Das Amtsgericht Stuttgart hat viel mit Bußgeldverfahren zu tun, steht aber noch bei einem ganz besonderen Thema vor einer großen Herausforderung.

Stuttgart - Der Führerschein als amtliches Dokument der Fahrerlaubnis ist in Deutschland etwas ganz Wichtiges. Für viele fast ein Heiligtum, für das es zu kämpfen lohnt, wenn Gefahr einer Aberkennung droht, auch wenn diese nur vorübergehend angeordnet wird. Diese Erfahrung machen auch die Richter des Amtsgerichts Stuttgart. „Geldstrafen treffen die Leute kaum, selbst bei einer Anhebung des Betrages. Aber wegen drohender Fahrverbote oder Punkte im Fahreignungsregister wird vor Gericht deutlich mehr gestritten“, sagt Richterin Monika Rudolph, die am Amtsgericht hauptsächlich für Straf- und Bußgeldsachen zuständig ist.

 

Ein solches Fahrverbot können Richter nach der Neufassung des Paragrafen 44 des Strafgesetzbuchs seit August 2017 auch verhängen, wenn die begangene Straftat nicht in Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs stand. Kommt beispielsweise ein Geschiedener nicht seiner Pflicht der Unterhaltszahlung für sein Kind nach, kann ein Gericht als Strafe nun auch ein Fahrverbot anordnen. „Aber da haben wir noch zu wenig Erfahrungen gesammelt. Tatsächlich hatten wir bisher noch keinen solchen Fall“, bekannte der Amtsgerichtspräsident Hans-Peter Rumler im Rahmen eines Pressegesprächs am Montag.

Gesetzgeber hat reagiert

Sehr viel Erfahrung haben die Gerichte indes mit Vorfällen, denen die Nutzung eines Handys ohne Freisprechanlage während der Fahrt zugrunde liegt. Wurden solche telefonierenden oder Mitteilungen schreibenden Autofahrer von der Polizei erwischt, gab es für diese Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld in Höhe von 60 Euro. Clevere Zeitgenossen nutzten zuletzt eine ungenügende Formulierung in der Straßenverkehrsordnung, um vor Gericht gegen solche Bußgeldbescheide erfolgreich zu klagen. Der Gesetzgeber hat inzwischen reagiert und spricht in der Neufassung des Paragrafen 23 nun von einem „elektronischen Gerät“, das vom Fahrer zur Nutzung „weder aufgenommen noch gehalten“ werden dürfe. „Diese Neuregelung ist sehr zu begrüßen“, sagen Rumler und Rudoph, schließlich sei die Beweislage für Polizei und Gerichte davor „sehr schwierig gewesen“. Nach der seit 19. Oktober 2017 wirksamen Regelung des Paragrafen 23 Absatz 1a der Straßenverkehrsordnung (StVO) beträgt die Geldbuße 100 statt bisher 60 Euro, außerdem gibt es einen Punkt in Flensburg. Bei schweren Verstößen mit einer Gefährdung drohen 150 Euro Strafe, bei Sachbeschädigung sogar 200 Euro, außerdem in beiden Fällen ein Fahrverbot von einem Monat sowie zwei Punkte im Fahreignungsregister. Im Übrigen erlaubt auch das Halten an einer roten Ampel nicht die Bedienung eines Smartphones, selbst wenn der Motor durch Start-Stopp-Automatik kurzfristig ausgeschaltet sein sollte. Der Gesetzgeber verlangt einen vollständig ausgeschalteten Motor und das Abstellen eines Fahrzeuges, ehe der Fahrer ein elektronisches Gerät in die Hand nehmen dürfe.

Platz für drei Kilometer Akten freigemacht

Bußgeldangelegenheiten sind Massenverfahren und beschäftigen die über 50 Richter am Amtsgericht Stuttgart häufiger als Strafverfahren. Das „aktuell größte Thema für uns“ (Rumler) liegt jedoch auf einem ganz anderen Feld. Die mit Jahresbeginn 2018 in Kraft getretene Notariatsreform stelle enorme organisatorische Herausforderungen dar. Man habe im Keller „Platz für drei Kilometer Akten freigemacht“, so Rumler, um Testamente, Grundstückskaufverträge und weitere notarielle Urkunden aus 2833 laufenden Betreuungs- und 1163 offenen Nachlassverfahren der aufgelösten Bezirksnotariate einzulagern. In einer Übergangsphase werde es deshalb zu längeren Wartezeiten und eingeschränkten Sprechstundenzeiten kommen. Hans-Peter Rumler: „Wir können ja schlecht drei Monate ganz zumachen, bis die Umstellung abgeschlossen ist. Der Bürger erwartet Kontinuität.“