Im Bietigheimer Forst kann man beim Spazierengehen die Überreste alter Bunker sehen und auch besichtigen. Sie waren Teil der Neckar-Enz-Stellung, die 1935 erbaut wurde, um einen Angriff von Westen abzuwehren.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Bietigheim Bissingen - Nach zweieinhalb Stunden ist die Osterwandergruppe an ihrem Ziel angelangt. Roland Essig (53) zieht einen Schlüssel hervor und schließt die Vorhängeschlösser an der schweren Eisentür auf. In Zweiten Weltkrieg haben sich vier Mann in diesem Maschinengewehr-Schartenstand in den Enzwiesen aufhalten können. Zur Verfügung standen ihnen vier einfache Feldbetten, ein Telefon, eine Kochstelle und eine Belüftungsanlage, einfache Karbidlampen – und ein Bunkerklo. Und für den Notfall ein Notausgang, durch den sie sich ins Freie hätten schaufeln können. Wohl war ihnen vermutlich trotzdem nicht ums Herz gewesen.

 

Roland Essig ist ein Bunkerfreak

Heute ziehen die Wanderer auf der Bunkerroute durch den Bietigheimer Forst nur den Kopf ein, klettern durch den niedrigen Eingang in ein Museum und staunen über die steinernen Überbleibsel des Krieges. Alles ganz harmlos. Es ist nicht die erste Gruppe, die Essig, der sich als Bunkerfreak bezeichnet und Schornsteinfeger von Beruf ist, hier durchführt. Seit 30 Jahren faszinieren ihn Befestigungen vom Hohen-asperg bis zur französischen Maginot-Linie. Als Essig Familienvater und das Reisen schwieriger wurde, fing er an, vor der eigenen Haustür zu suchen. Die alten Menschen hatten von Bunkern in der Gegend erzählt. Im militärgeschichtlichen Archiv Freiburg fand Essig die Pläne zur 86 Kilometer langen Neckar-Enz-Stellung von Eberbach nach Enzweihingen. Diese Verteidigungslinie, die sich entlang des Flusslaufs von Neckar und Enz zog, sollte Deutschland vor einem Angriff aus dem Westen schützen. Da der Versailler Vertrag von 1918 Deutschland innerhalb einer 50-Kilometer-Zone östlich des Rheins die Existenz militärischer Anlagen verbot, hatte man 1935 mit dem Bau begonnen. Unter großer Geheimhaltung. Es gibt jedoch Dokumente, die belegen, dass der französische Geheimdienst bereits 1935 von dem Bau der Verteidigungslinie wusste.

Spurensuche im Gelände mit den alten Pläne

Auch Roland Essig hat sich mit den alten Plänen ins Gelände begeben und wurde fündig. Der Bunker 302 mit seiner Schartenplatte 7P7 gilt als einmalig, weil er fast unverändert mit zehn Zentimeter dicker Stahlplatte samt Luke erhalten ist. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs sollten die Bunker gesprengt werden. Das war die Anweisung der alliierten Siegermächte. Für den Bunker 302 galt jedoch eine Ausnahme. Er lag an einem Brunnen für die Wasserversorgung Bietigheims. Und so blieb er unversehrt – und ebenso unbenutzt wie unbemerkt. Das endete erst, als die Stadt ihn 2008 nicht mehr brauchte, und Roland Essig und Heinz Schütt ihn pachteten.

Heute ist er eine Station auf dem Bunkerweg durch den Bietigheimer Forst. Die restlichen Bunker wurden gesprengt. Aber ihre Überreste, die von Efeu und Moos überwachsen im Winterwald besonders gut sichtbar sind, haben die Zeit überdauert. Roland Essig lässt auch sie sprechen. So gab es neben Schutzbunkern Scheinanlagen, welche die Aufmerksamkeit der Angreifer auf sich ziehen sollten. Und durch den Unterstand, der wie ein Einstieg in die Unterwelt aussieht, liefen die Telefonleitungen zwischen den Bunkern.