In Stuttgart-Degerloch gibt es Ärger mit zwei Gebäuden, in denen zahlreiche Südosteuropäer wohnen. Die Beschwerden über Müll und Lärm reißen nicht ab. Die Verursacher sind indes schwer zu greifen. Der Bezirksvorsteher spricht von einer „anonymen Masse“.

Degerloch - In dem Teich schwimmt wohl schon lang kein Fisch mehr. Stattdessen treibt Müll im trüben Wasser. Im Vorgarten findet sich neben verwitterter Weihnachtsdeko allerhand Unrat. Ein Fenster ist eingeschlagen, andere sind weit geöffnet, ebenso die Haustür, durch die ein rennendes Mädchen mit langen dunklen Haaren und einem hellen Kleid zu sehen ist. Hinter dem Haus mit der prägnanten Fassadenmalerei: ein gewaltiger Müllberg. Übermannshoch türmen sich Matratzen, Bretter und anderes Gerümpel. Unmittelbar davor trocknet bunte Wäsche auf einem Ständer.

 

Nicht nur wegen der Unordnung ist das Haus an der Reutlinger Straße in Degerloch vielen ein Ärgernis. In dieses und ins Gebäude gegenüber haben sich Südosteuropäer eingemietet und sorgen mit ihrem Verhalten für Unmut. „Es gibt massivste Beschwerden von mehreren Dutzend Menschen“, sagt der Bezirksvorsteher Marco-Oliver Luz. Es gehe um Ungeziefer und Gestank, um Lärm bis tief in die Nacht, um aggressive Betteleien oder um Konflikte mit der Stuttgarter Straßenbahnen AG, weil die Hausbewohner im ÖPNV selten Masken aufhätten. Eine SSB-Sprecherin bestätigt, dass es Beschwerden gab, und von der Polizei wiederum ist zu erfahren, dass sie schon mehrfach zu den Häusern ausrücken musste.

„Zustände sind seit diesem Jahr eskaliert“

„Gegen die Menschen hat gar keiner was, wir sind vielfältig und weltoffen“, betont der Bezirksvorsteher Marco-Oliver Luz, aber jeder müsse sich an die Regeln des Zusammenlebens halten. Stattdessen gebe es an der Straßenecke schon geraume Zeit Probleme, doch „die Zustände sind seit einem Jahr eskaliert“.

Zwei Frauen, die es wissen müssen, berichten von einer Anwohnerinitiative und gesammelten Unterschriften. Eine von ihnen sagt, sie gehe aus Angst abends Umwege, „ich habe mehr als Respekt“. In Papiertonnen landeten Lebensmittel und Windeln, Kakerlaken hätten sich eingenistet. Morgens zögen die Nachbarn im Tross zur Bushaltestelle. Die Frau berichtet von etlichen Kinderwagen, von Hunden, „das sind mehr als 50 Leute“. Marco-Oliver Luz weiß von Senioren, die sich fürchten, eben diese Busse zu nehmen. Schon im März berichtete unsere Zeitung über Bettler, die Pendler an der Stadtbahnhaltestelle Degerloch bedrängen. Ob es dieselbe Gruppe ist, ist unklar.

Die Stadt Stuttgart will sich zumindest dem Müll widmen

Die betagte Hausbesitzerin, die öffentlich als Zimmervermieterin auftritt, ist sich am Telefon keiner Schuld bewusst. Müll werde regelmäßig weggeräumt, Beschwerden gebe es keine, und belästigt habe sie auch noch keiner. „Alles nur Lüge“, sagt sie, Probleme gebe es schließlich überall. Sie selbst sagt von ihren Mietern, dass das „alles Bettler“ seien. Dass sie sie beherbergt, findet sie nicht problematisch. „Wollen Sie die verdammen?“, fragt sie, bevor sie auflegt.

Die Stuttgarter Stadtverwaltung will sich nun zumindest dem Müll widmen. „Das Amt für öffentliche Ordnung und die Abfallwirtschaft Stuttgart stimmen sich derzeit ab, wie eine Lösung aussehen könnte“, teilt der Stadt-Sprecher Martin Thronberens mit. Verschiedene Maßnahmen würden geprüft.

Eine Möglichkeit ist die Ersatzvornahme: Die Stadt entfernt den Abfall und stellt das in Rechnung. Laut dem Bezirksvorsteher kam das schon einmal vor, der Berg sei aber rasch wieder angewachsen. „Es muss gehandelt werden, die Nachbarn können nicht allein gelassen werden“, stellt er klar. Sein Ziel sei eine gute Lösung für alle Beteiligten.

Allerdings besteht eine Meldepflicht

Denn auch den Mietern müsse man gerecht werden. Eine Konfrontation scheint indes schwer. Die rumänischen und bulgarischen Staatsbürger sind laut Marco-Oliver Luz „zu 95 Prozent gar nicht polizeirechtlich bei uns gemeldet“. Durch die hohe Fluktuation sei unklar, wer dort wohne. Er spricht von einer anonymen Masse.

Grundsätzlich haben Unionsbürger das Recht, sich in der EU frei zu bewegen und in Deutschland aufzuhalten, sofern der Lebensunterhalt gesichert ist und eine Krankenversicherung vorliegt. Allerdings besteht eine Meldepflicht. Das Bundesinnenministerium dazu: „Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger können ihr Aufenthaltsrecht aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit verlieren.“