Spieler des TSV Waldenbuch sollen von Fans ihres jüngsten Gegners massiv beleidigt worden sein. Bei Bezirk und Verband sieht man allerdings keine Ermittlungsgrundlage.

Neuweiler/Waldenbuch - Es war ein dramatisches Spiel, das die Bezirksliga-Fußballer des TSV Waldenbuch am vergangenen Sonntag bei der SGM Neuweiler/Oberkollwangen erlebten. Trotz 2:0-Führung verloren sie mit 2:3 – der entscheidende Gegentreffer fiel kurz vor dem Abpfiff. Und doch knabberte die Mannschaft von Carmine Napolitano hinterher weniger an der Niederlage als an den Vorkommnissen rund um den Platz. Der Vorwurf: Anhänger des Gastgebers sollen Waldenbucher Akteure rassistisch beleidigt haben.

 

Der Waldenbucher Mark Schildt soll sich schämen

„Kameltreiber“, „Terrorist“, „Bombenleger“ – diese und weitere Beschimpfungen sollen gegenüber Oguz Demir und weiteren Gästespielern gefallen sein. So berichtet es der Waldenbucher Torjäger Mark Schildt, der sich nach seinem Platzverweis in der Nachspielzeit Wortgefechte mit gegnerischen Fans lieferte. „Fünf oder sechs Leute sind besonders extrem aufgefallen. Was die von sich gegeben haben, geht über das, was du sonst an Beleidigungen und Provokationen erlebst, weit hinaus“, sagt Schildt. Er habe sich anhören müssen, er solle sich schämen, als Deutscher einen Türken zu verteidigen.

Der 25-Jährige thematisierte die Vorkommnisse am Montag auf Facebook – und trat eine Lawine los. Vertreter anderer Vereine aus dem Bezirk Böblingen/Calw berichteten von eigenen Negativerfahrungen mit Fans der SGM Neuweiler/Oberkollwangen; Neuweilers Vorsitzender Wolfgang Wiedemann äußerte in einem Kommentar sein Bedauern, sah aber Verfehlungen auf beiden Seiten; Waldenbuchs Fußballer legten auf ihrer eigenen Facebook-Seite mit einem Statement für Integration, Freundschaft und Zusammenhalt sowie gegen Fremdenhass nach.

Der Bezirkschef Richard Armbruster ärgert sich

Die Telefone der Funktionäre beider Vereine verstummen seitdem nicht mehr. Der Waldenbucher Spielleiter Steffen Leiser berichtet gar von einem Anruf aus dem Rathaus der Gemeinde. Sein Gegenpart Wiedemann will sich öffentlich vorerst nicht weiter zu dem Thema äußern. Nächste Woche soll ein offizielles schriftliches Statement folgen. Neuweiler/Oberkollwangens Spielführer Florian Zifle hatte schon kurz nach dem Abpfiff in der Gästekabine versucht, die Wogen zu glätten und sich entschuldigt.

Der Rassismusvorwurf aber ist hängengeblieben, zumal andere Vereinsvertreter ihn untermauern – während sich Richard Armbruster, der Vorsitzende des Fußballbezirks Böblingen/Calw, zurückhaltend äußert. „Neuweiler/Oberkollwangen tritt nicht mehr und nicht weniger negativ in Erscheinung als andere“, sagt Armbruster, der gleichwohl keinen Hehl daraus macht, dass ihm die Sache stinkt. „Wenn ich sehe, was da auf unseren Plätzen immer wieder passiert, verstehe ich die Welt nicht mehr.“ Allerdings hat der Schiedsrichter Kevin Schmidt die Vorkommnisse nicht in einem Sonderbericht dokumentiert. Von dieser Seite fehlt also eine Handlungsgrundlage. Armbruster will sich deshalb im Dialog mit allen Beteiligten ein eigenes Bild machen.

Der WFV sieht die Vereine in der Pflicht

Beim Württembergischen Fußball-Verband sieht man die Vereine in der Pflicht. „Sie haben weitreichende Möglichkeiten: die Probleme ansprechen, sensibilisieren, Uneinsichtige vom Sportplatz verweisen oder im Extremfall ein Vereinsausschluss“, sagt der Sprecher Heiner Baumeister. Das sei aber ein schwieriger Prozess, vor dem manche zurückschrecken würden, weil sie sich nicht mit den eigenen Fans anlegen möchten. Der Verband selbst habe „keinen Erziehungsanspruch“, wie Baumeister sagt. „Aus schlechten Menschen machen wir keine guten. Aber wir müssen einerseits klare Grenzen ziehen und gleichzeitig faires Verhalten belohnen.“

Mit Beginn der dunklen Jahreszeit nimmt die Gewalt zu

Eine Häufung rassistischer oder diskriminierender Entgleisungen liegt zumindest laut offiziellen Zahlen nicht vor. Fünfmal musste das Sportgericht seit Saisonstart in solchen Fällen tätig werden. Hinzu kommen 30 schwerere verbale Beleidigungen. Zur Einordnung: im bisherigen Rundenverlauf gab es im württembergischen Verbandsgebiet etwa 50 000 Spiele. Nun im Herbst könnte es erfahrungsgemäß wieder vermehrt zu unschönen Szenen kommen. Die Witterung schlägt offenbar aufs Gemüt der Kicker. „Wir können statistisch belegen, dass immer, wenn die dunklere Jahreszeit beginnt, die Gewalt auch in Form von Beleidigungen auf den Plätzen zunimmt“, sagt Baumeister.

Beim TSV Waldenbuch will man indes nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. „Wir dürfen das nicht so hinnehmen“, sagt der Spielleiter Steffen Leiser. Sein Vorschlag: eine gemeinsame Aktion für Respekt und Toleranz auf Bezirksebene. Die Diskussion zu dem Thema scheint noch nicht beendet.