Hunderttausende von Büchern werden in die neue Bibliothek in das Haus im Europviertel geschafft. Die Mitarbeiter haben noch sechs Wochen Zeit.

Stuttgart - Vermutlich wird eines nicht allzu fernen Tages ein Autor ein Buch über die neue Stuttgarter Bibliothek schreiben - und ebenso wahrscheinlich wird es darin ein Kapitel geben, das sich der Entstehung des Bücherwürfels im Europaviertel widmet. Und obwohl von Zahlen nur selten literarische Magie ausgeht, könnten sie in dem Buch über die Bibliothek am Mailänder Platz doch eine Rolle spielen. Zum Beispiel die Zahl neun - neun Kilometer lang wäre jene Strecke, die sich ergeben würde, wenn man alle Bücher und DVDs nebeneinanderstellen würde, die künftig in der Bibliothek Platz finden.

 

In dieser Woche hat der größte Bücherumzug in der Stuttgarter Stadtgeschichte begonnen - und jeder, der schon einmal fünf lächerliche Billy-Bücherregale aus- und wieder einsortiert hat, muss sich den Umzug als Horrorgeschichte vorstellen.

Oder als ein gut organisiertes Logistikunternehmen. Seit anderthalb Jahren planen Ingrid Bussmann, die Leiterin der Bibliothek, und ihre Stellvertreterin Christine Brunner den Umzug vom Wilhelmspalais ins Europaviertel. Seit Montag pendeln zwei Lastwagen eines auf Bibliotheksumzüge spezialisierten Unternehmens zwischen den Standorten. Der Ablauf folgt einer vorgegebenen Choreografie: Im Wilhelmspalais weisen zwei Bibliotheksmitarbeiterinnen die Umzugsexperten ein. Die Bücher werden regalweise aus- und in Rollwagen wieder einsortiert. Mit dem Lastwagen geht es dann quer durch die Innenstadt bis zur neuen Bibliothek, wo in diesen Tagen noch immer Kabel aus den Decken hängen und Bohrer einen Zahnarztpraxissound erzeugen.

Man kann das Ergebnis schon erahnen

Der Umzug kostet Nerven und eine halbe Million Euro. Noch haben die Arbeiter sechs Wochen Zeit, um den Bücherwürfel bis zur Eröffnungsfeier am 21. Oktober besenrein zu hinterlassen. Täglich kommt das Unternehmen dem Ziel um rund 15000 Bücher näher. Vor dem Haupteingang laden die Bücherpacker ihre Rollregale aus den Lastwagen. Von dort aus fahren sie mit den Aufzügen bis in den achten Stock der Bibliothek - der Umzug beginnt im obersten Stockwerk des Gebäudes. Nach und nach werden sich die Mitarbeiter in den nächsten Wochen bis zum Erdgeschoss hinunterarbeiten.

Im achten Stock können die Baustellenbesucher bereits am dritten Tag des Umzugs erahnen, wie die Bibliothek von Ende Oktober an aussehen wird: In der Graphothek sortieren die Mitarbeiter die ersten von insgesamt 2500 Grafiken ein. Viele Bücher zu den Themen Film, Kunst und Tanz stehen bereits in den Regalen. Im obersten Stockwerk der Bibliothek regiert die Welt der Kunst - vermittelt in Büchern und auf DVDs. Unter anderem können sich die Nutzer hier künftig Beiträge vom Stuttgarter Trickfilmfestival ausleihen. Beim Einräumen folgen die Mitarbeiter einem Farbleitsystem, damit sich kein Sachbuch in die Romanwelten verirrt. Kunst ist pink.

Neues Leser-Leitsystem

In den nächsten Wochen müssen auf den insgesamt 11.500 Quadratmeter Fläche nicht nur Regale und Bücher ihren endgültigen Platz finden. Geliefert wurden auch schon die ersten Auskunftstheken, an denen die Mitarbeiter der Stadtbibliothek künftig die Nutzer beraten werden. Alles soll seine Ordnung haben im größten Haus der Literatur der Stadt. "Wir können die Bücher deutlich großzügiger und übersichtlicher anordnen", sagt Christine Brunner.

Ihre Chefin erklärt unterdessen, dass sich die Nutzer des Hauses künftig auch an Stelen über Bücher in der Bibliothek informieren können. Anschließend folgen die Leser einem Leitsystem außerhalb der virtuellen Welt - bis sie ihr Buch gefunden haben. "Teile unseres Leitsystems hat die Justizvollzugsanstalt angefertigt", erzählt Ingrid Bussmann. Die Direktorin der Bibliothek lächelt - das Wort vom Bücherknast verfolgt sie selbst beim Umzug.