Die Frage drängt sich auf: Warum schaffen es Telefonbetrüger immer wieder, ältere Menschen um große Summen zu bringen? Experten der Polizei klären auf.

Rems-Murr: Eva Schäfer (esc)

Fellbach - Falsche Polizisten haben vor Kurzem in Waiblingen zugeschlagen. Bei einem Rentnerehepaar haben sie Bargeld in Höhe von 10 000 Euro erbeutet. Auch bei der Sendung „Aktenzeichen XY . . . ungelöst“ im ZDF-Fernsehen war kürzlich der Telefonbetrug das Thema. Wie steuert die Polizei dagegen? Und warum kommen die Täter immer wieder ans Ziel? Wir haben darüber mit den Kriminalhauptkommissaren Leo Keidel und Paul Mejzlik vom Haus der Prävention in Fellbach gesprochen.

 

Ein Rentnerehepaar aus Waiblingen übergab eine fünfstellige Summe

Herr Keidel, Herr Mejzlik, erst vor Kurzem hat ein Rentnerehepaar aus Waiblingen einem Betrüger, der sich am Telefon als Polizeibeamter ausgegeben hat, eine fünfstellige Summe übergeben. Warum klappt diese Betrugsmasche immer wieder?

Keidel: Das ist ein Beispiel für einen typischen Fall. Von den Betrügern wurde den Opfern suggeriert, dass ihr Geld zu Hause nicht mehr sicher sei. Die Betrüger sind psychologisch und rhetorisch sehr geschult und halten die Leute am Telefon, sodass sie sich mit anderen Angehörigen nicht austauschen können.

Die Opfer sind wie in einem Tunnel der eigenen Wahrnehmung

Der angebliche Polizeibeamte, der das Geld zu Hause abholte, trug nach der Beschreibung der Opfer löchrige, verwaschene Jeans. Wird man da nicht stutzig?

Keidel: Die Opfer befinden sich wie in einer Art Tunnel in ihrer Wahrnehmung. Es wird bewusst keine Zeit zum Nachdenken gelassen, sie werden überrumpelt und ständig unter Druck gesetzt.

Hat sich in Coronazeiten etwas an den Maschen der Telefonbetrüger geändert?

Mejzlik: Es sind immer wieder Kombinationen und Modifizierungen von den verschiedenen Maschen. Hauptstück der Erzählung ist meist, dass ein Verwandter in einer angeblichen Notlage steckt. Oder die Geschichte, dass das Geld weder zu Hause noch auf der Bank sicher sei. Die Betrüger gehen sehr penetrant und geschickt vor.

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Wie verschaffen sich die Täter das Vertrauen der Opfer?

Mejzlik: In der Tat hat sich einiges geändert. Die Masse an verfügbaren Daten ist größer. Zunächst werden Daten gesammelt, die noch nichts direkt mit der Tat zu tun haben. So kann es sein, dass jemand nachfragt, ob man an einem Preisausschreiben teilgenommen hat und dabei sich anscheinend beiläufig nach dem Namen des Sohnes erkundigt. So werden Orts- und Personenkenntnisse gesammelt, die später zielgerichtet eingesetzt werden. Es bleibt also lange nicht bei dem, dass das Telefonbuch auf alte Vornamen abgesucht wird.

Täter bauen stundenlang und tagelang Druck auf

Wie wird der Druck aufgebaut?

Mejzlik: Aus unseren Ermittlungen wissen wir, dass oft stundenlang oder auch tagelang Druck aufgebaut wird. Die Opfer dürfen nicht auflegen – selbst wenn sie auf die Toilette gehen. Die Täter wollen sichergehen, dass sich die Opfer keine Hilfe von außen holen. Es gibt Aussagen von Opfern, die sagten „Hauptsache es hört auf. Am Schluss war mir alles egal“. Das drückt die große Not der Betroffenen aus.

Wie steuern Sie dagegen?

Keidel: Wir haben ein Video gedreht, bei dem Paul Mejzlik sogar in die Rolle des Täters schlüpft. Es kann im Internet abgerufen werden. Auch das LKA hat ein Video produziert. Das lief beispielsweise im Wartebereich der Kreisimpfzentren. Wir versuchen, die Menschen und potenziellen Opfer auf allen Kanälen zu erreichen. Viel Resonanz spürten wir bei den Aktionen auf Wochenmärkten in der Region. Da kamen wir ins Gespräch und teils berichteten einige dabei von zahlreichen betrügerischen Anrufen.

Der Modus der Erfassung der polizeilichen Kriminalstatistik hat sich geändert. Seit dem Jahr 2019 wird jeder Anruf als Versuch und nicht mehr wie zuvor als straflose Vorbereitung gewertet. Wie sieht die Tendenz aus?

Keidel: Das ist wichtig, um die Dunkelziffer zu reduzieren. Die Zahlen für das zurückliegende Jahr liegen noch nicht vor. Aber das Thema bleibt virulent. Wir fordern dazu auf, uns die Versuche von Betrügern zu melden und mitzuteilen. So können wir regionale Anrufwellen erkennen und rechtzeitig davor warnen.

Mejzlik: Sehr erfolgreich war auch die Schulung von Bankmitarbeitern im Kreis. Wir haben rund 500 Bankmitarbeitende geschult und sie mit einem Ablaufplan versehen. Wenn Senioren plötzlich große Summen abheben möchten, dann hat der Mitarbeitende eine Checkliste an der Hand, wie er darauf reagieren sollte und auf welche Indizien er achten sollte.

Was planen Sie im neuen Jahr?

Keidel: Wir werden wieder auf Wochenmärkten präsent sein. Das Projekt mit Aufklärung auf Bäckertüten läuft weiter. Auch möchten wir unter anderem Gedächtnisschulungen als Baustein der Kriminalprävention anbieten wie es bereits in Niedersachsen gemacht wird. Es wird auch wieder Vorträge und Theateraufführungen zum Schutz vor Betrug geben.

Weitere Informationen zum Thema Telefonbetrug und Schockanrufe gibt es im Internet unter: www.polizei-beratung.de.

Tipps zur Prävention

Zur Person
Kriminalhauptkommissar Leo Keidel, Jahrgang 1964, ist seit mehr als 20 Jahren im Referat für Kriminal- und Verkehrsprävention verantwortlich für den Rems-Murr-Kreis. Kriminalhauptkommissar Paul Mejzlik, Jahrgang 1962, arbeitet ebenso im Haus der Prävention in Fellbach, mit Sitz in der Frizstraße 5.

Film 1
 Im Internet ist unter www.sicherheitsberater-fuer-senioren.de ein Präventionsfilm der Polizei Reutlingen zu sehen. Dabei spielt Kriminalhauptkommissar Paul Mejzlik vom Fellbacher Haus der Prävention einen Telefonbetrüger, der Geld von Senioren mit der Masche des falschen Polizeibeamten ergaunern will.

Film 2
 Außerdem gibt es einen Präventionsfilm des Landeskriminalamts, das unter youtube#durchschaut zu sehen ist. Darin wird über die Masche des falschen Polizeibeamten aufgeklärt und dargestellt, wie das Opfer manipuliert wird und was die Polizei potenziellen Betroffenen zur Vorsorge rät.