Nach den Winterspielen 2018 plagten Verletzungen den Biathlet aus Uhingen, zwei Comeback-Versuche endeten nicht so, wie es sich Simon Schempp vorgestellt hatte. Nun kämpft er erneut um seine Rückkehr.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart - Es war ein guter Sommer. Auch ein guter Frühherbst. „Ich fühle mich gut wie schon lange nicht“, sagt Simon Schempp, „zum ersten Mal bin ich so fit und unbeschwert wie vor Olympia.“ Die Spiele von Pyeongchang liegen allerdings mehr als zwei Jahre zurück, im Februar 2018 fand die Schlussfeier statt, kurz zuvor hatte der Biathlet Gold im Massenstart um wenige Zentimeter gegen Martin Fourcade verpasst; es war sein größter sportlicher Erfolg neben WM-Gold in Hochfilzen 2017 im Massenstart. Doch als Schempp im 30. Lebensjahr stand, begann der Körper nicht mehr mitzuspielen im sportlichen Dreiklang zwischen Training, Wettbewerb und Erholung.

 

Vor allem Rückenschmerzen quälten den Uhinger seit dem Frühjahr 2018, sie setzten ihn körperlich häufig matt und ihm zudem psychisch schwer zu, weil keiner erklären konnte woher sie kamen, was die Ursache war und wie man sie beseitigen könnte. Er versuchte im Winter 2018/2019 ein Comeback – es war aussichtslos. Die WM 2019 in Östersund war unerreichbar, er brach die Saison vorzeitig ab. Ein Déjà-vu folgte im Winter darauf – der dreimalige Staffel-Weltmeister versuchte zurückzukehren, doch die Leistungen reichten nicht, um sich in Szene zu setzen. Die WM 2020 in Antholz fand ohne ihn statt, im zweitklassigen IBU-Cup kämpfte er um die Bestätigung, dass er noch nicht zum rostigen Eisen zählt – er kehrte zwar in den Weltcup zurück, doch fürs angeknackste Selbstvertrauen waren die Wettkämpfe nicht gerade ein Segen: Platz 21 im Sprint in Nove Mesto, in Kontiolahti die Ränge 45 (Sprint) und 43 (Verfolgung).

Der Routinier hat keine Schmerzen mehr

„Ich bin nicht mehr so selbstbewusst wie früher“, räumt Simon Schempp unumwunden ein, „Selbstbewusstsein basiert auf guten Resultaten, und die muss ich mir erst erarbeiten. Aber ich bin überzeugt, dass das Potenzial in mir vorhanden ist.“ Eine erste kleine Bestätigung hat der Mann von der Skizunft Uhingen Anfang September bei den deutschen Meisterschaften erhalten. In Altenberg gewann er auf Skirollern die Verfolgung vor Roman Rees, im Sprint kam er als Vierter ins Ziel, im Einzel belegte Schempp Rang sechs. „Ich war zufrieden und würde die Leistung einordnen zwischen solide und gut“, sagt der Schwabe, der seit 2008 in Ruhpolding lebt, „aber ich weiß, dass ich mich verbessern muss. Beim stehend Schießen habe ich Plätze verschenkt.“ Mark Kirchner macht ihm Mut. „Er hat bei der DM gute Leistungen gezeigt“, sagt der Bundestrainer, „nun hat er ein Jahr kontinuierlich trainiert, er hat gut aufgebaut und es ist mehr Stabilität vorhanden als zuvor.“

Noch stehen Lehrgänge an bis Kirchner die Weltcup-Mannschaft beruft, die am 28. November in Kontiolahti in Finnland in die Saison startet. Der Routinier gehört nicht mehr zu den Gesetzten, er muss seine Eignung erst belegen. Aber er geht mental frei an die Aufgabe, weil er endlich ohne Schmerzen trainieren kann. Die überstandenen Rückenschmerzen führt er auf Überlastung des Körpers zurück, die verlängerten Pausen haben ihm Zeit gegeben, viele kleine Behandlungen zu vollziehen, „es waren keine Riesenschritte, sondern viele kleine und stetige“, erzählt er, „ich quäle mich wieder gern, ich bin motiviert.“ Es hört sich so an, als hätten Körper und Geist von Simon Schempp wieder ihr Gleichgewicht gefunden und haben damit die bohrenden Zweifel (zumindest vorerst) besiegt.

Schempp fürchtet sich nicht vor Corona

Doch er weiß, dass seine Gesundheit ein sensibles Pflänzchen ist. Top trainierte Biathleten sind wie hoch gezüchtete Araber-Rennpferde – steht eine Tür zu lange offen und es entsteht ein Zug, erwischen sie sofort eine Erkältung und können keine Rennen laufen. Mit diesem Herbst sind nicht nur die Erkältungsrisiken gestiegen, sondern es kehrte Corona mit voller Ansteckungskraft zurück. Doch diese Gefahr schreckt den Uhinger nicht mehr als herkömmliche Krankheitserreger. Nicht nur in der Übergangszeit war Simon Schempp extrem vorsichtig. „Es gehört für mich zum Alltag, aufzupassen“, sagt er, „seit Mai achte ich auf sämtliche Maßnahmen, das hat mein Training glücklicherweise kaum beeinflusst.“ Der 31-Jährige konnte alle Lehrgänge mitmachen, hat erlebt, dass bei Wettkämpfen wie der DM die Anti-Corona-Konzepte funktionieren.

Der zwölfmalige Weltcup-Sieger befindet sich in guter Verfassung, so dass er dem nächsten Comeback-Versuch optimistisch entgegenblickt. Simon Schempp weiß sehr wohl, was für ihn in diesem Winter auf dem Spiel steht: Er ist 31, die Konkurrenz schläft nicht, und auch im deutschen Team drängen die Jüngeren nach – der dritte Anlauf könnte sein letzter sein.