Schwarz-Rot? Schwarz-Gelb? Schwarz-Grün? Angela Merkel ist es ziemlich egal, mit wessen Hilfe sie regieren darf. Das ließ sie sogar im schönsten Augenblick erkennen, der Union und FDP seit geraumer Zeit vergönnt war: in der Nacht zum 28. September 2009, als der Wahlsieg feststand. Ungeachtet aller Jubelrufe und der Huldigungsgesänge auf das bürgerliche Bündnis machte Merkel deutlich, dass sie sich nicht als Frontfrau eines Lagers vereinnahmen lassen will. Ihr Anspruch klingt größer als großkoalitionär: „Mein Verständnis war und ist es, dass ich Bundeskanzlerin aller Deutschen sein möchte“, sagte sie. Und als solche wird sie offenbar bis heute wahrgenommen. Merkel genießt Rückhalt in allen Lagern.

 

Die Wähler urteilen schizophren. Sie sind der Koalition überdrüssig, die seit 2009 regiert, aber deren Chefin wollen sie partout behalten. Dank ihres präsidialen Politikstils ist es Merkel gelungen, den Niederungen der schwarz-gelben Alltagsquerelen zu entschweben. Sie benahm sich bisweilen so, als gehe es sie gar nichts an, was die eigenen Leute mal wieder nicht zustande gebracht haben oder worüber sie sich zankten. Nur so erklärt sich, weshalb zwei von drei Bürgern Merkel in Umfragen ihr Vertrauen bekunden.

Offenbar verzeiht ihr das Wahlvolk Brüche, abrupte Kurskorrekturen und plötzliche Volten, an denen es in Merkels Regierungszeit nicht mangelte. Im Herbst 2010 ließ sie eine Umkehr des Atomausstiegs durchpeitschen, um wenige Monate nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima prompt das Ruder wieder in die andere Richtung herumzureißen und einen beschleunigten Ausstieg zu beschließen. Wenig prinzipientreu verhielt sie sich auch in der Eurokrise. Zunächst wollte sie für die Schuldensünder in Griechenland keinen Cent deutsches Steuergeld riskieren. Später wurden es Milliarden. Erst wandte sie sich gegen einen Rettungsschirm, dann gegen einen dauerhaften – um sich letztlich exakt dafür zu verkämpfen. Gleichwohl finden selbst eine Mehrheit der Grünen-Anhänger und immerhin die Hälfte der SPD-Wähler ihren Krisenkurs gut. Vielleicht liegt das auch daran, dass Merkel nie so getan hat, als habe sie ein Patentrezept gegen die Krise. Ihr unideologisches, pragmatisches und letztlich (bis jetzt zumindest) erfolgreiches Handeln wird honoriert.

Merkel hat sich im Laufe ihrer Amtszeit weit von dem entfernt, was zu Beginn ihr Markenkern schien: Anfangs galt sie als kühle Reformerin, inzwischen bedient sie sich ohne Scheu im politischen Baukasten der SPD. Geschadet hat es ihr nicht. Das gilt auch für diverse Kollateralschäden. Zwei von Merkel erwählte Bundespräsidenten sind ihr vorzeitig abhandengekommen. Die CDU hat Landtagswahlen in Serie verloren – und in der Folge auch die Regierungsmacht in Baden-Württemberg, was ehedem als konservatives Stammland gegolten hatte, in Nordrhein-Westfalen, Hamburg und zuletzt in Niedersachsen.

Gleichwohl hat die Merkel-CDU in Umfragen wieder ein Niveau wie zu Helmut Kohls Zeiten erreicht. Selbst ein Wahlsieg und eine Fortsetzung der Koalition mit der schwächelnden FDP scheint denkbar. Ansonsten würde die Bundeskanzlerin aller Deutschen auch mit anderen Partnern regieren. (kä)

