Bike-Zentrum bei Freiburg Eine zweite Chance für Ex-Radprofi Jan Ullrich?

Der Ex-Radprofi Jan Ullrich im Jahr 2004 bei der 15. Tour der France. Foto: AP/Peter Delong

Der ehemalige Radprofi Jan Ullrich will in seiner Heimat in Merdingen bei Freiburg ein Bike-Zentrum und ein Jan-Ullrich-Museum errichten. Nach seinem tiefen Fall und etlichen Skandalen löst das eine Debatte in der Gemeinde aus.

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Merdingen - Der gefallene Held will wieder aufstehen – dort, wo er vor einem Vierteljahrhundert eine Heimat, viele Fans und eine Liebe gefunden hatte: Jan Ullrich (47), erster und einziger deutscher Sieger der Tour de France im Jahre 1997, wohnt wieder in Merdingen am Tuniberg im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, 16 Kilometer westlich von Freiburg. Das 2500 Einwohner zählende Winzerdorf ist in erster Linie bekannt für seine Weine, aber auch als Wahlheimat des in Rostock geborenen Radrennfahrers mit seiner kurvenreichen Biografie. Dem Tour-Sieg und der olympischen Goldmedaille folgte ab 2006 eine beispiellose Schleuderfahrt, nachdem Ullrich des Blutdopings verdächtigt und nach zähem Leugnen überführt wurde.

 

Ullrich will neu starten

Nach zwei Trennungen, Alkohol am Steuer, Verkehrsunfall, Verurteilung wegen Körperverletzung und einem langen Entzug will Jan Ullrich nun in der Gemeinde, die eine Straße nach ihm benannt hat, neu starten. Zusammen mit seinen Freunden Dirk und Mike Baldinger – beide aus Merdingen, aber nicht nahe verwandt – will er ein nach ihm benanntes „Jan-Ullrich-Bike-Zentrum“ im Gewerbegebiet errichten und betreiben. Gemeint ist ein Fahrradgeschäft mit Werkstatt, ein italienisches Restaurant, ein Vélo-Café, ein Übernachtungshaus für Radtouristen – und ein Jan-Ullrich-Museum. Eigentlich sollte auch noch eine Spielhalle dabei sein, aber dagegen erhob sich nach Bekanntwerden des Vorhabens umgehend Protest. Nahe des möglichen Bauplatzes befindet sich ein Jugendfußballzentrum. Eine Bürgerinitiative sammelte rasch und ohne Mühe die notwendigen Stimmen für ein Bürgerbegehren.

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Das wird nun gegenstandslos, denn die Investoren um Jan Ullrich ließen per Anwalt erklären, die Spielhalle wollten sie „nicht mit der Brechstange durchsetzen“. Und der Merdinger Gemeinderat, der dem Projekt im April grundsätzlich mit knapper Mehrheit grünes Licht gab, hat in seiner Sitzung am 29. Juni den Verzicht auf die Spielhalle zur Grundlage dafür gemacht, die Planung des Bike-Zentrums „weiterzuführen und positiv zu unterstützen“. Der Gemeinde gehört das Grundstück, auf dem dem das Projekt entstehen soll. Die Investoren um Ullrich sind bisher nicht als Tourismusunternehmer aufgefallen, sie stellen aber einen erheblichen Anstieg an Tages- und Übernachtungsgästen aus der weltweiten Radlerszene in Aussicht.

„Noch viele Fragen offen“

„Es ist noch ein sehr langer Weg bis dahin“, dämpft Merdingens junger Bürgermeister Martin Rupp (36) die Erwartungen. Der parteilose, 2014 gewählte Historiker und Politologe, stammt aus einer anderen Weingemeinde in Südbaden, er kennt wie viele in seiner Altersgruppe, Jan Ullrichs große Zeit nur vom Hörensagen. „Es sind noch sehr viele Fragen offen“, lässt Rupp Vorsicht und Zurückhaltung erkennen. Die Investoren müssten nun erst einmal ihr Konzept überarbeiten, nachdem die Spielhalle wegfällt, die ein Pfeiler der Finanzierung war. Zudem müsse mit Regierungspräsidium und Regionalverband geredet werden, inwieweit das Radgeschäft Auswirkungen auf die Gewerbestruktur der Region habe. Ein neuer Bebauungsplan für das Areal wäre nötig, Handel im großen Stil ist dort derzeit nicht erlaubt.

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Eine zweite Chance verdient

Zur Person Jan Ullrich gibt es in der Gemeinde naturgemäß unterschiedliche Meinungen. Ein Kenner der Szene drittelt sie in positiv, neutral und ablehnend. Der wichtigste Satz der Ullrich-Unterstützer lautet: Jeder hat eine zweite Chance verdient. Die Gegner des Projekts bezweifeln hingegen, dass der Name Jan Ullrich in der Radfahrer-Szene überhaupt noch Zugkraft hat, sodass er für Merdingen Profit bringen könnte. Jan Ullrich selbst hat auf einer öffentlichen Bürgerversammlung erklärt: „Ich habe schwere Phasen gehabt und bin froh, wieder in Merdingen zu sein.“ Er habe am Ort viele Freude und eine Tochter, das habe ihm geholfen und wieder Energie zurückgebracht. Freund Mike Baldinger, ehemaliger Motorradrennfahrer, erklärte bei der gleichen Gelegenheit: „Jungen Leuten müssen wir zeigen, dass man nach einem Tief wieder aufstehen kann und das verkörpert der Jan.“

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