Eine Gutachterin spricht von „Morbus Münchhausen“, das sich bei dem Angeklagten offenbart. Dieser hat nicht zum ersten Mal vorgegeben, mehr zu sein als er in Wirklichkeit ist.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Leutenbach - Eine psychische Erkrankung hat die psychiatrische Gutachterin bei dem 36-jährigen Angeklagten nicht feststellen können, auch eine Wahnhaftigkeit sei seinem Treiben nicht zu unterstellen. Voll schuldfähig sei der Mann aus Brandenburg, der im Sommer 2015 einen Familienbetrieb aus Leutenbach als vermeintlicher professioneller Schuldnerberater „betreut“ hatte. Dabei hatte er nicht nur drei Monatsmieten aus einer Wohnung seiner Mandanten auf eines seiner Konten umgeleitet, sondern Freunden der Familie drei fiktive Autos verkauft. Die rund 50 000 Euro aus diesen Geschäften zahlte er jedoch wieder auf Konten der Familie ein, er selbst hatte von dem Schwindel am Ende so gut wie nichts.

 

Mehrfach wegen Betrugs vorbestraft

Fünf Jahre Haft wegen drei Fällen des Betrugs hatte der Staatsanwalt gefordert, die von der 8. Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts auch ausgesprochen wurden. Seine Verteidigerin, die Berliner Rechtsanwältin Regina Starke, forderte, ihren Mandanten lediglich zu dreieinhalb Jahren zu verurteilen und das auch nur, sollte tatsächlich von einer Schuldfähigkeit ausgegangen werden. Sie hatte einen Antrag auf ein weiteres psychiatrisches Gutachten gestellt, da der 36-Jährige nicht zum ersten Mal auf solche Weise straffällig geworden war. In allen Fällen sei es ihm dabei nicht um Geld gegangen, sondern um den Auftritt, sagte die Verteidigerin.

So hatte der vermeintliche Sanierer, der unter anderem sechsstellige Beträge aus europäischen Sozialfonds in Aussicht gestellt hatte, die Firmeninhaber für fünf Tage nach Berlin eingeladen, weil die Zusammenarbeit so gut funktioniere. 19 800 Euro kostete die „Sause“, wie die Verteidigerin es nannte. In drei Suiten des Hotels Adlon nächtigten die Leutenbacher für eine Woche, bis sie endlich misstrauisch wurden. Weder die Kreditkarten für die in Aussicht gestellten EU-Gelder noch Autos, die sie über den 36-Jährigen in Berlin kaufen wollten, waren vorhanden. Kurz darauf machte sich der Berater davon.

Dieser wurde nun für drei Fälle des Betrugs – die Monatsmieten sowie die fiktiven Autoverkäufe – sowie Urkundenfälschung und Diebstahl verurteilt. Der 36-Jährige hat bereits mehrere Verurteilungen wegen Betrugs hinter sich. Allerdings läuft er nicht mehr Gefahr, eines Tages zu einer Sicherungsverwahrung verurteilt zu werden, wie der Staatsanwalt in seinem Plädoyer ausführte. Dies war früher möglich, im Jahr 2012 forderte das Bundesverfassungsgericht jedoch eine Reform dieser Vorschrift, die schließlich vollzogen wurde.

„Morbus Münchhausen“

Die Gutachterin sieht bei dem Angeklagten eine artifizielle Störung, landläufig „Morbus Münchhausen“ genannt, die ihn zu seinen zum Teil haarsträubenden Handlungen bringt. Dabei erfinde er Krankheiten bis hin zum Hirntumor, um in Behandlung zu kommen. Seinen Lebenslauf schildert er als Abfolge persönlicher Katastrophen. Von einem Wahn könne in seinem Fall dennoch nicht gesprochen werden.