In der ersten Zeit seiner Amtszeit musste sich Wirtschaftsminister Philipp Rösler vor allem um seine Partei kümmern. Als FDP-Vorsitzender sah er sich heftigen Anfeindungen ausgesetzt. Immer wieder wurde bei den Liberalen über Röslers Sturz nachgedacht. Darunter litt auch seine Autorität als Wirtschaftsminister. Erst in den vergangenen Monaten hat der fleißige Ressortchef an Sicherheit gewonnen. Im Tagesgeschäft ist Rösler präsent. Ob Energiewende, Handelsstreit mit China oder bei der Fluthilfe – Rösler packt Themen beherzt an. Große Reformen sind mit seinem Namen aber nicht verbunden. Das liegt auch daran, dass sein Ressort häufig anderen Ministerien zuarbeitet. In der Energiepolitik muss sich Rösler mit dem Umweltminister abstimmen. Dabei versucht er, einen ordnungspolitischen Kurs durchzusetzen. Gerade bei der Energiewende zeigt sich aber, dass sein Einfluss Grenzen hat. Das Wirtschaftsministerium treibt zwar den Ausbau der Leitungsnetze voran, dennoch sind noch viele Arbeiten unerledigt. Wirtschaft und Verbraucher müssen steigende Strompreise befürchten. Bei der Energiewende hinkt die Regierung ihrem Zeitplan hinterher. Dafür ist aber nicht nur der Wirtschaftsminister verantwortlich zu machen, da die Länder Vorschläge der Regierung ablehnten. Als Vizekanzler zeigt der Wirtschaftsminister zu wenig Profil. Rösler hat aus seiner starken Stellung im Kabinett nicht genug gemacht. (rop)

Gesamtnote 3-4

Wolfgang Schäuble – Finanzen

Mit seinen 70 Jahren ist Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nicht amtsmüde. Mit eiserner Disziplin und unermüdlichem Einsatz absolviert der Badener ein Mammutprogramm: Gipfel, Finanzministertreffen und Telefonkonferenzen prägen seinen Alltag. In seinem langen Leben in der Politik hat Schäuble die Fähigkeit entwickelt, in langen Linien zu denken. Das hat sich im Krisenmanagement bewährt. Der Finanzminister achtet genau darauf, dass Hilfen an klamme Eurostaaten nur vergeben werden, wenn die Länder Reformen einleiten. Der harte Kurs trägt Schäuble in Europa viel Kritik ein, kommt aber in Deutschland gut an. Schon wegen seiner Erfahrung ist er der wichtigste Minister im Kabinett. In der Haushaltspolitik hätte Schäuble mehr Ehrgeiz an den Tag legen können. Trotz guter Konjunktur und Steuereinnahmen lässt der ausgeglichene Etat auf sich warten. Immerhin ist die Nullverschuldung in Sicht. Beim Steuerabkommen mit der Schweiz beging der Taktiker den Fehler, die Länder zu spät einzubinden. An Schäubles guter Bilanz ändert das wenig. (rop)

Gesamtnote 1-2

Thomas de Maizière – Verteidigung

Nachdem der charismatische, aber halbseidene Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wegen Plagiaten in seiner Doktorarbeit zurückgetreten war, kam ein Typ wie Thomas de Maizière (CDU) als Nachfolger wie gerufen: nüchtern, akribisch, fleißig und ganz in der Rolle des – allerdings durchaus autoritären – Dieners seiner Aufgabe versprach er Ruhe in die Truppe und Solidität in die Bundeswehrreform zu bringen. Administrativ ist ihm das einigermaßen gelungen. Aber als zentrale Führungsfigur für die Bundeswehr begann er zu patzen, seit er durch eine breitere thematische Aufstellung und ein allerdings nur verklausuliertes Bekenntnis einen Drang zu höheren Aufgaben – zur Kanzlerschaft – erkennen ließ. Nicht erst als er den Soldaten vorwarf, sie „gierten“ nach Anerkennung, und als er mit unausgegorenen Überlegungen zur Ehrung von Veteranen Unruhe in die Streitkräfte brachte, sanken die Stimmung in der Truppe und das Vertrauen in die Reform auf ein rekordhaft niedriges Niveau. Seine Fehler finden in dem Debakel um die Anschaffung der Aufklärungsdrohne Euro Hawk ihren Höhepunkt. Es untergräbt sein Image als penibler Arbeiter, dass er die Brisanz der Zulassungsprobleme lange ignorierte. Es zerstört sein Bild eines ehrlichen Sachwalters, dass er Parlament und Öffentlichkeit mit seinen Aussagen mindestens in die Irre geführt, wenn nicht getäuscht hat. Deshalb muss er sich in seinen letzten Amtswochen einem Untersuchungsausschuss stellen und ist vom Schwergewicht zur Belastung geworden. (luß)

