Im Behindertenzentrum (BHZ) Stuttgart-Fasanenhof arbeiten 160 Menschen mit Handicap. Der Bezirksbeirat Stuttgart-Möhringen hat sich nun in der Werkstatt umgesehen und viel über die Werte, aber auch Nöte erfahren.

Fasanenhof - So schnell, wie Udo Bessel die Metallteile an seiner Maschine vernietet, kann man gar nicht schauen. Eins, zwei wandern neue Fensterbeschläge in die Kiste. Dass Udo Bessel blind ist, fällt erst auf, als Athos kurz den Kopf hebt und schnüffelt, sich dann aber wieder auf dem kühlen Werkstattboden langmacht. Ein Blindenhund. Der Labrador bringt sein Herrchen morgens zur Arbeit und abends wieder heim. Den Tag über schafft Udo Bessel ganz normal in der Werkstatt des BHZ wie alle anderen.

 

Alle anderen, das sind auch Menschen mit Behinderungen, körperlich oder geistig. Alle sind sie voll erwerbsunfähig – und haben hier doch einen Fulltime-Job gefunden. 160 Frauen und Männer schaffen im BHZ-Stammhaus auf dem Fasanenhof. Insgesamt sind es 420 in vier Werkstätten in Stuttgart, außerdem gibt es Wohneinrichtungen, erklärt Albert Ebinger, der Geschäftsführer. 14 BHZ-Standorte gibt es im ganzen Stadtgebiet. Die Arbeitsfelder sind sehr unterschiedlich und reichen von der Hauswirtschaft – Essensausgabe, Kioskverkauf oder externe Cateringaufträge – über die Montage und den Versand bis hin zum kreativen Schaffen. Der Bezirksbeirat Möhringen hat sich das am Mittwoch bei einer Führung angeschaut.

Das BHZ muss wettbewerbsfähig sein

Während in einem Bereich des Erdgeschosses kunterbunte Kerzen oder Uhren zu laut aufgedrehter Musik von Guns’n’Roses entstehen, wird ein Stockwerk höher in der Abteilung Mechanik zwischen großen Dreh-, Fräs- und Bohrmaschinen gewerkelt. Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder an einem auf ihn möglichst zugeschnittenen Arbeitsplatz. Albert Ebinger erzählt, dass eine Mitarbeiterin, die am PC tätig ist, eine Maus bekommen hat, die sie mit dem Kinn bedienen kann, Udo Bessel wiederum soll in Kürze eine sprechende Waage erhalten, damit er seine Kollegen nicht mehr fragen muss. Diejenigen, die etwas mehr Unterstützung brauchen, bringen sich in kleineren Gruppen mit einem angepassten Betreuungsschlüssel ein.

Was der Chef betont: „Wir sind keine Spielstadt. Bei uns wird geschafft.“ Das heißt: Das BHZ muss wettbewerbsfähig sein wie jedes andere Unternehmen. „Die Qualität muss stimmen, der Preis muss stimmen“, erklärt Carola Meyer, die Technische Leiterin. Dass Aufträge nach Osteuropa abwandern, damit muss mitunter auch ein BHZ klarkommen. Die Kunden sind namhaft: Daimler, Bosch oder Roto. Der Kundenstamm sei groß, da gebe es auch mal einen Folgeauftrag, dennoch gehöre auch Klinkenputzen dazu, wie Carola Meyer unumwunden erklärt.

Das Gehalt muss aufgestockt werden

Dennoch kann das BHZ nicht Renditemaßstäbe ansetzen wie ein klassisches Unternehmen. Die schwarze Null sei das Ziel, „aber das ist nicht ganz einfach“, bekennt der Geschäftsführer. Bei der Betriebswirtschaftlichkeit macht man Abstriche. „Effizient wäre es, wenn wir nur Montage mit 400 Leuten hätten. Das wollen wir aber nicht“, sagt Albert Ebinger. Denn als diakonische Einrichtung stehen andere Aspekte im Zentrum: die Integration, die Teilhabe, die christliche Verantwortung. „Wir sind überzeugt, dass Gott alle Menschen erschaffen hat und alle liebt. Der Respekt vor der Einmaligkeit jeder Person ist Ausdruck unseres diakonischen Handelns“, sagt Albert Ebinger.

Die Mitarbeiterbezahlung ist wegen des eingeschränkten Leistungsvermögens wesentlich niedriger als in anderen Firmen. Aufgestockt wird das Gehalt über die Grundsicherung der Sozialhilfe. Etwas anderes ist unbezahlbar. „Die Menschen kommen mit Freude zur Arbeit“, sagt Carola Meyer. Albert Ebinger, Wirtschaftsingenieur und Sonderpädagoge, pflichtet ihr bei. „Die Menschen erleben sich als würdevoll und wertvoll. Sie werden gebraucht, und damit gehen sie aufrecht.“