Vordergründig geht es um rund 150.000 Euro. Die hatte Radprofi Stefan Schumacher erhalten, obwohl er bei der Tour de France gedopt war. Beim Betrugsprozess vor dem Landgericht Stuttgart lautet die Frage aber auch: Wusste Teamchef Hans-Michael Holczer wirklich nichts?

Stuttgart - Radprofi Stefan Schumacher hat sich zum Auftakt des Betrugsprozesses gegen ihn geweigert, Namen von Doping-Ärzten seiner ehemaligen Mannschaft Gerolsteiner zu nennen. Auch auf mehrfache Nachfrage des Gerichts wollte der geständige Doper am Mittwoch beim ersten Verhandlungstag nicht sagen, welche Mediziner ihn mit Tipps und Dopingmitteln versorgt hätten. „Die Leute waren Teil des Systems, so wie ich Teil des Systems war“, sagte der 31 Jahre alte Nürtinger am Rande des Prozesses vor dem Landgericht Stuttgart. „Die Leute wollten mir helfen, so komisch das klingt.“

 

Das Angebot, mit den Anti-Doping-Agenturen WADA und NADA zusammenzuarbeiten, erneuerte Schumacher. Er wolle aber nicht im Prozess jemanden öffentlich denunzieren. Sein Anwalt Michael Lehner geht trotzdem davon aus, dass Namen im Verlauf der Verhandlung bekanntwerden: „Es gibt ja noch Zeugen. Ich denke bis zur Urteilsverkündung werden wir Namen wissen.“

Dem zweifachen Etappensieger der Tour de France wird von der Staatsanwaltschaft Betrug an seinem ehemaligen Teamchef Hans-Michael Holczer vorgeworfen. Er habe drei Monatsgehälter in Höhe von über 150 000 Euro unrechtmäßig erhalten, weil er Doping bei der Frankreich-Rundfahrt 2008 geleugnet habe. Im Nachhinein war Schumacher dann aber wie bei den Olympischen Spielen in Peking positiv getestet worden. Bis August 2010 hatte ihn der Internationale Sportgerichtshof deswegen gesperrt, inzwischen fährt er für das dänische Team Christina Watches.

Wie in den Interviews im Vorfeld der Verhandlung betonte Schumacher vor Richter Martin Friedrich erneut, Holczer müsse von den Doping-Praktiken seiner Fahrer gewusst haben. Auch die ehemaligen Gerolsteiner-Profis Bernhard Kohl, Davide Rebellin und Levi Leipheimer sind überführte Doper. „Es wurde nie ausgesprochen, aber es war eine Form der Kommunikation, wo klar war, was gespielt wurde“, schilderte der Schwabe die Situation im Team Gerolsteiner.

In einem Gespräch nach seinem Sieg beim Amstel Gold Race 2007 habe sich Holczer nach Verbindungen zum spanischen Doping-Arzt Eufemiano Fuentes erkundigt. Als Schumacher verneinte, sei die Reaktion von Holczer gewesen: „Ich bin der Meinung, dass du für einen Weltklassefahrer relativ sauber fährst“.

Die Verteidigungsstrategie seiner Anwälte Michael Lehner und Dieter Rössner war dadurch schon am ersten von acht geplanten Verhandlungstagen klar zu erkennen. Da Holczer von den Praktiken seiner Fahrer gewusst habe, könne er auch nicht von Schumacher betrogen worden sein. Rössner unterstellte Holczer gar ein rein finanzielles Interesse an dem Prozess. „Es geht nicht um den Sport. Es geht allein um das Vermögen des Herrn Holczer.“ Der 59 Jahre alte Lehrer soll am zweiten Verhandlungstag am 18. April als Zeuge aussagen.