Die Abfuhr des Untersuchungsausschusses um den Inspekteur der baden-württembergischen Polizei liegt fast anderthalb Jahre zurück. Mehrheitlich lehnte es das Gremium Anfang 2023 ab, A. R. den Status eines „Betroffenen“ mit diversen Rechten zuzuerkennen. Dies käme nur dann in Betracht, wenn es im Abschlussbericht auch um eine persönliche Verfehlung von ihm gehen sollte, erläuterte die Vorsitzende Daniela Evers (Grüne). Durchleuchtet würden indes nicht die gegen R. erhobenen Vorwürfe, so die etwas spitzfindig klingende Begründung, sondern der Umgang der Akteure aus Politik und Behörden damit.
Inzwischen wurde der ehedem ranghöchste Polizeibeamte rechtskräftig vom Vorwurf der sexuellen Nötigung einer Hauptkommissarin freigesprochen. Im Innenministerium läuft aktuell noch ein Disziplinarverfahren gegen ihn, zwei eigens dafür abgestellte Richter vernehmen reihenweise Zeugen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt erneut gegen R., nun wegen des Verdachts der Bestechlichkeit im Zusammenhang mit einem Telefonat mit der Beamtin. Der U-Ausschuss arbeitet derweil weiter seine umfangreiche Liste von Zeugen ab, doch die öffentliche Aufmerksamkeit dafür hat zuletzt spürbar nachgelassen.
„Ruf und Ansehen unumkehrbar beschädigt“
Nun unternimmt R. über seinen Anwalt einen neuen Vorstoß, um doch noch „Betroffener“ zu werden. Beim Landtag und den Fraktionen ging vorige Woche ein Schreiben ein, in dem der Antrag erneuert und bekräftigt wird. Angesichts des bisherigen Verlaufs des Ausschusses, heißt es darin, bestehe kein Zweifel mehr, dass ihm dieser Status zustehe – samt der Beiordnung eines Rechtsanwaltes auf Landeskosten. Nur so könne der seit zweieinhalb Jahren vom Dienst freigestellte Inspekteur seine Rechte wahren. Schließlich habe das Gremium mit dazu beigetragen, dass es zu einer „unumkehrbaren Beschädigung von Ruf und Ansehen“ des Top-Polizisten gekommen sei.
Würde der Ausschuss dem Ansinnen diesmal stattgeben, wäre R. erst der zweite „Betroffene“ in der Geschichte des Parlaments. Er hätte dann das Recht zur eigenen Stellungnahme, zur Teilnahme an den Sitzungen und zur Einsicht in die Beweismittel. Der erste Inhaber dieses Status’ war einst Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU), als der Landtag den heimlichen Rückkauf der EnBW-Aktien aufarbeitete. Er nutzte die Rolle ausgiebig, um seine Sicht der Dinge darzustellen.
„Diffamierende Vorwürfe“ rund um das SEK
Nach dem Schreiben seines Anwalts drängt es R. vor allem, einiges zu den jüngst aufgekommenen Vorwürfen im Zusammenhang mit dem in Göppingen stationierten Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei klarzustellen. „Schwer diffamierend“ sei es, was dazu im Mai ein Zeuge ausgesagt habe: Für die rechtsextremen Umtriebe, die R. zu einem Austausch der SEK-Spitze bewogen haben sollen, hätten sich keinerlei Belege gefunden, so der von Innenstaatssekretär Wilfried Klenk (CDU) entsandte Polizeidirektor. Mit dem neuen Führungsduo sei das Kommando sogar noch tiefer in die Krise geraten, weshalb Klenk später erneut eingriff. Damit werde R. letztlich Willkür bescheinigt und seine Reputation weiter beschädigt, klagt dessen Anwalt.
Zugleich benennt er eine Reihe von Zeugen, die Auskunft über Personalprobleme beim SEK, „toxische Gruppendynamiken“ und rechte Symbole geben könnten - vorneweg die Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz, aber auch frühere Führungskräfte der Polizei. Wenn dem Ausschuss wirklich an Aufklärung gelegen sei, solle er diese hören. Bisher habe er vor allem Belastungszeugen aus dem Umfeld eines früheren LKA-Präsidenten eine Bühne geboten, dem „Chefkritiker“ von A. R.. Am 17. Juni tritt das Gremium wieder zusammen, dann könnte es sich auch mit dem neuen Antrag befassen.