Reinhard Möhrle wurde nach 15 Jahren als Bezirksvorsteher im Stuttgarter Westen offiziell aus dem Amt verabschiedet. Er will sich aber auch weiterhin als Bürger dort engagieren.

S-West - Gepflegter Jazz klingt durch den Otto-Herbert-Hajek-Saal im Bürgerzentrum West. Am Eingang stehen die Besucher Schlange, um jenem Mann persönlich die Hand zu schütteln, der am Mittwochabend im Mittelpunkt steht: Reinhard Möhrle.

 

Bereits bei der Bürgerversammlung im Februar dieses Jahres hatte der langjährige Bezirksvorsteher angekündigt, nach der Kommunalwahl nicht mehr für das Amt zur Verfügung zu stehen. Inzwischen hat er, wie berichtet, den Stab an Bernhard Mellert übergeben. Nun wurde Möhrle nach 15 Jahren offiziell verabschiedet.

Unermüdlich hat sich Reinhard Möhrle dafür eingesetzt, den größten Innenstadtbezirk noch ein wenig lebenswerter zu machen. Der Andrang zeugt von seiner Beliebtheit. Unter den Gästen sind neben Mitgliedern des Bezirksbeirats und Amtskollegen wie Raiko Grieb und Veronika Kienzle auch Gemeinderätin Sibel Yüksel (FDP), Bürgermeister Peter Pätzold, Andreas Winter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Rathaus und Altbürgermeister Werner Wölfle.

1991 hat Reinhard Möhrle sein Auto abgeschafft

Schon die Spendenbox neben der Tür sagt viel über den 1952 im Stuttgarter Westen geborenen Sozialpädagogen. Anstelle von Geschenken bittet er um eine Spende für den ABI West, den auf Betreiben einer Bürgerinitiative entstandenen Abenteuerspielplatz im Westen, dessen Angebote dem scheidenden Lokalpolitiker am Herzen liegen.

Gaben werden dem engagierten Grünen freilich dennoch überreicht. Was sich in dem goldenen Päckchen befindet, das Landtagspräsidentin Muhterem Aras mitgebracht hat, bleibt für die Öffentlichkeit unklar. OB Fritz Kuhn hingegen überreicht einen Rucksack, der den passionierten Fußgänger Möhrle künftig begleiten soll. Im Jahr 1991 hat Reinhard Möhrle sein Auto abgeschafft. Das Flanieren im Stadtbezirk war für ihn auch Gelegenheit, mit den Bürgern Kontakt zu halten.

„Wir haben hochgerechnet, dass Reinhard Möhrle während seiner Amtszeit rund 13.500 Kilometer zu Fuß zurückgelegt hat“, lässt Kuhn anerkennend verlauten. Das schaffe mancher im gleichen Zeitraum nicht einmal mit dem Auto.

Der Oberbürgermeister, der auch die unter anderem bei den Naturfreunden West aktive Ehefrau Ulrike in seine Ehrung einbezieht, charakterisiert den grünen Parteifreund als Mann zwischen großer Geduld und Nachdruck, wo es um die Durchsetzung von Zielen geht. „Mir wurde zugetragen, es gebe zwei typische Möhrle-Sätze“, verrät Kuhn. „,Das bekommen wir schon hin‘ und ,Das kann doch nicht so schwer sein‘.“ Optimismus gepaart mit der Gabe, zu Insistieren und zu Drängen, habe Möhrle als Bezirksvorsteher ausgezeichnet.

Bewegung macht den Kopf frei

Die Sozialdemokratin Astrid Rotzler-Lung hebt stellvertretend für den Bezirksbeirat eine weitere Stärke Möhrles hervor, der stets Bewegung sucht, wenn er den Kopf frei bekommen muss: „Ich bin seit 35 Jahren Mitglied dieses Gremiums“, blickt sie zurück. „Erst mit Reinhard Möhrle wurde die Arbeit dort effektiv, weil er es verstanden hat, eine harmonische Stimmung zu etablieren. Er hat es geschafft, aus den Vertretern der unterschiedlichen Parteien trotz aller Differenzen Freunde zu machen.“

Entsprechend erfolgreich gestaltet sich die Bilanz der 15-jährigen Amtszeit zwischen der Eröffnung des Bürgerservicezentrums, der Neugestaltung des Südufers am Feuersee und der Einweihung des neuen Olga-Areals. Pfarrer Siegfried Finkbeiner erinnert sich ebenso dankbar an die gute Zusammenarbeit wie Rüdiger Arendt vom Verein Olgäle 2012 oder Elke Arenskrieger vom Eltern-Kind-Zentrum EKiZ, die herausstreicht, Möhrle habe viel dazu beigetragen, den Stadtteil kinderfreundlicher zu machen.

Die Dankbarkeit, die ihm entgegengebracht werde, mache den Abschied nicht leichter, aber schöner, betont Möhrle, der sich nicht damit begnügt, die Erfolge der vergangenen 15 Jahre Revue passieren zu lassen. Stattdessen legte er den Anwesenden ans Herz, daran mitzuwirken, dass Projekte künftig schneller umgesetzt werden könnten. Es sei wenig sinnvoll, Kinder über die Gestaltung eines Spielplatzes entscheiden zu lassen, wenn sie schon Jahre im Gymnasium seien, bis er fertiggestellt werde, gab der zweifache Vater zu verstehen.

Möhrle selbst will sich weiterhin für den Westen einsetzen. „Ich verabschiede mich nur als Bezirksvorsteher – es ist kein Abschied als engagierter Bürger.“