Mohammad Almasri hat im syrischen Bürgerkrieg seine vier Brüder und seine rechte Hand verloren. In Deutschland hat er sich ein Stück Heimat geschaffen – als Gemüseproduzent. Im Internet gibt er seinen Landsleuten Tipps.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Mohammad Almasri deckt den gesamten Kreislauf ab: In einem seiner Videos zeigt er, wie Samen ausgesät werden, in einem anderen erntet er Zucchini und kocht damit „das schnellste und einfachste Mittagessen“. Allein auf Youtube haben mehr als 21 000 Zuschauer seinen arabischsprachigen Kanal abonniert, auf den Plattformen Tiktok und Facebook folgen ihm weitere Nutzer. In ausgedienten Gewächshäusern im Stuttgarter Stadtteil Weilimdorf hat sich der Flüchtling aus Syrien eine neue Existenz aufgebaut. „Dank meiner Videos haben Landsleute in ganz Europa Tausende Gärten angelegt“, sagt der 39-Jährige. Aber am Ziel angekommen ist er trotzdem noch nicht.

 

In Syrien ein wunderbares Leben – alles zerstört

Einen sehr beschwerlichen Weg hat Mohammad Almasri hinter sich. Aus Homs stammt er, bei einer Ölfördergesellschaft arbeitete er, bis der Bürgerkrieg begann. Nebenher baute er auf dem landwirtschaftlichen Anwesen seiner Eltern Gemüse an. „Das Leben war wunderbar“, sagt er. Aber eine Bombe zerstörte alles: Seine vier Brüder starben bei dem Angriff, seine rechte Hand wurde zerfetzt. Mit seinen Eltern, seiner Frau und den Kindern floh er in den Libanon, wo er zwei Jahre in einem Zeltlager lebte. Von einem Schleuser ließ er sich im Jahr 2016 auf einer lebensgefährlichen Strecke übers Meer nach Griechenland und schließlich Deutschland bringen. Kaum angekommen wurde bei ihm Krebs diagnostiziert, und er verbrachte Monate allein im Krankenhaus und daheim.

Als seine Frau und die beiden heute 14 und 13 Jahre alten Kinder nachkommen durften, sei er automatisch gesund geworden, erzählt Mohammad Almasri. Mittlerweile zählt die Familie fünf Köpfe. Keine Zeit mehr wollte er verlieren, nahm einen Minijob bei einer Gärtnerei an und drehte sein erstes Video. Mit seinem Unterricht für andere Flüchtlinge verdiene er allerdings wenig Geld. Einen Online-Shop für Samen startete er deshalb, und sein Gemüse verkauft er direkt an den Gewächshäusern.

Rund 2000 Tomatenpflänzchen stehen für eine reiche Ernte bereit, Auberginen wachsen in einem Kasten, Zucchini, Gurken, Malve und Thymian. Von Firmen und Fans aus arabischen Ländern wird er regelmäßig um Rat beim Gemüseanbau gefragt, sein Smartphone klingelt und vibriert ohne Unterlass.

Seit Generationen betreibt die Familie Landwirtschaft

Die Landwirtschaft liegt Mohammad Almasri im Blut, bereits seine Großeltern und Eltern übten den Beruf aus. Die Tätigkeit in Deutschland aufzunehmen war für ihn eine Art Neugeburt. „Ich musste es machen, damit ich weiterleben kann“, sagt er. In den Aufnahmen vom vergangenen Sommer wirkt sein Gewächshaus wie ein grünes Paradies. Mehr deutsche Kundschaft würde er gern anziehen, mit der Sprache tut er sich aber immer noch schwer. Den Kindern vom Kindergarten seines Nachwuchses würde er gerne zeigen, wie gärtnern geht. Er hat viele Ideen. „Vielleicht lieben die Deutschen mein Gemüse mehr als die Araber“, erklärt er.

Seine verstümmelte Hand ist ein Handicap, sie wurde nach der Verletzung nur verbunden, nie operiert, schmerzt dauerhaft, im Winter noch mehr als im Sommer. „Ich will keinen Behindertenausweis und auch nicht dem Staat auf der Tasche liegen“, sagt Mohammad Almasri.

Um rentabel zu werden, müsste sein Betrieb allerdings wachsen – und dafür wären neben Investitionen auch Mitarbeiter nötig. Allein die Erde für sein Gemüse zu kaufen, könne er sich kaum leisten, sagt der 39-Jährige. Bislang erfolglos ist er auf der Suche nach einem anderen Grundstück.

Seine Eltern sind im Libanon geblieben, nicht viele Kilometer vom Homs entfernt. Sie könnten über die Grenze praktisch ihr altes Haus sehen – zurückkehren könnten sie allerdings nicht.