Mehr als 1,3 Millionen hat ein 61-Jähriger über Jahre hinweg erhalten, von Freunden und Verwandten. Eigentlich sollte er damit Kredite tilgen und Häuser umschulden. Doch der Finanzberater steckte das Geld wohl in die eigene Tasche. Nun steht er vor Gericht.

Bönnigheim - Er sollte helfen, bei finanziellen Engpässen etwa oder wenn die Zwangsversteigerung einer Immobilie kaum noch abwendbar schien. Doch stattdessen hat ein 61-jähriger selbstständiger Entschuldungsberater mutmaßlich über Jahre das Geld seiner Mandanten veruntreut und so einen Schaden von mehr als 1,3 Millionen Euro angerichtet. Seit Donnerstag muss er sich wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 82 Fällen vor dem Heilbronner Landgericht verantworten, ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft. Gleich zu Beginn des Prozesses gab er alle Vorwürfe zu.

 

Viele Mandaten kannte er aus dem Sportverein

Besonders dramatisch an dem Fall: Die meisten seiner Kunden kannte der Mann aus seiner Funktion als Vorstand in mehreren Sportvereinen oder aus seinem früheren Job als Filialleiter einer Bank persönlich, mit vielen war er befreundet. Auch Familienmitglieder hat er laut der Anklage um sehr viel Geld erleichtert. Einen Bruchteil der 1,3 Millionen, rund 170 000 Euro, hat der Mann inzwischen zurückgezahlt. Doch viele der insgesamt 44 Opfer werden ihr Geld wohl nie mehr wieder sehen. Einige von ihnen kommen aus Bönnigheim, andere, wie der Angeklagte, aus Brackenheim, manche wohnen in Lauffen am Neckar (beide Kreis Heilbronn).

„In einer eigenen Welt“

Wie es soweit kommen konnte, sei für ihn selbst unerklärlich, sagt der gelernte Bankkaufmann. „Man lebt ein Stück weit in einer eigenen Welt.“ In der Realität liefen die Deals meist nach einem ähnlichen Muster ab. Zunächst bekam der 61-Jährige von Kunden die Bitte, sich um die Schulden des Haushalts zu kümmern. Mal sollte ein Kredit umgeschuldet, mal mehrere Außenstände zusammengefasst, mal die Zwangsversteigerung eines Hauses verhindert werden. Dafür war oft weiteres Geld nötig. Das lieh sich der Angeklagte allerdings nicht im Namen der Kunden bei einer Bank, sondern bei Bekannten und Freunden, versehen mit dem Hinweis auf eine gut verzinste, baldige Rückzahlung. „Die haben mir vertraut, weil sie mich kannten.“

Zunächst habe das Geschäftsmodell funktioniert, sagt der Brackenheimer. Irgendwann brach es aber zusammen und der Angeklagte fing an, die Darlehen für seine eigenen Zwecke zu verwenden.

Die Heilbronner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass den 61-Jährigen rund 400 000 Euro an eigenen Schulden geplagt haben. Als selbstständiger Berater soll er kaum etwas verdient haben. Deshalb habe er sich an dem anvertrauten Geld vergriffen. Und ging immer wieder auf die Suche nach neuen Darlehen, obwohl er wusste, dass er pleite war. Seit dem Jahr 2014 entstand so der immense Schaden.

Seine Kinder wollen keinen Kontakt mehr zu ihm

Nach seiner Darstellung hat der 61-Jährige bereits 2013 bemerkt, dass das legale Geschäftsmodell nicht funktionierte. Um die entstehenden Finanzlücken zu stopfen, habe er trotzdem immer wieder frisches Geld beschafft. Mal kam er durch „Bitten und Betteln“ an zusätzliche Darlehen, mal durch das Versprechen utopischer Zinsen. Einem Ehepaar, das ihm 200 000 Euro gab, sicherte er eine Verzinsung von 26 Prozent zu – und die Rückzahlung innerhalb von sechs Monaten. Bis heute ist kein Cent davon zurückgeflossen.

Wohin das Geld verschwunden ist, konnte der Angeklagte am ersten Prozesstag nicht schlüssig erklären. Er habe damit Rechnungen bezahlt, und den Tennisverein, in dem er Vorstand war, unterstützt. Eine Spielsucht, wie sie der Vorsitzende Richter Roland Kleinschroth in den Raum stellte, habe er nicht.

Aufgeflogen war das Konstrukt im April dieses Jahres. Damals tauchte der 61-Jährige unter, war für seine Gläubiger nicht mehr greifbar, weshalb die Polizei eingeschaltet wurde. Sie nahm ihn schließlich in Mannheim fest. Seither sitzt er in Untersuchungshaft. Seine Kinder wollen derzeit keinen Kontakt zu ihm, seine Frau hat die Scheidung eingereicht.