Die Bundesregierung bereitet Reform der Betriebsrenten vor und will Unternehmen entgegenkommen.

Berlin - Die von der Bundesregierung geplante Reform der Betriebsrenten nimmt Gestalt an. Das Finanzministerium und das Arbeitsministerium haben sich nach Informationen dieser Zeitung darauf verständigt, dass Unternehmen künftig nicht mehr die Betriebsrenten garantieren müssen. Damit greift die Politik einen Wunsch der Wirtschaft auf. Vor allem kleine und mittlere Betriebe sehen das geltende Recht als Hindernis. Sie bieten in vielen Fällen keine Betriebsrenten an, weil sie das Haftungsrisiko scheuen. In Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten haben nur 30 Prozent der Mitarbeiter eine betriebliche Altersversorgung. Rund 40 Prozent der Geringverdiener mit einem Bruttolohn von weniger als 1500 Euro haben weder eine Anwartschaft auf eine Betriebsrente noch einen Riester-Vertrag.

 

Der Betrieb haftet über Jahrzehnte hinweg

Nach der jetzigen Rechtslage haftet der Betrieb über Jahrzehnte hinweg dafür, dass die Betriebsrente später gezahlt wird. In der Regel sind die Unternehmen zwar abgesichert. Das Risiko liegt zunächst bei den Pensionskassen oder Versicherungen, für die es wiederum eigene Sicherungseinrichtungen gibt. Falls alle Stricke reißen, haftet der Arbeitgeber. Die Wirtschaftsverbände argumentieren, dies schrecke die Betriebe ab. „Es geht um eine neue Form der betrieblichen Altersvorsorge, die negative Wirkungen von Garantien vermeidet“, heißt es in Verhandlungskreisen.

Zurzeit arbeiten die Ressorts an einem Gesetzentwurf. Im Herbst will Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ihr Gesamtkonzept zur Rente vorstellen. Ein Baustein soll die Stärkung der Betriebsrente sein. In den Gespräche sind das Finanz- und Arbeitsministerium weit vorangekommen. Beide Ressorts verständigten sich auf die Grundsätze und arbeiten nun an der Umsetzung. Am vergangenen Freitag fand dazu eine Runde mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sowie den Spitzen aus Wirtschaft und Gewerkschaften statt. Das Finanzministerium unterstützt den Plan, die Unternehmen von Garantiezusagen zu befreien. Bedingung für Schäuble ist, dass keine Staatshaftung eingeführt wird. Der Wegfall der Garantien dürfe nicht den Bundeshaushalt belasten. Arbeitsministerin Nahles (SPD) steht ebenfalls hinter der Idee. Sie legte im Frühjahr ein Gutachten zum Sozialpartnermodell Betriebsrente vor. Darin sprechen sich die Sachverständigen für ein sogenanntes Zielrentensystem aus. Der Arbeitgeber soll nur verpflichtet sein, Beiträge für die betriebliche Altersvorsorge abzuführen. Darüber hinaus hat er keine Verpflichtungen mehr. „Eine reine Beitragszusage bietet dem Arbeitgeber eine bisher nicht existierende, absolute Kostensicherheit in der betrieblichen Altersversorgung“, schreiben die Autoren in der Studie. Die Kosten für das Unternehmen seien mit der Festlegung des Beitrags fixiert. Darin sehen die Wissenschaftler große Vorteile für die Wirtschaft. „Das Kostenrisiko aus der betrieblichen Altersversorgung ist vollständig eliminiert“, folgern die Gutachter. Sie verweisen darauf, dass Länder wie die Schweiz mit diesem System gute Erfahrungen gesammelt hätten. In anderen Ländern gebe es die Einstandspflicht des Unternehmens nicht.

Negative Folgen der extremen Niedrigzinsen

Die Abschaffung der Garantien könnte in der extremen Niedrigzinsphase den Unternehmen helfen. Viele Unternehmen, die beispielsweise ihren Mitarbeiter zugesagt haben, eine Betriebsrente in bestimmter Höhe oder in Abhängigkeit vom letzten Gehalt auszuzahlen, haben große Probleme mit den Pensionsrückstellungen. Wegen der gesunkenen Kapitalmarktzinsen müssen sie in der Bilanz mehr Vorsorge treffen. Das belastet die Ertragslage der Unternehmen.

Die Gewerkschaften sahen anfangs die Forderungen nach dem Wegfall der Garantien kritisch. Mittlerweile sind deren Bedenken kleiner geworden. Nahles will zur Bedingung für die Streichung der Garantiezusage machen, dass sich die Sozialpartner auf gemeinsame Lösungen zur betrieblichen Altersvorsorge verständigen. Auf die Garantie soll nur dann verzichtet werden, wenn das Modell der betrieblichen Altersvorsorge auf Grundlage eines Tarifvertrages besteht. Die Mitarbeiter sollen geschützt werden, indem sich die Sozialpartner per Tarifvertrag auf eine bestimmte Form der Betriebsrente verpflichten. Dies kann beispielsweise eine Branchenlösung sein, wie es sie bei der Metallrente und dem Chemie-Pensionsfonds gibt. Überlegt wird auch, die Anbieter von Betriebsrenten einer stärkeren Kontrolle der Finanzaufsicht zu unterwerfen.