In der Ausstellung „Jüdisches Leben im ländlichen Württemberg“ ist der Holocaust nur eine von vielen Stationen. Und doch liegt das Schrecken wie ein Schatten über dem Thema.

Esslingen - Geht das überhaupt?“ Diese Frage hat die Entstehung der Ausstellung „Jüdisches Leben im ländlichen Württemberg“ im Freilichtmuseum Beuren in jeder Phase begleitet. Jetzt sind die acht Stationen, die zur Spurensuche im Museumsdorf einladen, aufgebaut und die Frage beantwortet: Es geht!

 

„Es gibt eine Hemmschwelle im Umgang mit den Thema. Die mussten auch wir erst überwinden“, sagt Annika Schröpfer, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums für die optische Umsetzung des Konzepts verantwortlich zeichnet. Holocaust, ja klar. Das ist der erste Gedanke. Die Ausstellung spart die dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte nicht aus. Doch es geht in der Gesamtschau immer auch um beide Aspekte des Zusammenlebens auf dem Dorf: um die Ausgrenzung und um die gelebte Integration.

Ausgrenzung und Integration

Den Beurener Museumsmachern ist es gelungen, das Gegensatzpaar entlang der Hausgeschichten aufzubereiten. So erinnert eine Informationstafel am Wohn-Stallhaus aus Beuren beispielhaft an das Leben von Josef Herrmann, eines im Jahr 1866 geborenen Nürtinger Viehhändlers. Vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten hoch geachtet, unter anderem als Mitglied des Nürtinger Liederkranzes und als Aufsichtsrat der örtlichen Handwerkerbank, ist er im Jahr 1942 deportiert und im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet worden.

Wieder die Frage: Geht es, entlang eines solchen Schicksals vom Vieh- und Pferdehandel als einem Berufszweig zu erzählen, in dem es die Landjuden als ehrbare Kaufleute zu hohem Ansehen bei der bäuerlichen Kundschaft gebracht haben? „Es geht“, sagt Annika Schröpfer und dreht an den Tierfiguren, die zeigen, welche Tiere die jüdischen Kaufleute gehandelt haben. „Der spielerische Zugang reizt Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Sie drehen an dem Rad, setzen sich hin, fragen, erzählen und lassen sich erzählen“, sagt sie.

Von der Laubhütte zum Hühnerstall

Im übertragenden Sinne berührend ist die Geschichte der originalen jüdischen Laubhütte aus Rottenburg-Baisingen (Kreis Tübingen), die in der Gärtringer Scheuer aufgebaut ist. In den 1920er Jahren entstanden, diente sie der jüdischen Gemeinde dort lange Jahre als Mittelpunkt des Laubhüttenfestes, eines fröhlichen Erntedankfestes. Als die Baisinger Juden in den Tod geschickt wurden, ist die mit floralen Motiven verzierte Hütte zum Hühnerstall degradiert worden. Eine ausgesägte Auslassöffnung in der Wand zeugt heute noch von der respektlosen Umnutzung.

Geht es, die Geschichte des Judentums auf dem Land zu erzählen, ohne das sich der Schatten der nationalsozialistischen Gräueltaten über das Thema legt? Es geht nicht. So vielgestaltig und lebendig das jüdische Leben in der Vergangenheit auch gewesen sein mag, es verengt sich in der Rückschau immer auf den Schienenstrang, der direkt in die Vernichtungslager führte. Aber es gibt auch eine Zukunft. In diese weist die vom Kreis Esslingen seit dem Jahr 1974 gepflegte Partnerschaft mit der israelischen Stadt Givatayim. Zuletzt haben sich junge Tischtennis-Spieler aus Israel und dem Landkreis Esslingen im sportlichen Vergleich getroffen. Eine Intensivierung dieses Jugendaustausches steht ganz oben auf der Liste beider Partner.

Es geht!