Der Run aufs Gymnasium hält an. Ebenfalls stark gefragt sind Betreuungsplätze für unter Dreijährige. Die Stadtverwaltung von Bietigheim-Bissingen hat ihre Pläne dazu vorgestellt.

Prognosen sind schwierig; besonders, wenn sie die Zukunft betreffen. Die Wahrheit dieses Bonmots hat man nun auch in Bietigheim-Bissingen erfahren. Denn die Voraussagen über benötigte Kinderbetreuungsplätze und die Schulentwicklung, die zuletzt vor fünf Jahren von Fachgutachtern getroffen wurden, sind inzwischen von der Wirklichkeit eingeholt worden. „Da ist es gut, dass wir die Dinge Schritt für Schritt angehen und nun nachträglich anpassen können“, sagte Oberbürgermeister Jürgen Kessing.

 

Kinderbetreuung Bei der Kinderbetreuung hätten zwar die Schätzungen zu den benötigten Plätzen nach wie vor Bestand, führte der für diesen Bereich zuständige Erste Bürgermeister Michael Hanus aus. „Aber ab 2024 werden wir mehr Plätze für unter Dreijährige und weniger für die über Dreijährigen benötigen.“

Konkret müssten in den neu entstehenden Kindergärten rund 70 von den eigentlich geplanten Ü3-Plätzen in U3-Plätze umgewandelt werden. Warum dies so ist? „Wir haben eine gute Kinderklinik“, scherzte Kessing, um konkreter nachzulegen. Tatsächlich hätten sich die Geburtenzahlen dort im Vergleich zu vor zehn Jahren verdoppelt, und wenn sicher auch nicht alle dort zur Welt Gekommenen in der Stadt leben würden, sei diese nach wie vor attraktiv: „Junge Familien kommen gern zu uns.“ Michael Hanus ergänzte, die Zahl der Doppelverdiener-Haushalte nehme zu, und Frauen gingen – auch angesichts des Fachkräftemangels – wieder früher zurück in den Beruf. Aktuell fehlen für die unter Dreijährigen etwa 100 Plätze, für die Älteren rund 50. „Aber das ist nur eine Momentaufnahme“, betonte Hanus.

Mit den derzeitigen Bau- und Ausbaumaßnahmen hat man bereits Platz für 116 weitere Kinder geschaffen. Wenn alles fertig ist, sollen es rund 200 sein. Damit hofft man, bis Ende 2025 genügend Plätze anbieten zu können- insgesamt 2193. Der Knackpunkt sind jedoch hier wie andernorts die fehlenden Fachkräfte. Dies umso mehr, als für die kleineren Kinder mehr Personal benötigt wird. Derzeit seien etwa 15 bis 20 Stellen unbesetzt, so Kessing. Er kritisierte auch, dass Hilfskräfte und Auszubildende nicht auf den ohnehin sehr hohen Personalschlüssel angerechnet würden. So seien manchmal zwei Personen anwesend, aber nur eine zähle. „Die Ansprüche in Baden-Württemberg sind durch die Decke gegangen. Das muss man sich erst mal leisten können.“

Schulplanung Bei den Schulen habe sich die Planungsgrundlage stärker verändert als bei der Kinderbetreuung, erklärte Hanus. „Die Wohnbauentwicklung war nicht so dynamisch wie prognostiziert“, erklärte er. Aktuell gebe es 1145 Grundschulkinder, bis 2028 rechne man mit 1820. Was die weiterführenden Schulen betrifft, hält der Run aufs Gymnasium an. „Es zeichnet sich ab, dass die Nachfrage dort auf bis zu 49 Prozent steigt“, so der Erste Bürgermeister. Realschulen seien gleichbleibend bei 32 Prozent gefragt, für die Gemeinschaftsschulen dagegen wird mit geringeren Schülerzahlen gerechnet. Deshalb gibt es Überlegungen, die beiden Gemeinschaftsschulen – die Schule im Sand und die Waldschule – zusammenzuführen und am Standort der Waldschule als eine dreizügige Schule weiterzuentwickeln. Dort sei ein Anbau an die Realschule möglich. „Dadurch würde auch der Schulcampus Bissingen gestärkt“, sagte Hanus. Außerdem könnten Sanierungen und bauliche Erweiterungen im Vergleich zu den ursprünglichen Planungen reduziert werden, was Geld spare, das man anderswo gut gebrauchen könne. Bis es soweit ist, ziehen aber drei bis vier Jahre ins Land, so die Schätzung von Kessing. Im Hinblick auf die Kosten wollte man sich so früh nicht festlegen. Entscheiden muss ohnehin der Gemeinderat nächste Woche.

In den vergangenen Jahren habe man 45  Millionen Euro in die Kinderbetreuungseinrichtungen investiert, 55 Millionen Euro in die Schulen, machte Kessing deutlich. Ob man für die weiteren Pläne Geld leihen muss? „Ich bin bis 2028 gewählt, und bis dahin werden keine Kredite aufgenommen“, betonte er.

Mehr Räume für die Gymnasien benötigt man eventuell, falls eine Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums wie beantragt genehmigt wird. Ob dies der Fall sein wird, stehe noch in den Sternen. „Aber Ausweichräume an der Schwarzwaldstraße sind ja nicht aus der Welt“, so der Oberbürgermeister.

Mobilitätsplanung Ebenfalls vorgestellt wurde die Mobilitätsplanung, die jedoch nichts bahnbrechend Neues enthält. Ziel ist, bis 2035 umweltschonenden Verkehrsmitteln – wozu auch die eigenen Füße gehören – mehr Nutzer zu verschaffen. Der Anteil der mit dem eigenen Fahrzeug zurückgelegten Wege in der Stadt soll sinken, der Verkehr flüssiger laufen. Der ÖPNV soll auch in den Stadtteilen ausgebaut und preislich attraktiver werden. Bislang vernachlässigt wurden Fußgänger. Für sie soll nun ein Fußverkehrsplan erarbeitet werden, bei dem auch eine bessere Aufenthaltsqualität und Sicherheit im öffentlichen Raum eine Rolle spielen sollen. „Wir dürfen die einzelnen Maßnahmen nicht isoliert betrachten, weil alles miteinander zusammenhängt“, so Baubürgermeister Michael Wolf. Unter den Empfehlungen des Mobilitätsplans und des dazugehörigen Maßnahmen-Fahrplans seien auch einige Aufreger – von einer möglichen Westtangente über Parkgebühren in der Innenstadt, das E-Scooter-Leihsystem oder der Bau einer Fahrradbrücke über die Enz in den Mühlwiesen. Das werde sicher zum Teil heftige Diskussionen geben, meinte Wolf. „Aber ohne Veränderungen und auch Einschränkungen wird es nicht gehen.“