bedenken untermauert. Darin heißt es, die neue Elternprämie schaffe einen Anreiz, öffentlich geförderte Betreuungsplätze nicht in Anspruch zu nehmen. Damit verstoße der Staat gegen das Neutralitätsgebot. Er dürfe Familien bei der Entscheidung, wie sie ihre Kinder betreuen lassen will, nicht beeinflussen. Das Betreuungsgeld verstoße zudem gegen das Gleichheitsprinzip und das Gebot zur Gleichstellung von Frauen und Männern. Es würde vornehmlich Mütter veranlassen, zuhause zu bleiben, um Kinder zu betreuen. Somit verfestige sich ein veraltetes Rollenmodell.