Einer der Männer, die EN Storage beste Bilanzen bescheinigt hatten, steht unter Betrugsverdacht. Auch andere Wirtschaftsprüfer müssen wohl haften.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Herrenberg - Der Gruß der Kollegen dürfte künftig knapper ausfallen. Man trifft sich nicht mehr nur auf der Straße, sondern auch vor Gericht. Die Kanzlei von Daniel Borst ist in Stuttgart Bad Cannstatt gerade einmal fünf Gehminuten entfernt von dem Haus, in dem die ehemalige Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaft von EN Storage sitzt. „Ich habe sozusagen meine Nachbarn verklagt“, sagt der Anwalt, „das ist schon ein zwiespältiges Gefühl“.

 

Es geht um Schadenersatz für Anleger der Betrugsfirma. Das einst in Herrenberg ansässige Unternehmen hatte angeblich Datenserver verkauft und weitervermietet. Die Wirtschaftsprüfer hatten der Firma stets blendende Geschäfte bescheinigt. Tatsächlich waren alle Bilanzen gefälscht. 93 Millionen Euro Anlegergeld wurden im Schneeballsystem verschoben. Der Ex-Geschäftsführer Edvin Novalic ist wegen Betrugs zu knapp acht Jahren Haft verurteilt worden. Der Prozess gegen seinen Kompagnon Lutz Beier ist noch nicht beendet.

Verdächtig ist nicht die Prüferkanzlein, sondern nur einer der Prüfer

Die Opfer bezweifeln seit Beginn der Ermittlungen, dass der Betrug ohne Mitwisserschaft der Wirtschaftsprüfer möglich war. Nun folgen die Staatsanwälte gleichsam der Stimme der Straße. „Wir haben ein Ermittlungsverfahren gegen einen der Prüfer begonnen“, sagt Heiner Römhild, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Der Verdacht lautet Beihilfe zum Betrug. Er richtet sich laut Römhild „nur gegen eine Person“. Verdächtig ist nicht die Kanzlei, in der jener Mann Teilhaber war, sondern er allein. Dass ihre Prüfung der Bilanzen „zu keinen Einwendungen geführt“ habe, hatten auch Kollegen des Verdächtigen mit ihrer Unterschrift bestätigt. Zuletzt war in der Bilanz der EN Storage ein Umsatz von 55 Millionen Euro vermerkt.

Der Mann, gegen den ermittelt wird, hatte überdies den Anlegern beglaubigt, dass ihr Geld ordnungsgemäß in Datenserver investiert worden war, samt Seriennummer und der Bestätigung, dass das Gerät an einen Endkunden vermietet sei. Novalic hatte vor Gericht ausgesagt, jener Wirtschaftsprüfer habe vom Betrug gewusst und ihn überredet, weitere falsche Zertifikate auszustellen, um einem Geschäftspartner Kapital zukommen zu lassen. Laut Römhild war diese Aussage nicht der Anlass der Ermittlungen. Sie hätten schon zuvor begonnen. Die Räume der Prüfkanzlei waren ohnehin durchsucht worden, allein schon, um Geschäftsunterlagen von EN Storage zu sichten.

Auch die Kanzlei wird den Skandal wohl nicht unbeschadet überstehen

Nach und nach haben alle Mitarbeiter die Kanzlei verlassen, die sich mit EN Storage beschäftigt hatten. Dennoch wird auch das Unternehmen selbst den Skandal wohl nicht unbeschadet überstehen. Zwar hat die 27. Kammer des Landgerichts noch kein Urteil gefällt, aber „in einer Verfügung hat sie die Haftung bejaht“, sagt Borst, der in Bad Cannstatt ansässige Anwalt. „Die Kammer hat klare Worte gefunden.“

In dem Schreiben erklären die Richter, die Anleger hätten erwarten dürfen, dass gewissenhaft geprüft werde, ob die Datenserver existieren. Tatsächlich hatten die Wirtschaftsprüfer allenfalls Rechnungen gesichtet. Auf dieses Verfahren hätte nach Meinung der Kammer mindestens hingewiesen werden müssen, denn „es besteht die Vermutung, dass ein Anleger sich bei Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht für die Anlage entschieden hätte“. Der ebenfalls in Stuttgart ansässige Rechtsanwalt Florian Hitzler wirbt mit einem nahezu wortgleichen Schreiben um Mandanten.

Sämtliche Geschäftsunterlagen waren gefälscht. Bei ernsthafter Prüfung „hätte das jedem auffallen müssen“, sagt Borst, „das war ganz offensichtlich nichts Habhaftes“. Fällt das Urteil aus wie erwartet, müssten die Versicherungen der Prüfer und der Kanzlei den Schaden ausgleichen. Im Fall seines Mandanten ist dies die letzte Hoffnung auf einen gesicherten Ruhestand. Der pensionierte Lehrer hatte EN Storage 550 000 Euro anvertraut, nicht nur sein gesamtes Vermögen, sondern auch das Geld von Angehörigen.

Letztlich hätten die Wirtschaftsprüfer „am großen Rad mitgedreht und das nicht aus Altruismus“ – aus Menschenfreundlichkeit, meint Borst. Im Fall des von der Staatsanwaltschaft verdächtigten Prüfers ist dies belegt. Er saß sogar auf Kosten von EN Storage in der VIP-Loge des VfB.