Mit ihrem Projekt „Preisgünstiges Bauen“ wollte die Stadt Biberach sechs einkommensschwächeren Familien zum Eigenheim verhelfen. Die noble Idee versank im Streit über Baumängel und Kostensteigerungen. Den Käufern droht der Ruin.
Biberach - Schon länger her, dass sich Andreas Kopf, 48, Grundschullehrer, und Xufeng Kong, 47, Bauingenieur, trauten, öffentlich über die drohende Vernichtung ihrer finanziellen Existenz zu reden. Kopf und Kong, Vater zweier Kinder im Alter von einem und sieben Jahren, gehörten zu den scheinbar Glücklichen, die im November des Jahres 2015 im Zuge eines kommunalen Bewerbungsverfahrens den Zuschlag als Bauherren im Biberacher Jerseyweg bekamen. Sechs Reihenhäuser mit 112 Quadratmeter Wohnfläche sollten zum Basispreis von rund 250 000 Euro in einem Neubaugebiet entstehen. Einschließlich Ausstattung und Hausanschlusskosten stand auf dem Papier ein Endpreis von rund 320 000 Euro. Für das Geld gibt’s auf dem privaten Immobilienmarkt in der oberschwäbischen Mittelstadt schon lange keinen Neubau mehr.
Zum Jahresbeginn war vieles noch anders, da suchten Kopf und Kong fast flehentlich Hilfe in einer festgefahrenen Situation. Sie luden sich bei den großen Biberacher Ratsfraktionen zum Gespräch ein, kontaktierten Zeitungsredaktionen und Regionalpolitiker, schrieben dem parteilosen Oberbürgermeister Norbert Zeidler in einem offenen Brief: „Jeder Tag stellt eine neue finanzielle Belastung dar, und dass die Familien so langsam dabei kaputtgehen, scheint für die Stadt nur ein bedauerlicher Begleitumstand zu sein.“
Baustopp schon den ganzen Winter über
Bis heute steht von den sechs Häusern lediglich der Rohbau. Dabei hätten die Käufer schon Ende des vergangenen Mai einziehen sollen. Stattdessen gilt ein Baustopp – seit fünf der Eigentümer nach langem Streit über die Bauausführung einen Zwischenzahlungstermin an die in Geislingen (Kreis Göppingen) ansässige Baufirma Rimpex verstreichen ließen. Ein Vertragsabschluss mit Rimpex war Kaufbedingung des Biberacher Rathauses gewesen. „Den Ausschlag für mich gaben Treu und Glauben auf eine ordentliche oberschwäbische Stadt“, sagte Andreas Kopf vor Wochen.
Bis heute dürfte es im Jerseyweg so aussehen wie beim Baustellenbesuch unserer Zeitung Ende Januar. Durch Mauern floss Regenwasser, das sich in Lachen auf den Böden sammelte. Die Flächenfenster bosnischen Fabrikats waren nur notdürftig nach innen mit Bauschaum abgedichtet worden. Keine einzige heimische Baufirma hätten sie im Jerseyweg gesehen, erinnerten sich Andreas Kopf und Xufeng Kong.
Der Bauträger weist eigenes Verschulden von sich
Immer wieder sei das Gespräch mit dem Bauträger gesucht worden, doch die Mängelanzeigen seien überwiegend ignoriert worden. Rimpex schiebt Zeitverzögerungen und Kostensteigerungen heute auf den damaligen Architekten und die Bauherren selbst. „Das Problem war, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der notariellen Kaufverträge das Bodengutachten, die Statik und die Werkplanung des Architekten noch nicht vorlagen. Auf Veranlassung des Architekten kam es dann zu Änderungen, welche der Architekt mit dem schlechten Unterboden begründete. Diese Änderungen wurden teilweise von den Bauherren nicht akzeptiert, und es gab dabei auch erhebliche Meinungsverschiedenheiten unter den Bauherren“ , schreibt in einer Stellungnahme der Rimpex-Bauleiter Erik Walter. Die Besitzer, fügt er hinzu, hätten sich „mit ihrer negativen Einstellung ,verrückt‘ gemacht“.
Das sieht, neben den Eigentümern, inzwischen auch die Stadt Biberach als Initiatorin anders. „Die mit der Firma vertraglich vereinbarte Bauleistung entspricht in Qualität und zeitlicher Umsetzung nicht dem Bauauftrag der Bauherren“, teilt das Rathaus ebenfalls schriftlich mit. Im Herbst sei eine von der Stadt moderierte Schiedsgutachtenabrede am Widerstand von Rimpex gescheitert. „Eine sinnvolle Kooperation erschien nicht möglich.“
Springt eine andere Baufirma ein?
Seit Februar engagiert sich die Stadtverwaltung mit Nachdruck für die Familien, schaltete etwa einen unabhängigen Sachverständigen ein und sucht ein Bauunternehmen, das im Jerseyweg einspringt. Die Eigentümer bekamen das Wohlwollen der Stadtverwaltung allerdings gegen den Preis absoluter Schweigsamkeit. Nichts soll nun mehr an die Presse gehen.
Dabei steht fest, dass die vermeintlichen Billighäuser am Ende sehr teuer werden. Seit Mai müsse er neben der Wohnungsmiete auch noch Kreditkosten für den mangelhaften Rohbau zahlen, sagte im Januar Xufeng Kong. Dazu kämen die Kosten für einen eigenen Anwalt. Andreas Kopf bezweifelt schon lange, dass eine neue Baufirma die Gewährleistung für das übernehme, was schon stehe. Möglicherweise sei dadurch das Haus stark wertgemindert oder sogar unverkäuflich, bevor es fertig sei.
Trübe Aussicht auf jahrelangen Rechtsstreit
Wann das sein wird, steht in den Sternen. Eine umfassende Garantie für einen Schadenausgleich vermeidet das Rathaus gegenüber den Eigentümern. Seitens Rimpex liegt ein bis 15. April befristetes neues Angebot vor: Die Rückübertragung der Häuser durch die Eigentümer an Rimpex gegen Bezahlung aller Kosten und Auslagen zuzüglich eines Aufschlags von fünf Prozent, exklusive Gutachter- und Anwaltskosten. Andreas Kopf entgegnet, dann doch unter Bruch des Schweigegebots, er bleibe bei diesem Angebot auf einem Riesenberg verlorenen Geldes sitzen. Einen jahrelangen Prozess könnten er und seine Mitstreiter finanziell und nervlich nicht durchhalten. Das nächste und dann vierte Treffen im Biberacher Rathaus ist für Anfang April anberaumt.