Alexander Loginow ist ein Ex-Doper und wurde in Antholz Sprint-Weltmeister. Der Schwarzwälder Biathlet Benedikt Doll erklärt im Interview, warum er unsicher ist im Umgang mit dem Russen – und warum ihm Heimat sehr wichtig ist.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Antholz - Der Stern von Benedikt Doll ging in Hochfilzen auf, als der Schwarzwälder 2017 Sprint-Weltmeister wurde. In Antholz will der 29-Jährige eine Medaille gewinnen, dafür muss er sich beim Schießen aber besser konzentrieren.

 

Herr Doll, wie haben Sie in der Nacht auf Montag geschlafen nach sieben Fehlschüssen im Verfolgerrennen? So etwas kennen Sie nicht, oder?

Ich hab schon mal mehr hingekriegt (schmunzelt). Ich habe gut geschlafen, es war ein Rennen von vielen – das muss man abhaken. Das habe ich im Biathlon gelernt: Wenn ich wegen einem Rennen verzweifeln würde, dürfte ich kein Biathlon mehr machen. Ich weiß, woran es lag. Mit der Stresssituation, ich muss jetzt aufholen, ich will gut schießen, bin ich nicht richtig fertiggeworden. Beim Stehendschießen habe ich mich ablenken lassen. Ich habe Philipp Horn neben mir bemerkt und nicht wirklich konzentriert gearbeitet. Wer nicht 100 Prozent wach ist, verdient keine Medaille.

Jetzt kommt an diesem Mittwoch das Einzel, das ist sehr schießlastig.

Deshalb werde ich mit mehr Ruhe rangehen – man läuft nicht so am Limit wie im Sprint und im Verfolger. Im Einzel dosiert man mehr, weil es über 20 Kilometer geht – deshalb bin ich zuversichtlich, dass es wieder besser funktioniert. Die Ruhe, die ich sonst in diesem Winter beim Schießen hatte, möchte ich wieder abrufen.

Antholz liegt auf 1600 Metern. Schießt man da anders?

Ja, die Höhe beeinflusst schon den Rhythmus. Entweder muss man schneller schießen, um den gewohnten Atemrhythmus beizubehalten, oder du schießt zwei Schuss, atmest zweimal und schießt dann noch dreimal im Einer-Rhythmus. Im Einer-Rhythmus kann man nicht durchgängig schießen, weil einem der Sauerstoff ausgeht.

Gibt es spezielle Übungen, um sich aufs Schießen vorzubereiten?

Natürlich trainieren wir viel am Stand. Wie man rangeht, auch technisch. Zum Beispiel: Wie fest greife ich mit meiner rechten Hand, wie sehr spanne ich meinen linken Arm beim Stehendschießen. Zur Konzentration: Man konzentriert sich ganz fest auf eine Sache, ich versuche sie so lange wie möglich zu fixieren. Und auf einmal kommt einem dieser Gedanke, dann jener. Das Ziel ist, ich konzentriere mich nur auf das und lasse mich von nichts ablenken. Man muss im Biathlon die Eindrücke von außen abschalten können.

Wie gelingt das im Stadion von Antholz mit 20 000 Leuten?

Zuschauer sind für mich kein Problem, nur einmal hatte ich da Schwierigkeiten in dieser Saison. In Hochfilzen bin ich bei der Staffel mit Johannes Thingnes Bö, wir waren Erster, die Norweger Zweite, zum Liegendschießen gekommen, und im Stadion herrschte auf einmal Totenstille. Du weißt, jetzt hängt viel von dir ab, und du bist verwirrt, weil du nichts hörst von den Zuschauern. Als mir das bewusst wurde, musste ich mich kurz sammeln und wieder aufs Schießen konzentrieren. Das war eine extreme Situation. Das Grundrauschen der Fans nehme ich gar nicht wahr.

2017 wurden Sie in Hochfilzen Sprint-Weltmeister, damit waren Sie endgültig in der Weltelite angekommen. Heute sind Sie mit Arnd Peiffer der Teamführer.

Ja, man merkt es, weil ich mehr Verantwortung spüre, wenn es etwa in der Staffel um einen Podestplatz geht. Ich weiß, wenn ich das Ding verhaue, gibt es wahrscheinlich keine Medaille, früher hatte ich diesen Extradruck nicht.