Gesamtnote 4

Ursula von der Leyen – Arbeit

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gehört zu den populärsten Kabinettsmitgliedern. Ihren Ruf als fortschrittliche Politikerin hat sie einst in der Großen Koalition als Familienministerin erworben. Für Eltern und Kinder mobilisierte sie früher Milliarden. Als Arbeitsministerin profitiert sie nun davon, dass die Erwerbslosenzahlen nach wie vor niedrig sind. Verbesserungen hat von der Leyen aber kaum erreicht. Die ehrgeizige Frau textete in den vergangenen vier Jahren lieber für die Medien als für das Gesetzblatt. Eine Rentenreform, mit der Niedrigverdiener im Alter bessergestellt werden sollten, ist trotz vollmundiger Ankündigungen gescheitert. Obwohl von der Leyen indirekt sogar mit Rücktritt drohte, kam das Vorhaben nicht voran. Die Gründe dafür liegen auch bei der Ministerin. Es zeigte sich, dass von der Leyen als Solistin agiert. Für ihre Pläne sucht sie erst spät Verbündete. Von der Leyen ist zwar stellvertretende CDU-Vorsitzende, in der Unionsfraktion fehlt es ihr aber an Rückhalt. Wegen ihrer vielen Alleingänge sind die Abgeordneten schlecht auf sie zu sprechen. Das nimmt sie in Kauf, weil sie die CDU auf Modernisierungskurs bringen möchte. Bei den Frauen in der Partei sammelt sie Punkte, weil sie für eine verbindliche Frauenquote kämpft. Da die Ministerin beim Publikum gut ankommt, sieht ihr die Kanzlerin manche Versäumnisse nach. (rop)

Gesamtnote 4+

Johanna Wanka – Wissenschaft

Johanna Wanka hat vom ersten Tag ihrer kurzen Amtszeit als Bundesbildungsministerin an klargemacht, dass sie gekommen ist, um zu bleiben. Wenn möglich auch nach der Bundestagswahl. Ein politischer Farbwechsel, weg von Schwarz-Gelb, hin zu einer Großen Koalition, müsste für die Mathematikprofessorin nicht das Aus bedeuten, denn in Brandenburg hat sich die 62-Jährige als Ministerin einer rot-schwarzen Koalition von 2000 bis 2009 bereits bewährt. Ins Amt verhalf ihr die Misere einer anderen: Annette Schavan hatte den Kampf um ihre Doktorarbeit verloren und musste im Februar den Ministersessel räumen. Wanka wiederum hatte nach der Niedersachsen-Wahl ihren Ministerjob in Hannover verloren. Ihr kam der Ruf der Kanzlerin deshalb gelegen. Die gebürtige Ostdeutsche ist seit ihrem Wechsel sehr präsent, auch wenn die Ergebnisse erwartungsgemäß wegen der Kürze der Amtszeit mager sind. Immerhin schaffte sie es, den Hochschulpakt gemeinsam mit den Ländern fortzuschreiben. Eine Bafög-Erhöhung wollte ihr aber nicht mehr gelingen. (tm)

Für eine Gesamtnote ist es noch zu früh.

