In Bad Cannstatt entstehen in drei Systembauten im Neckarpark 243 neue Plätze für Flüchtlinge. Weitere 69 kommen an der Ziegelbrennerstraße unter.

Bad Cannstatt - Die Lage ist ernst. Das gilt einerseits für die politische Situation im ehemaligen Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Pakistan, Mazedonien und Indien, wo die meisten Flüchtlinge herkommen, die in Stuttgart untergebracht werden. Es gilt aber auch für Deutschland. Um mehr als 70 Prozent gestiegen ist die Zahl der Asylanträge gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreswert, die Tendenz gehe weiter nach oben. Das sagte Stefan Spatz, der stellvertretende Leiter des Sozialamts, dem Bezirksbeirat Bad Cannstatt am Mittwoch: „Es ist nicht nur eine gesetzliche, sondern auch eine humanitäre Aufgabe, diese Menschen aufzunehmen.“

 

243 Plätze für Flüchtlinge im Neckarpark

Um diese Aufgabe erfüllen zu können müsse nun „rasend schnell“ gehandelt werden, ergänzte sein Kollege Gerhard Bock. „Wir stehen so unter Druck, dass wir nehmen müssen, was möglich ist.“ 361 Plätze könnten in Anmietobjekten geschaffen werden, von denen drei in der Innenstadt liegen und eines an der Ziegelbrennerstraße in Steinhaldenfeld. Doch das reiche nicht aus. Mindestens 810 weitere Plätze sollen in sechs Unterkünften in Systembauweise entstehen, 243 davon in drei solcher Bauten im Neckarpark in Bad Cannstatt auf einem Gelände zwischen der Hanns-Martin-Schleyerhalle und der Benzstraße, die im Zug der Neuordnung des Neckarparks verlegt werden soll.

„Es werden architektonisch sparsame, aber ansprechende Gebäude“, sagt Helmuth Caesar von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft (SWSG), welche die zweigeschossigen Gebäude mit umlaufenden Balkonen aus Holz und Putz errichten soll. Die systemweise Errichtung soll einen ambitionierten Zeitplan möglich machen: „Die Baugesuche sollen noch in diesem Jahr eingereicht werden, damit die Genehmigungen bis Februar erteilt werden können“, sagte Axel Wolf im Bezirksbeirat. Nach einer Vorbereitungs- und Bauzeit von rund fünf Monaten sollen die ersten Unterkünfte im August des kommenden Jahres bezogen werden können.

Knappe Mehrheit für die Systembauten

Der Cannstatter Bezirksbeirat zeigte sich grundsätzlich offen, Flüchtlinge im Stadtbezirk aufzunehmen, sowohl aus rechtlichen als auch humanitären Gründen. So sprachen sich alle Fraktionen für eine Wiederbelebung der Flüchtlingsunterkunft an der Ziegelbrennerstraße aus, wo es 69 Plätze gibt. Alle Parteien meldeten aber auch Bedenken am Standort im Neckarpark an. Roland Schmid (CDU) wollte wissen, ob die Pläne die städtebauliche Weiterentwicklung im Neckarpark tangierten und wies darauf hin, dass in Stuttgart generell freie Flächen Mangelware seien. Überdies sei der Platz zu abgelegen und verfüge weder über Einkaufsmöglichkeiten noch eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Auch Ulrich Schollmeier (Grüne) kritisierte die Abgeschiedenheit des gewählten Standorts, die nicht seinen Vorstellungen einer Willkommenskultur entspreche. Er plädierte für kleine Einheiten und schlug unter anderem das Gebäude an der Daimlerstraße 100 sowie das Liebfrauenheim als mögliche Standorte für Flüchtlingsplätze vor. Stefan Conzelmann (SPD) meldete Bedenken wegen der Nähe zum Stadion an, kämen doch immer wieder auch radikale Fan-Gruppierungen zu den Heimspielen des VfB Stuttgart. Gerhard Veyhl (Freie Wähler) plädierte für eine ausgewogenere Verteilung der Flüchtlinge. In Bad Cannstatt und den Neckarvororten gebe es überproportional viele Plätze, während es in einigen Stadtbezirken gar keine Flüchtlingsunterkunft gebe.

Nachdem sich die Fraktionen noch einmal einzeln beraten hatten stimmte der Bezirksbeirat Bad Cannstatt der Beschlussvorlage der Stadtverwaltung am Mittwoch mit einer knappen Mehrheit von elf Ja-Stimmen von SPD, Grünen und SÖS/Linke zu. Eine Entscheidung, die vor allem der SPD nicht leichtfiel: „Eigentlich würden wir uns wünschen, dass Alternativstandorte geprüft werden“, sagte Conzelmann. Weil die Zeit dafür nicht ausreiche stimme man der Vorlage trotz Bedenken am Standort im Neckarpark zu.