Miriam Gössner soll die jungen deutschen Biathletinnen als Frontfrau in die Saison führen – doch sie hat noch viel zu sehr mit sich selbst zu tun. Im Mai 2013 stürzte sie im Training und zog sich einen vierfachen Wirbelbruch zu. Noch heute arbeitet sie an ihrer Form.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Miriam Gössner positioniert sich bei der DSV-Einkleidung in Künzelsau gekonnt neben einem Oldtimer. Sie beugt sich über das linke Vorderrad und wirft den Fotografen ihr frisches Lächeln zu. So ist sie, die Miri aus Garmisch – und so war auch immer ihre Vorgängerin Magdalena Neuner. Doch nicht nur in optischer Hinsicht ist der Übergang vom ersten zum zweiten Biathlon-Schätzchen der Nation fließend gewesen. Denn die Miri ist nicht nur ein genauso herziges oberbayerisches Madl wie die Lena, es ist auch so: Beide können reden wie ein Wasserfall.

 

Was aus Miriam Gössner so heraussprudelt vor dem Ende November startenden Biathlon-Winter, geht teilweise ins Private. Den Hund zum Beispiel, den sie und ihr Freund Felix Neureuther sich vor nicht allzu langer Zeit angeschafft hatten, komplettiert die kleine Familie auf wunderbare Weise. Neureuther lässt keine Gelegenheit aus, Fotos von dem Australian Shepherd ins Internet zu stellen. Und wenn das Wintersportpaar unterwegs ist, müssen halt die „Großeltern“ ran. Dann geht Rosi Mittermaier mit Buddy Gassi – ob wie will oder nicht.

Zur Hundeliebe gesellt sich im Hause Gössner/Neureuther eine weitere, allerdings weniger putzige Gemeinsamkeit. Der Slalomfahrer Neureuther musste den Weltcup-Auftakt in Sölden wegen Rückenbeschwerden absagen – und Gössner geht es nicht besser. Sie gelten nach dem Karriereende von Maria Höfl-Riesch und Magdalena Neuner zwar als Hoffnungen ihrer Disziplinen – doch beide sind auch ein Fall für den Arzt.

Vierfacher Wirbelbruch

Viel schlimmer noch als Neureuther, den auf der Reise zu den Winterspielen nach Sotschi ein Autounfall aus dem Konzept brachte, erwischte es seine Freundin. Im Mai 2013 stürzte Gössner im Training vom Rad und zog sich einen vierfachen Wirbelbruch zu, der sie mehr als ein halbes Jahr aus dem Verkehr zog. Nun tastet sie sich wieder an die alte Form heran. Doch die Zweifel an einer erfolgreichen Rückkehr schon in diesem Winter sind gewaltig.

Für Gössner selbst, die im September nach einem weiteren Sturz eine leichte Gehirnerschütterung davontrug, ist alles im grünen Bereich: „Nach sieben Monaten Verletzungspause ist es schwierig zu sagen, wo ich einstiege, aber ich habe sehr gut trainiert – allerdings muss ich noch einen Schritt nach vorne machen“, sagt sie.

Nun beruft sich die Athletin darauf, dass alle anderen Kolleginnen im Oktober natürlich noch nicht in Wettkampfform seien – für den Bundestrainer Gerald Hönig ist die Situation seiner Frontfrau jedoch bedenklich. „Meine Erwartungen hinsichtlich Miriam sind sehr gedämpft. Der Sturz mit dem Mountain-Bike hat auch etwas im Kopf hinterlassen. Man merkt ihr an: die Unbekümmertheit, diese Frechheit, dieses Draufgängerische, das sie mal gehabt hat, ist mit dem Unfall ein bisschen verschwunden“, sagt der Trainer und stellt Gössner nicht unbedingt das beste Zeugnis aus.

Der Bundestrainer ist besorgt

Vor allem den vergangenen Sturz führt der Trainer auf diese Unsicherheit zurück. „Sie ist sehr vorsichtig und zurückhaltend – daraus ist auch der Sturz in Oberhof entstanden“, sagt Hönig, der seiner 24 Jahre alten Sportlerin in der kommenden Saison Wettkampfpausen zugestehen will, damit sie wieder ganz die Alte wird. „Sie war neun Monate voll raus. Somit muss man mit anderthalb Jahren rechnen, bis sie wieder zu ihrer früheren Form kommt“, sagt Hönig – also wäre sie erst im Winter 2015/16 wieder in Topform. Der Coach kann sich sogar vorstellen, Gössner beim ersten Weltcup am 30. November in Östersund noch gar nicht einzusetzen. „Eine nicht leistungsfähige Miriam Gössner werden wir nicht ins Rennen schicken!“

Um die Führungsfigur der jungen deutschen Biathlon-Mannschaft ist es also nicht zum Besten bestellt. Hönig erwartet auch nicht viel von Miriam Gössner, die erst wieder in die Führungsrolle schlüpfen soll, wenn bei es mit ihr sportlich wieder aufwärtsgeht. Sie müsse all ihre Energie bündeln, um erst einmal mit sich selbst ins Reine zu kommen. „Das ist besser, als mit ihren Erfahrungen als erfolgreichste Athletin Sprüche zu machen, die sie selbst nicht erfüllen kann“, sagt Gerald Hönig mit sorgenvollem Blick.

Miriam Gössner bringt sich derweil noch einmal für Fotos in Position und lächelt, als sei die Welt in Ordnung.