Bietigheim-Bissingen zeigt „Lurchi & Co.“ Wahre Liebe oder nur ein Trick?

„Am Himmel da leuchten die Sterne und auf Erden die Lurchi-Laterne.“ Foto: Stadtmuseum Hornmoldshaus

Mecki, Knax oder Lurchi – viele Produkte haben sich mit drolligen Werbefiguren in unsere Herzen geschlichen. Warum wirkt „Cute Marketing“ noch Jahre später?

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Man könnte spitzfindig sein und fragen: Gibt es überhaupt einen Unterschied zwischen sauber und rein? Aber selbstverständlich, werden sehr viele Menschen sofort sagen, mit einem herkömmlichen Waschmittel wird die Wäsche zwar sauber, aber eben nicht zwangsläufig rein. Denn das hat Klementine ganze Generationen gelehrt, wenn sie Abend für Abend im Fernsehen als selbst ernannte „Waschmaschinenexpertin“ erklärte: „Ariel wäscht nicht nur sauber, sondern rein.“

 

In den meisten Fotoalben kleben Bilder von Eltern, Omas und Opas, Tanten und Onkels. In den Köpfen gehören zur Erinnerung an die Kindertage aber weit mehr Personen und Figuren, mit denen man oft mehr Lebenszeit verbrachte als mit der Verwandtschaft. Zum Beispiel mit Herrn Kaiser von der Hamburg-Mannheimer Versicherung („Mami, Mami, der Mann von der Hamburg-Mannheimer“), mit Dr. James Best, Frau Antje oder auch dem Meister Proper mit der spiegelglatten Glatze. Und auch Klementine gehörte zum Fernsehabend, die kompakte Klempnerin mit Latzhose und kessen Grübchen. Heute würde man all diese Werbebotschafter wohl Influencer nennen.

Man könnte spitzfindig sein und fragen: Ist es eigentlich in Ordnung, dass profitgierige Unternehmen und unmoralische Werbestrategen ganze Generationen so hemmungslos manipulierten, dass sie noch heute, Jahrzehnte später, in Scharen in eine Ausstellung strömen, weil sie vor allem die kleinen Freunde ihrer Kindheit wieder treffen wollen: Mecki, Lurchi und den Hustinettenbär, den Nesquik-Hasen und den Erdal-Frosch, den Blendi-Biber und den feschen Matrosen der Ahoj-Brause. Der ist einer der Ältesten in der fröhlichen Runde. Die Brausewürfel wurden 1925 in Stuttgart erfunden.

Ein Stück Kulturgeschichte

Ob sie sich nun über TV-Spots oder Anzeigen in die Herzen schlichen, als Comichelden oder Spielzeug, letztlich repräsentieren diese realen wie gezeichneten Werbefiguren ein Stück Kulturgeschichte. Deshalb widmet sich das Stadtmuseum im Hornmoldhaus in Bietigheim-Bissingen in einer Sonderausstellung „Lurchi & Co.“ Im Zentrum steht der Feuersalamander Lurchi, der auf besondere Weise Regionalgeschichte schrieb als Werbefigur für den Schuhhersteller Salamander in Kornwestheim. Seine Spuren führen aber auch nach Bietigheim zu Günther Bentele, der als Lehrer in Kornwestheim arbeitete und die Texte zu einigen Lurchi-Heften dichtete. Als Zeichner stand ihm Dietwald Doblies (1962–2021) zur Seite.

Wer Lurchi kennt, der kennt mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Schuhmarke Salamander. Als 1937 die Figur erfunden wurde, ging es dem Hersteller weniger darum, die Kundschaft von morgen möglichst früh an die Marke heranzuführen. Mit den Comicheften zu Lurchis Abenteuern wollte man die Kinder im Laden beschäftigten, damit ihre Eltern in Ruhe Schuhe anprobieren konnten. Die Texte der ersten Hefte dichtete der damalige Generaldirektor der Salamander AG, Alex Haffner, höchstpersönlich.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg nahm man Kinderschuhe ins Sortiment und konzipierte hierzu nun ein fürs Marketing durchaus fortschrittliches Lurchi-Universum mit Heftchen und Hörspielen, Figuren und Spielgeräten rund um Lurchi und seine Freunde. Die Schallplatten (oder eher Schallfolien aus weißem Kunststoff) wurden vom Süddeutschen Rundfunk produziert und selbstverständlich an die Kleinstkunden verschenkt. Da Geschenke bekanntlich die Freundschaft erhalten, wurden sehr viele Lurchi-Produkte großzügig weitergereicht: Bälle, Puzzles, Malbücher, Stundenpläne. Auch auf Rucksäcken und Trinkflaschen wurde im Lauf der Jahrzehnte die Salamander-Botschaft in die Welt getragen: „Weil Kinder lustige Schuhe wollen und Eltern gesunde“.

Der Rundgang als Déjà-vu

Man staunt, wie vielfältig Lurchi-Marketing betrieben wurde, sodass nun eine komplette Vitrine im Hornmoldhaus bestückt werden kann. Aber auch sonst ist die Ausstellung beeindruckend. Sie basiert auf der Sammlung von Ulrich Gohl. Der Stuttgarter Historiker trägt seit Jahren Werbefiguren zusammen. Der Rundgang ist ein nostalgisches Déjà-vu, weil wohl jeder, der hierzulande aufgewachsen ist, die ein oder andere Figur kennt: Biba-Blendi, den Biber mit den blitzblank geputzten Zähnen. Die lachende Kaffeekanne, die Kaiser’s Tengelmann 1964 erfand. Natürlich die tanzenden Maiskolben von Bonduelle.

