Der Bienenschutzverein und Pro Biene klären bei einer Aktion über die artgerechte Haltung der Insekten auf. Denn immer mehr Menschen wollen ihre eigenen Bienen halten. Doch ist das für den Schutz der bedrohten Tiere überhaupt gut?

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Plötzlich war er da, ein ganzer Bienenschwarm. „Die Bienen waren einfach hier an einem Stuhl“, sagt David Gerstmeier bei der Kulturinsel in Bad Cannstatt. In einer gelben Kiste hat er die Insekten untergebracht. Um den Schwarm in einem Stock anzusiedeln, bläst er mit dem Smoker – einer Art Raucher – in die Kiste. „Das stellt die Bienen ruhig“, erklärt er. Mit einem Trichter holt er sie aus der Kiste. Wie eine Traube hängen die Insekten daran, bis Gerstmeier sie mit einem Ruck abschüttelt. Manche fliegen direkt zum Stock, manche schwärmen nervös in der Gegend herum. „Die sind ganz brav“, sagt Gerstmeier.

 

Der Trend zum eigenen Bienenstock hält weiter an

Eigene Bienen zu halten ist bei jungen Großstadtmenschen ein beliebtes Hobby geworden. In Berlin gibt es vermutlich längst mehr Bienen als Einwohner. Immer mehr Ingenieure und Manager sind auf der Suche nach einem Ausgleich zum Beruf – naturverbunden sollte dieser aber bitte sein. „Urban beekeeping“ (urbane Bienenhaltung) heißt der Trend, an dem es durchaus Kritik gibt. Bereits vor drei Jahren warnte Peter Maske, Präsident des Deutschen Imkerbundes, vor der inflationären Bienenhaltung. Das Halten eines Bienenstocks sei ein Einstieg, aber das allein reiche nicht. Viel besser sei es, acht oder neun Völker zu haben. Die könnten sich dann untereinander helfen. Die Übervölkerung mit Bienen in einer Großstadt habe noch einen anderen Haken: Krankheiten wie die Varroamilbe breiteten sich schneller aus – auch weil die unerfahrenen Hobbyimker ihre Bienen häufig sich selbst überließen.

„Bienen halten ist nicht gleich Bienen schützen“, betont auch David Gerstmeier. Er ist Inhaber der Imkerei Summtgart und Vorsitzender des Stuttgarter Vereins Pro Biene. Deshalb kann er den Hype um die Honigbiene verstehen: „Bienen lösen eine riesige Faszination aus.“ Ihn selbst hat diese Faszination schon als Kind gepackt. „Mein Papa hatte in der Schule Bienen“, erzählt der 26-jährige, gebürtige Bayer. „Ich hatte mir ein Volk für zu Hause gewünscht.“

Bienen halten ist nicht unbedingt gleich Bienen schützen

Für Gerstmeier sind Bienen kein daher Trendhobby: „Ich lebe von und mit den Bienen.“ Bei der Kulturinsel hat er zig Völker mit etwa 22 000 Bienen angesiedelt. Dort ist auch der Sitz seiner Demeter-Imkerei Summtgart. Inzwischen bilden er und sein Kollege Tobias Miltenberg dort auch aus. Gerstmeier ist Imkermeister. Nach seinem Schulabschluss hat er eine Ausbildung zum Imker bei einem Forschungsinstitut in Hessen absolviert, bevor es ihn für zwei Jahre nach Togo in Westafrika zog. Auch dort widmete er seinen Alltag den Bienen und tat das, was er in Deutschland auch macht: von und mit den Bienen leben.

Und das bedeutet für ihn längst nicht nur, ein bisschen Honig zu produzieren. „Wir wollen die ökologische Imkerei weiterentwickeln“, sagt Gerstmeier. Diese sei nur mit einer bescheidenen Honigentnahme und in einer intakten Umgebung möglich. Seine Bienen sollen sich „natürlich“ vermehren, das bedeutet, nur die Königin ist für den Nachwuchs zuständig. „Viele Imker machen aus Arbeitsbienen Königinnen“, kritisiert er. Auch bauen bei ihm die Bienen ihre Waben selbst. Wer schnell viel produzieren wolle, greife oft auf industriell gefertigte Waben zurück. „Aber viele Anfänger wissen es auch schlicht nicht besser.“ Bei ihrem Verein Pro Biene geben Gerstmeier und sein Kollege Kurse zur richtigen Haltung und Einblicke in das Leben von Insekten.

Imkern lernt man nicht einfach von heute auf morgen

Lisa Deister hat dort bereits verschiedene Kurse besucht. Die 30-jährige Landschaftsarchitektin hat den Stadtacker bei den Wagenhallen mitgegründet. Dort war auch die Imkerei Summtgart zuerst mit ihren Bienen. „Da habe ich gedacht, ich will meinen eigenen Honig haben“, erzählt sie. Inzwischen weiß sie, dass es ganz so einfach nicht ist mit der eigenen Imkerkarriere. „Ein Stock ist mir vor dem Winter eingegangen“, erzählt sie. „Ich hoffe, mein Volk schwärmt dieses Jahr wieder.“

Lisa Deister bildet sich weiter: „Man hat nie ausgelernt. Bienen verhalten sich nicht immer nach Lehrbuch.“ Auch möchte sie nicht nur Bienen haben, sondern auch zum Bienenschutz beitragen. Deshalb ist sie inzwischen Vorsitzende des gleichnamigen Vereins in Stuttgart. Gemeinsam mit Pro Biene veranstalten sie an diesem Sonntag von 14 bis 18 Uhr einen Bienentag an der Kulturinsel.

Das Ziel des Vereins sei es, auf die Relevanz von Insekten allgemein hinzuweisen, aber auch auf das Bienensterben. „Bienen verlieren immer mehr ihren Lebensraum und ihre Nahrungsquellen“, sagt sie. Auch durch die großflächige Verbreitung der Varroamilbe, die passenderweise Varroa destructor heißt, würden Krankheiten und Viren eingeschleppt. „Unsere Bienen kommen damit nicht klar.“ Wegen der Ausbreitungsgefahr begrüßt auch Deister das Hipster-Hobby Imkern nicht ausschließlich. Dennoch haben es aus ihrer Sicht Bienen in der Stadt oft besser: „Auf dem Land gibt es fast nur noch Monokulturen.“ In der Stadt finden die Bienen tatsächlich gut Nahrung – auch in Stuttgart. „Und der Feinstaub macht Bienen zum Glück nichts aus.“