Der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin läuft die Zeit davon. Nach den Massen-Krankmeldungen hat sich der Flugbetrieb normalisiert. Bis Freitag können Bieter Angebote abgeben. Es zeichnet sich ab, dass mehrere Interessenten das Unternehmen kaufen.

Berlin - Nach den chaotischen Zuständen und Massen-Krankmeldungen der Piloten hat sich der Flugbetrieb bei Air Berlin wieder normalisiert. Dass sich die Lage beruhigt, ist wichtig, denn die insolvente Fluggesellschaft steuert in die entscheidende Phase der Verkaufsverhandlungen. Bis zu diesem Freitag können interessierte Luftfahrtunternehmen Gebote abgeben. Dem Insolvenzverwalter bleiben dann noch einige Tage, um die Offerten auszuwerten. Am 21. September soll der Gläubigerausschuss entscheiden, wer den Zuschlag erhält.

 

Für Mitarbeiter und Management dürfte es ein schwacher Trost sein, dass der Bieterkreis groß ist. Ein illustrer Kreis von Unternehmen hat in den vergangenen Tagen Interesse bekundet – darunter der chinesische Investor Link Global Logistics, der den Flughafen Parchim in Mecklenburg-Vorpommern betreibt. Dessen Chancen dürften allerdings verschwindend gering sein, da nach dem geltenden Recht europäische Fluggesellschaften mehrheitlich europäische Eigentümer haben müssen. Auch dem Luftfahrtunternehmer Hans Rudolf Wöhrl, der Air Berlin für 500 Millionen Euro komplett übernehmen will, werden eher Außenseiterchancen eingeräumt. Es ist immer wieder zu beobachten, dass sich bei großen Insolvenzverfahren Unternehmer ins Gespräch bringen, um ihre Bekanntheit zu erhöhen. Die Erfahrung zeigt jedenfalls, dass Bieter, die nicht so sehr das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit suchen, die besten Aussichten haben. Als sicher gilt, dass die Lufthansa Teile von Air Berlin übernehmen will. Die größte deutsche Fluggesellschaft kann sich dabei der Unterstützung der Politik gewiss sein. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte sofort nach dem Insolvenzantrag angekündigt, dass Deutschland einen nationalen Champion im Luftverkehr benötige. Dobrindt machte kein Hehl daraus, dass die Lufthansa große Teile der angeschlagenen Airline kaufen soll. Ähnlich äußerte sich Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries: „Ich würde es begrüßen, wenn die Lufthansa größere Teile von Air Berlin übernimmt“, erklärte die SPD-Politikerin schon vor einigen Wochen.

Obwohl die Bundesregierung an den Übernahmeverhandlungen nicht beteiligt ist, übt diese hinter den Kulissen Einfluss aus: Es geht um Arbeitsplätze (im Jahr 2016 hatte das Unternehmen rund 8500 Mitarbeiter), Industriepolitik und die Sicherung von Steuergeldern. Schließlich war die Regierung kurzfristig mit einem 150-Millionen-Euro-Massekredit eingesprungen, nachdem der Air-Berlin-Großaktionär Etihad mitten in den Sommerferien den Geldhahn zugedreht hatte. Die Finanzspritze machte es möglich, dass die Flugzeuge weiterfliegen konnten.

Lufthansa ist Wunschpartner der Politik

Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte zwar, die Verkaufsverhandlungen seien allein Sache der Unternehmen. An der Neutralität der Politik bestehen aber Zweifel. Der Vorsitzende des Konkurrenten Ryanair, Michael O’Leary, hält die Insolvenz und den Staatskredit für ein abgekartetes Spiel, um der Lufthansa Vorteile zu verschaffen. Er warnte davor, dass die Lufthansa auf dem deutschen Markt ein „Luftfahrt-Monster“ werde. Mit der Übernahme von Air Berlin, in Deutschland die Nummer zwei, werde Lufthansa den deutschen Markt dominieren. Die Folge seien höhere Ticketpreise, sagte der Chef der Billigfluggesellschaft voraus. Aus Branchenkreisen ist schon jetzt zu hören, dass wegen der Turbulenzen um Air Berlin viele Reisende auf andere Gesellschaften umsteigen – und dafür höhere Preise in Kauf nehmen.

Eine wichtige Rolle spielt bei der Übernahme das Kartellrecht. Seit Beginn des Insolvenzverfahrens ist klar, dass Lufthansa nur Teile von Air Berlin übernehmen kann. Andernfalls würde eine marktbeherrschende Stellung entstehen, die die Wettbewerbshüter zu verhindern wissen. In den Verhandlungen wird es deshalb darum gehen, wie die Betriebsteile von Air Berlin aufgegliedert werden.

Niki Lauda steigt in Bieterwettbewerb ein

Der frühere Rennfahrer und Unternehmer Niki Lauda ist am Donnerstag ebenfalls in den Wettbewerb eingestiegen, um die von ihm gegründete Fluggesellschaft Niki sowie 18 Flugzeuge von Air Berlin zu erwerben. Er bietet dafür gemeinsam mit dem Touristikkonzern Thomas Cook und dessen Fluggesellschaft Condor rund 100 Millionen Euro. Lauda will sich auf touristische Ziele auf der Kurz- und Mittelstrecke konzentrieren. Condor war schon längere Zeit als möglicher Käufer von Air Berlin im Gespräch. Berichten zufolge wird auch der britische Billigflieger Easyjet als Interessent gehandelt. Alles deutet auf eine Aufteilung von Air Berlin unter mehreren Unternehmen hin.

Für den Verkauf haben die Beteiligten nicht mehr viel Zeit. Das Chaos der vergangenen Tage verdeutlicht, dass schnell Klarheit herrschen muss, wie es mit dem Unternehmen weitergeht. Ursprünglich sollte der Staatskredit dazu dienen, den Betrieb der Fluggesellschaft bis Ende November zu sichern. Doch so viel Zeit bleibt Air Berlin nicht mehr. Vorstandschef Thomas Winkelmann hatte im August das Ziel ausgegeben, dass bis Mitte September eine Entscheidung über den Verkauf fallen soll. Dieser Zeitplan hat sich bereits verschoben.

Offen ist, wie lange das Geld noch reicht. Nach Auskunft des Unternehmens wurde vom Staatskredit erst eine Tranche abgerufen; dabei soll es sich um eine Summe von 24 Millionen Euro handeln. Damit stünde der Großteil des Darlehens noch zur Verfügung. Doch der Vertrauensverlust bei den Kunden hat sich nach den massenhaften Ausfällen in den vergangenen Tagen noch zusätzlich erhöht. Air Berlin braucht eine schnelle Lösung. Das Ringen um eine Aufspaltung fällt mitten in die Endphase des Wahlkampfes. Die Politik weiß um die Bedeutung. Wirtschaftsministerin Zypries sagte, es gehe darum, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten. Die Regierung versucht jedenfalls, ihren Einfluss geltend zu machen. Kurz vor der Wahl am 24. September kann Berlin keine Hiobsbotschaften von Air Berlin gebrauchen.