Die Volksbank hatte Marc & Penny, die Sparkasse Knax und die Dresdner Bank den Elefanten Drumbo, der als Spardose in den Regalen stand und vom erfolgreichen Designer Luigi Colani gestaltet worden war. Auch die Pharmaindustrie hat sich immer schon gern kindernah präsentiert – mit Tonsinchen von Meditonsin, einem Tropfen mit Beinen und Knollennase. Vinnie Vac, das Impfmännchen, nimmt spielerisch den Kampf mit Krankheitsviren auf.

Bis heute sind Tiere besonders beliebte Werbebotschafter – auch dort, wo man sich gar nicht an Kinder richtet. Für den Baumarkt Obi ist ein Biber im Einsatz, während die Deutsche Bahn 1994 Max Maulwurf ins Rennen schickte, der zunächst in Berlin die Zuggäste während des Ausbaus des Netzes begleiten sollte. Von 2003 kam der Maulwurf sogar bundesweit immer dann zum Einsatz, wenn gebaut oder saniert wurde. Erst im vergangenen Jahr wurde das emsige Kerlchen in den Ruhestand geschickt.

Seitdem es Werbung gibt, greifen Unternehmen auf Tiere zurück. Von „Cute Marketing“ spricht man heute, wenn gezielt auf Niedlichkeit gesetzt wird, um die Kundschaft zu verführen. Eine bewährte Strategie, denn ob süße Kinder oder possierliche Tiere – alles, was niedlich ist, erhöht die Chancen, dass unser Gehirn das Glückshormon Dopamin wie auch das Kuschelhormon Oxytocin ausschüttet. Im Idealfall verbindet man Zahnpasta oder Kondensmilch dann fortan nicht nur mit Biber oder Bär, sondern auch mit einem wohligen Gefühl.

Der Ikea-Elch ist in Deutschland nicht allzu beliebt

Allerdings geht die Rechnung nicht immer auf. Der Elch von Ikea ist in den Niederlanden zwar erfolgreich, in Deutschland hat er sich dagegen nicht durchgesetzt. Und auch Typen wie der Persil-Mann, der vor ein paar Jahrzehnten noch Vertrauen weckte, wirken heute unsympathisch.

Wie wirksam die meisten Figuren und Influencer aber waren, das spürt man in der Ausstellung auf jeder Etage von Neuem, weil man immer wieder wie reflexhaft „Ach, stimmt ja“ rufen könnte. Viele dieser Werbeträger haben sich eher unbewusst ins Gedächtnis gebrannt, ob es der Bausparkassen-Fuchs ist oder der Löwe von Löwenbräu. Und natürlich Mecki, der ursprünglich eine Figur aus einem Puppenfilm war, seinen großen Durchbruch aber 1949 hatte, als er eine Karriere als Maskottchen der Fernsehzeitschrift „Hörzu“ startete. Mecki war wie Lurchi vielseitig unterwegs. Mit seiner Frau Micki und den Kindern Macki und Mucki machte er nicht nur in der TV-Zeitschrift Karriere, sondern auch in Büchern, Trickfilmen und als Stofftier, für das Steiff die Lizenz erhielt. Auch in den täglichen Sprachgebrauch hat es der Igel geschafft und ist der Namensgeber des Mecki-Haarschnitts.

Dabei müssen die Erfindungen der Werber nicht mal immer höchsten Ansprüchen genügen, um nachhaltig zu wirken. So liebevoll die Entwürfe und Zeichnungen von Günther Bentele und dem Zeichner Dietwald Doblies sind – im Lauf der Jahrzehnte sind mehr als 150 Lurchi-Heftchen erschienen. Bei den zahllosen Abenteuergeschichten des Salamanders und seiner Freunde Hopps, Piping, Mäusepiep, Igelmann und Unkerich kann man nicht immer große Dichtkunst erwarten. Hier finden sich auch eher schlichte Verse wie „Der ganze Kindergarten ist dabei, bei Lurchis Osterbastelei“ oder „Am Himmel da leuchten die Sterne und auf Erden die Lurchi-Laterne“.

Dass Kinder heute oftmals lilafarbene Kühe malen, zeigt, wie enorm einflussreich die Erfindungen der Werber und Gestalter sein können. Soziologen haben bei den lila Kühen aber zumindest Entwarnung gegeben: Studien zufolge denken auch heutige Stadtkinder nicht, dass es sie in der Natur gäbe. Sie malten sie lila, weil sie es lustig fänden – und offenbar mehr Spaß haben an den Motiven der Werbewelt als an der Realität.

In der Werbung ist die Welt in Ordnung – deshalb ist sie beliebt

In der Werbung ist die Welt noch in Ordnung – oder kann sehr leicht wieder in Ordnung gebracht werden. Deshalb braucht man auch nicht gleich in die Luft gehen, schmutzige Hemden werden nicht nur sauber, sondern rein, und Hände kann man schon beim Spülen pflegen. So macht Werbung nicht nur Kinder froh, sondern Erwachsene ebenso.

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