Ilse Aigner – Verbraucherschutz

Über ihre Arbeit können die Wähler am 22. September kein Urteil fällen. Denn Agrar- und Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner wechselt von Berlin in die bayerische Landespolitik. Am 15. September will sie ein Mandat im bayerischen Landtag gewinnen. Wie einige ihrer Vorgänger hatte auch die CSU-Politikerin mit Lebensmittelskandalen zu tun. Und was den Dioxinskandal anbelangt, hat sie rasch den Teil an Änderungen umgesetzt, der in die Zuständigkeit des Bunds entfiel. Im Verbraucherschutz packte Aigner eine ganze Reihe von Maßnahmen an – von den Gebühren beim Bargeldabheben über die sogenannte Button-Lösung bei Internetkäufen bis zu den kostenlosen Warteschleifen bei Auskünften an Telefon-Hotlines. Was die Agrarpolitik anbetrifft, erwies sich Aigner als klassische CSU-Politikerin. Bei der milliardenschweren EU-Agrarförderung setzte sie keinen starken Akzent auf ökologischeres Produzieren, auf Arten- und Tierschutz. Ihren Christsozialen rät Aigner, auch künftig den Chefposten im Agrarressort für sich zu beanspruchen. Schließlich stehe jeder dritte deutsche Bauernhof in Bayern. (bwa)

Gesamtnote 3

Daniel Bahr – Gesundheit

Eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung hatten Daniel Bahr und sein Vorgänger Philipp Rösler ins Werk setzen wollen. Das ist in den vergangenen vier Jahren nicht gelungen. Mit seinem sogenannten Landarzt-Gesetz hat Bahr immerhin das Thema Ärztemangel in die Öffentlichkeit gerückt. Und er hat erste Konsequenzen aus dem Organspende-Skandal von 2012 gezogen. Bahr stand auch in der einmaligen Lage, nicht etwa Defizite der Krankenversicherung stopfen zu müssen, sondern große Überschüsse verzeichnen zu können. Das erlaubte dem FDP-Politiker, die Praxisgebühr abzuschaffen. Den Kliniken hat Schwarz-Gelb eine Sonderhilfe von mehr als einer Milliarde Euro zukommen lassen. Die Herkulesaufgabe, die Krankenhaus-Landschaft umzubauen (in manchen Großstädten gibt es zu viele Kliniken, während die Versorgung auf dem Land ausdünnt), steht für Bund und Länder in den kommenden vier Jahren an. An anderer Stelle kann die künftige Regierung auf einer Reform aufbauen, die noch Rösler durchgesetzt hatte: Er brach das Preismonopol, das die Pharmaindustrie bisher für neue patentgeschützte Arznei besaß. (bwa)

Gesamtnote 2-3

Peter Altmaier – Umwelt

Zuerst absolvierte Umweltminister Peter Altmaier (CDU) eine Popularitätsoffensive in eigener Sache. Dabei frönte er seiner Leidenschaft fürs Twittern intensiv und entschloss sich sogar, auf eine Seehundwaage zu steigen, die er bei einem seiner Antrittsbesuche in den Ländern passierte. Danach aber landete Altmaier schnell in den Niederungen der Energiewende, wo es extrem schwer ist, unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen. Massiven Unmut bei der Energiewirtschaft und bei den Umweltverbänden zog sich Altmaier zu, als er Horrorzahlen zur künftigen Strompreisentwicklung in die Welt setzte. Seine mit viel Brimborium geforderte Strompreisbremse scheiterte, auch die Wertstofftonne musste er von der Agenda nehmen. Wider Erwarten gelang es ihm zum Schluss aber, die neue Suche nach einem Endlager wieder zu aktivieren. Jetzt wird das Gesetz fristgerecht geschlossen, und Altmaier hat einen veritablen Erfolg in seiner Bilanz stehen. (luß)

Gesamtnote 3+

Kristina Schröder – Familie

Das Wirken Kristina Schröders lässt sich mit einer Reihe von Superlativen beschreiben: Sie ist die Jüngste im Kabinett, die erste Ministerin überhaupt, die während ihrer Amtszeit Mutter wurde. Sie war aber auch die erfolgloseste Ministerin einer ohnehin nicht sonderlich glänzenden Kabinettsriege. Schröder konnte sich nie aus dem Schatten ihrer effektvollen Amtsvorgängerin Ursula von der Leyen befreien. An deren populärste Erfindung, das Elterngeld, hat sie den Rotstift angesetzt. Schröders eigene Projekte haben nicht annähernd ähnlich Furore gemacht. Die Familienpflegezeit erweist sich als Flop, aus der Großelternzeit ist bisher nichts geworden. Mit einer flexiblen Frauenquote hat Schröder zwar die Kanzlerin auf ihrer Seite, aber in der eigenen Fraktion fast einen Aufstand ausgelöst. Zudem verdarb sie es sich mit sämtlichen Emanzen, als sie ein ketzerisches Buch zum Thema veröffentlichte. Auf der Habenseite steht der Bundesfreiwilligendienst als Ersatz für die abgeschafften Zivis. (kä)

