Breuninger will sich von einer Sachbearbeiterin trennen. Gründe für die Kündigung nennt das Stuttgarter Kaufhaus nicht.

Stuttgart - Wurde Gül S. gekündigt, weil sie auf einer gewerkschaftlichen Liste für den Betriebsrat kandidiert hat? "Der Verdacht bleibt, wenn Breuninger die Kündigung nicht zurücknimmt", sagt Bernd Riexinger, der Bezirksgeschäftsführer von Verdi. Am 18. März wurde der Sachbearbeiterin zum 30. September gekündigt - "und ich weiß bis heute nicht, warum", sagt die 37-Jährige. Das Haus Breuninger trägt ebenfalls nicht zur Aufklärung bei: "Wir äußern uns zu laufenden Verfahren nicht", sagt ein Sprecher.

Seit 1993 ist Gül S. bei dem Stuttgarter Unternehmen beschäftigt, zuvor hat sie dort die Ausbildung gemacht. "Seit ich 17 bin, arbeite ich da", sagt die Mutter von zwei kleinen Kindern. Und sie hatte auch nicht vor, daran so schnell etwas zu ändern. Auch nicht, als sie sich am 21. Februar dieses Jahres auf Platz eins der Verdi-Liste für den Betriebsrat setzen ließ. Keinen Monat später kam die Kündigung, gegen die Gül S., mittlerweile Betriebsrätin, jetzt vor dem Arbeitsgericht Stuttgart klagt.

"Wir haben ein halbes Jahr lang versucht, eine Einigung zu finden, wie man Frau S. nach der Elternzeit wieder einsetzt", sagt der Anwalt, der das Haus Breuninger vertritt. "Im Januar wurde dann die verbindliche Einigung getroffen, dass die Klägerin ab dem 25. Januar als Sachbearbeiterin in der Telefonzentrale eingesetzt wird." Eine Aufgabe unter ihrer Qualifikation, mit der Gül S. sich nicht zufriedengeben wollte. Vor ihrer Elternzeit hatte sie im Kundenservice gearbeitet. Verdi-Mann Riexinger vermutet hinter der Versetzung der Mitarbeiterin eine "Zermürbungsstrategie".

Welchen Ton selbst der Betriebsrat in Bezug auf Gewerkschaften anschlägt, geht aus einem Schreiben hervor, das er im April 2010 unter den Angestellten verbreitet haben soll und das der StZ vorliegt: "Gewerkschaftliche Funktionäre sind angetreten, über eine Liste Einfluss auf unser Unternehmen auszuüben. Unser erfolgreiches Handeln im Interesse aller Mitarbeiter soll hierdurch von außen gestört werden", ist dort zu lesen. Im Breuninger-Betriebsrat sind auch Personen vertreten, die hohe Positionen im Unternehmen besetzen - etwa der Konzernsprecher, der dem Gremium seit mehr als 30 Jahren vorsitzt.

Ein Ergebnis ist vor Oktober nicht zu erwarten


Den Job in der Telefonzentrale machte Gül S. vier Wochen lang. "Dann konnte ich nicht mehr", sagt sie. Mitte Februar ließ sie sich für zwei Wochen krankschreiben, attestiert vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen. In dieser Zeit schickte Breuninger ihr per Post eine Einladung zum Gespräch, dessen Termin sie versäumte. "Aber ich habe mich telefonisch gemeldet", sagt Gül S. Breuninger aber sah offenbar keine Basis mehr für eine weitere Zusammenarbeit. "Vor einer Kündigung hätte man doch andere arbeitsmarktrechtliche Sanktionen in Betracht ziehen können", sagte die Richterin gestern.

Als Einigung zur Güte schlug die Vorsitzende eine Abfindung in Höhe von 15000 Euro vor, die Gül S. aber nicht akzeptierte. Es wird also weiterverhandelt, mit einem Ergebnis rechnen Beteiligte kaum vor Oktober. "Wenn die nicht geblendet sind, wissen sie, dass sie den Prozess nicht gewinnen können", sagt Riexinger. Zumal Gül S. im März noch Wahlbewerberin für den Betriebsrat war und aus Verdi-Sicht schon damals nur außerordentlich hätte gekündigt werden dürfen. Für den Anwalt des Hauses Breuninger dagegen war die Liste mit den Wahlbewerbern nur eine "Pro-Forma-Liste", die keinen Schutz darstellte.

Infrage stehen jetzt auch die Betriebsratswahlen, die angefochten werden sollen. "Zum einen wurden Briefwahlunterlagen vorzeitig geöffnet", sagt Riexinger. Zum anderen habe man die Mitarbeiter unter anderem durch das oben auszugsweise zitierte Schreiben "massiv beeinflusst und eingeschüchtert". Etwas, das Gül S., wie sie sagt, täglich zu spüren bekomme: "Die Kollegen haben Angst, sich mit mir sehen zu lassen oder mit mir essen zu gehen. Das Arbeiten ist nicht gerade angenehm", sagt sie. Eines steht für sie trotzdem steht fest: "Ich will meinen Job behalten."