Die Firma Heinrich Dinkelacker produziert seit 1879 edle Budapester. Nicht nur Wirtschaftsgrößen oder Prominente schätzen das teure Schuhwerk. Massenprodukte allerdings wird das Unternehmen nie herstellen.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Bietigheim-Bissingen - Damals, nach der Uni, sei diese Liebe entstanden, sagt Norbert Lehmann. Er benutzt tatsächlich das große Wort mit den fünf Buchstaben. Sein neuer Chef habe ihm nach dem Studium gute Treter verordnet, Budapester. „So kam das dann, es wurde eine Leidenschaft“, erzählt Lehmann, inzwischen 67 Jahre alt, ehemaliger IBM-Manager und auf den ersten Blick nicht unbedingt ein Romantiker. Bei Schuhen allerdings wird er emotional, und manchmal sogar böse. „Es regt mich auf, wenn Leute teure Anzüge tragen und dazu billige Schuhe – und ich erkenne das sofort.“ So war es wohl in erster Linie eine emotionale Entscheidung, im Jahr 2004 eine der altehrwürdigsten Schuhfirmen in Baden-Württemberg zu retten.

 

Eine Maßanfertigung kostet bis zu 1500 Euro

Heinrich Dinkelacker produziert seit 1879 Schuhe der edelsten Sorte. 500 bis 750 Euro kostet ein Konfektionsschuh, für eine Maßanfertigung werden bis zu 1500 Euro fällig. Die Manufaktur ist in Budapest, die Zentrale in Bietigheim-Bissingen.

Das Unternehmen war in Familienbesitz, aber irgendwann schlugen alle potenziellen Erben andere Berufswege ein, und die Firma stand vor dem Aus. Für Norbert Lehmann undenkbar, er trägt nur Dinkelacker am Fuß. Lehmann übernahm das Unternehmen und überredete den damaligen Porsche-Manager Wendelin Wiedeking und den Porsche-Pressechef Anton Hunger, Gesellschafter zu werden. „Wir haben erst einmal mächtig Geld in die Hand genommen, im starken siebenstelligen Bereich“, sagt Lehmann. Es werde wohl noch ein paar Jahre dauern, bis sich das Engagement finanziell ausgezahlt habe. Aber darum gehe es nicht. Es gehe um die Schuhe.

Doppelsohle, Crepesohle oder dreifache Ledersohle, Silberbeschlag oder nicht, Zopfrahmen ja oder nein, Pferdeleder, Kalbvelour oder Nubuk – die Kollektion ist zuletzt stark gewachsen. Früher galt Dinkelacker primär als Anbieter für Businessschuhe, das hat sich geändert. Ein Gestaltungselement taucht immer wieder auf: das für Budapester typische Lochmuster.

Für einen Schuh sind 300 Arbeitsschritte notwendig

Wer einen Maßschuh will, bekommt zunächst einmal einen Termin bei Christoph Renner im Dinkelacker-Showroom unweit der Bietigheimer Altstadt. Der Schuhmachermeister bespricht mit den Kunden mögliche Formen, misst die Füße aus, danach wird ein Leisten gefertigt und nach Budapest geschickt. Dort, so Renner, entstehe „nach klassischer ungarischer Handwerkskunst“ und in Handarbeit der Schuh. 300 Arbeitsschritte sind nötig. Es kann ein halbes Jahr dauern, bis der Besitzer das fertige Produkt überreicht bekommt. In dieser Zeit werden gestandene Männer zu Kindern. „Manche freuen sich wochenlang auf den Tag, an dem der Schuh kommt“, erzählt Christoph Renner.

40 Mitarbeiter beschäftigt Dinkelacker in Budapest, sechs in Bietigheim-Bissingen. Norbert Lehmanns Sohn Maximilian ist für das Marketing zuständig. Laufkundschaft kommt selten vorbei. Manche schauen sich schüchtern um, sehen die Preise und sind schnell wieder draußen. Männer, das zeigen Statistiken, sind kaum bereit, für Schuhe viel Geld auszugeben. Auch das Argument der Langlebigkeit hilft zunächst wenig. Doch die Firma expandiert. Natürlich seien gute Schuhe in gewissen Kreisen ein Statussymbol, sagt Norbert Lehmann. „Aber bei uns kaufen nicht nur Leute mit richtig viel Kohle.“ Sondern auch Liebhaber. Etwa der Student, der nur für seine schicken Schuhe Geld zurücklege. Er kenne einen Apotheker, sagt Lehmann, der in seinem Haus einen Raum ausschließlich für Budapester eingerichtet habe.

10 000 Paar Schuhe produziert Dinkelacker pro Jahr. Ein Massenprodukt ist das nicht. Aber neue Märkte will Norbert Lehmann, ganz Manager, trotzdem erobern. In der Schweiz, Österreich, Japan oder Russland ist Dinkelacker präsent. Nun komme China an die Reihe. „Chinesen lieben die guten europäischen Marken“, sagt er. „Das passt für uns wie die Faust aufs Auge.“