Hat Ihre Meinung bei Teamentscheidungen nun mehr Gewicht?

Ich merke schon, dass sich die Jungen zurückhalten und Arndt und mich das machen lassen.

Mögen Sie diese Rolle?

Ja, klar. Ich bin einer, der sich für viel interessiert, nicht nur für den Sport, deshalb bringe ich mich etwa in die Lehrgangsplanung ein. Ich habe auch keine Probleme damit, etwas anzusprechen, wenn es mal nicht so gut läuft.

Die besten Jahre eines Biathleten liegen zwischen 28 und 32. Sie sind im besten Alter.

In etwa, so ab 26, 27 kann man Weltspitze sein. Vor vielen Jahren war das früher, da war der Trainingsaufbau noch anders – und dann war die Karriere mit 30 oft schon vorbei. Heute trainiert man nachhaltiger und erreicht die Spitze später und ist so um die 35 am Ende.

Ein paar Sätze zum umstrittenen Alexander Loginow, dem ehemaligen Doper, der in Antholz Sprint-Weltmeister wurde. Wie stehen Sie zu diesem Fall?

Er hat seine Strafe verbüßt, es ist schwierig, ihn einzuschätzen. Wenn jemand schon einmal betrogen hat, liegt es nahe, ihm nicht mehr so vorbehaltlos zu glauben, er sei sauber. Solange niemand beweist, dass er wieder gedopt hat, erkenne ich seine Leistung an. Vielleicht hat sich seine Position ja geändert, das russische System ist nicht mehr das gleiche wie vor ein paar Jahren. Womöglich hat er sich auch verändert, er ist nun älter geworden.

Dann könnte er das doch so kommunizieren. Er spricht aber mit niemandem darüber.

Seine Aussagen verfolge ich nicht, ich schaue auf seine sportliche Leistung – und wenn er sauber ist . . .

Fakt ist: Die meisten im Biathlon-Lager wollen nichts mit Loginow zu tun haben. Ist diese Sanktionierung gerechtfertigt?

Er wird anders behandelt, da stimme ich zu. Ich denke, er bekommt jeden Tag wie vor einem Spiegel vorgehalten, dass er einen Fehler gemacht hat. Durch die hohe Medienpräsenz stecken wir ja auch in einem Zwiespalt. Wenn man ihm im Ziel gratuliert oder die Hand schüttelt, stellt sich automatisch die Frage: Welches Bild von einem selbst wird da nun in die Welt hinausgeschickt? Man könnte sagen: Mir egal, was über mich geschrieben wird. Das tut aber fast keiner. Man ist deshalb unsicher im Umgang mit ihm, weil man nicht weiß, was die Medien daraus machen. Wenn man ständig unter Beobachtung ist, ist es schwierig. Ich gehe jetzt mal von mir aus. Was ist richtig? Was ist falsch? Ihn meiden oder ihn sportlich fair behandeln? Gutheißen will ich Doping natürlich nicht, andererseits gilt die Unschuldsvermutung. Und ich hoffe, dass sich ein Mensch ändern kann. Ich frage mich: Wie müsste man in einem solchen Fall reagieren? Man sollte den Fehler einräumen, sich entschuldigen und ehrlich versprechen, nie wieder zu betrügen.

Warum wohnen Sie in Kirchzarten und nicht wie fast alle deutschen Biathleten in Oberhof oder Ruhpolding?

Das hat sich so entwickelt. Im Olympiakader haben wir viele Lehrgänge, und ich liebe den Kontrast, nach Hause zu kommen. Ich bin einfach unfassbar gerne daheim im Schwarzwald, ich würde garantiert nicht glücklich werden, wenn ich nach Bayern ziehen würde – selbst wenn meine Frau dabei ist. Im Schwarzwald ist es für mich am schönsten, sonst hätte ich nicht die Motivation, auf Reisen zu gehen – ich bin ja 22 Wochen im Jahr unterwegs. Die Freude auf die Rückkehr treibt mich an.

Biathlet, Marketing-Studium in Furtwangen, einen Koch-Blog mit Ihrem Vater – Sie haben ziemlich viele Baustellen.

Ja, eigentlich zu viele. Ich denke immer, nächstes Jahr wird’s entspannter, aber das passiert nicht. Ich glaube, das alles brauche ich zum Wohlfühlen.