Bewegtbildkonferenz FMX Holodeck-Vorstufe in Stuttgart
Wie erschafft man ikonische Monster? Oder außerirdische Schöpfer? Internationale Cracks haben darauf Antworten gegeben bei der Stuttgarter Konferenz FMX.
Wie erschafft man ikonische Monster? Oder außerirdische Schöpfer? Internationale Cracks haben darauf Antworten gegeben bei der Stuttgarter Konferenz FMX.
Im Haus der Wirtschaft sitzt ein junger Mann im Monteuranzug auf einem Weltraumschrottplatz – physisch anwesend sind aber nur er und ein paar Felsattrappen, die Kulisse liefert eine LED-Wand. Schwenkt man die Kamera oder fährt sie nach unten, ändert sich der Blick auf den Hintergrund. Der ist austauschbar: Plötzlich sitzt der Mann mitten in Paris – das ist die Vorstufe zum Holodeck.
Virtual Production Stage (VPS) nennt sich der Aufbau, dessen Illusionswirkung man im Rahmen der Stuttgarter Bewegtbildkonferenz FMX erleben kann. „Das hat es so noch nicht gegeben, deshalb ist es den enormen Aufwand wert“, sagt der FMX Project Manager Mario Müller. Die VPS ist klein, und doch haben sechs Partnerfirmen, drei davon deutsche, vier Tage daran gearbeitet. Seit Disney die Serie „The Mandalorian“ so gedreht hat, kommt niemand mehr daran vorbei. Mit einer VPS kann man in Echtzeit drehen. Effekte laufen auf der LED-Wand gleich mit, die Postproduktion wird minimiert.
Nathan Larouche hat für die auch in Stuttgart ansässige Firma Pixomondo riesige Zukunftsbühnen für neue „Star Trek“-Produktionen mitgebaut: „Das lohnt sich nur, wenn man viele Szenen darin dreht“, sagt er, „ für einzelne Shots ist Green Screen immer noch günstiger.“ Der Londoner Independent-Filmemacher Hasraf „HaZ“ Dulull dagegen arbeitet schlank und schwört auf virtuelle Produktion. In seiner Keynote zur FMX zeigt er Szenen aus dem Genre-Animationsfilm „Rift“. Der wirkt im Vergleich zu Pixar-Produktionen trashig, kostet aber nur einen Bruchteil und war schnell fertig. „Ich arbeite gerne kollaborativ mit Leuten direkt an Szenen, auch über Zoom,“ sagt HaZ. Er gehört zu einer neuen Generation, die Film konsequent von den Möglichkeiten her denkt.
Nachwuchs gibt es reichlich. Im erweiterten, voll ausgebuchten „Recruiting Hub“ der FMX brummt es, junge Menschen drängen sich an den Ständen. „Der Bedarf an Mitarbeitern ist so groß wie nie, weil das Streaming boomt und die Anbieter viel Content brauchen“, sagt Mario Müller. „Und nirgends sonst in Europa kann man sich in einem Raum bei so vielen der weltweit wichtigsten Firmen für Visual Effects und Animation bewerben.“
Eine ist Mackevision aus Stuttgart. Sie hat jüngst für die Science-Fiction-Familienserie „Lost in Space“ (Netflix) die außerirdischen Schöpfer der vierarmigen Roboter entworfen, die eine zentrale Rolle spielen. „Wie sehen unsere Roboter aus?“, fragt Jan Burda von Mackevision: „Wir erschaffen sie nach unserem Abbild. Es ist also naheliegend, dass das auch diese Aliens tun würden – wir haben uns also an ihren Robotern orientiert.“
Die US-Designerin Madeleine Scott Spencer von Cinesite ist überzeugt: „Wir brauchen Anknüpfungspunkte an die physiologische Realität, sonst fühlen sich Figuren nicht wahrhaftig an. Wenn ich einen Alien-Schädel entwerfe, kann die Referenz nur der menschliche Schädel sein.“
Von Spencer stammen Höllenkreaturen aus der zweiten Staffel der Fantasy-Serie „The Witcher“ (Netflix): Basilisken und der drachenartige Chernobog. Gegen die schwingt der Hauptdarsteller Henry Cavill das Schwert, und es ist angesichts der Dynamik verblüffend, wie fotorealistisch die digitalen Monster wirken. „Das Ziel muss immer eine ikonische Figur sein“, sagt Spencer, und zeigt Schattenbilder: Batman und den Zauberer Gandalf mit Spitzhut und Stab.
Wie geht das bei Basilisken mit Schlangenkörper, unheimlichen Flügeln und Raptoren-Beinen? Sie hat sich als Referenzen Hühnerbeine angeschaut und eine eingelegte Kobra. Bergkristalle dienten ihr als Inspiration für die Außenhaut des Chernobog, „scharfkantig wie ein Haufen glänzender, schwarzer Messer“. Fledermaus-Extremitäten standen Pate für die Flügel, für die Körperhaltung ein Gorilla. Spencers Lieblingskörperteil? „Das Schultergelenk“, sagt sie und greift ihre Achselhöhle mit Daumen und Zeigefinger: „Es ist erstaunlich wie filigran die Befestigung unserer Arme am Körper ist.“ Sie arbeitet gerne analog, stutzt Federn mit der Schere, kreiert mit flüssigem Latex Drachenhaut: „Das geht nicht mit Zeichnungen oder gar am Computer“, sagt sie.
Parallel zur technischen Revolution gibt es eine Rückbesinnung. Phillippe Llerena von der Firma Fortiche war daran beteiligt, aus der Spielewelt von „League of Legends“ die prächtige Animationsserie „Arcane“ (Netflix) zu zaubern. Das Steampunk-Design, Jules Verne trifft Hi-Tech-Straßengang, hat es der auftraggebenden Spielefirma Riot angetan – und ihm selbst: „Vor diesem Projekt hätte ich vielleicht technisch beantwortet, wie das ging, jetzt sage ich: Man muss den Künstlern genügend Zeit geben, wundervolle Bilder zu erschaffen.“