Gesamtnote 5

Hans-Peter Friedrich – Innenministerium

Es mangelt nicht an Quellen, die dafür sprechen, dass der CSU-Mann Hans-Peter Friedrich aus Franken nur widerwillig Innenminister geworden ist. Schon sein erster Auftritt gipfelte in einem Fauxpas – indem er sich von dem Bekenntnis des damaligen Bundespräsidenten Wulff distanzierte, wonach auch der Islam zu Deutschland gehöre. Folgerichtig ließ Friedrich den Dialog mit den Muslimen im Sande verlaufen. Unter seiner Regie ist die Islamkonferenz nutzlos. Umstritten ist Friedrichs Personalpolitik. In Sachen NPD-Verbot hat er eine unrühmliche Rolle gespielt, auch wenn ihm anzurechnen ist, dass er sich wenigstens nicht von seinem Parteichef Seehofer am Nasenring durch die Manege führen ließ. Aus dem größten innenpolitischen Skandal der Nachkriegsgeschichte, der NSU-Affäre, zog er durchaus richtige Schlüsse, installierte ein Zentrum gegen rechte Gewalt und eine Neonazidatei. Seine Reformpläne für den Verfassungsschutz sind aber am Widerstand der Länder gescheitert – was auch dem mangelnden Verhandlungsgeschick Friedrichs anzulasten ist. (kä)

Gesamtnote 3-4

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger – Justiz

Die bayerische FDP-Landesvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist das einzige Kabinettsmitglied, das zu Beginn dieser Legislaturperiode ein zweites Mal in den gleichen Fluss gestiegen ist. Unter Angela Merkel übernahm sie, wie schon einmal zu Helmut Kohls Zeiten als Kanzler, die Zuständigkeit für das Justizministerium. Als Streiterin für Freiheits- und Bürgerrechte trat sie damals, 1996, zurück, weil ihre Partei sich beim Großen Lauschangriff gegen sie stellte und ihrer Linie nicht folgte. Als Streiterin für Freiheits- und Bürgerrechte nimmt die Liberale in der laufenden Legislaturperiode für sich in Anspruch, das „Stakkato immer neuer Sicherheitsgesetze“ beendet, Netzsperren im Internet verhindert und für die Entschärfung von Antiterrorgesetzen gesorgt zu haben. Darüber hinaus fällt in ihre Amtszeit eine Reform des Sorgerechts, das ledigen Vätern mehr Rechte gewährt und das gemeinsame Sorgerecht für Kinder zum Normalfall macht. Außerdem hat sie den Kampf gegen überlange Gerichtsverfahren aufgenommen und die Möglichkeiten der Mediation verbessert, die es Bürgern erlauben sollen, rechtliche Streitereien außerhalb von Gerichtssälen zu klären. (luß)

Gesamtnote 3+

Dirk Niebel – Entwicklung

Dirk Niebel wurde Chef des Entwicklungshilfeministeriums, das er im Wahlkampf noch abschaffen wollte. Gleichwohl überraschte er durch Fleiß und Reformbereitschaft. Die drei staatlichen Vorfeldorganisationen, die Entwicklungsprojekte abwickelten, führte er zur Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit zusammen. Dies gilt als sein größter Erfolg. Kritiker bemängeln, dass er die Entwicklungspolitik in internationalen Gremien vernachlässige und zu wirtschaftsnah agiere. Außerdem konnte er sein Budget nicht auf das international zugesagte Niveau erhöhen. Schlagzeilen machten seine Soldatenmütze und der Kauf eines Teppichs in Afghanistan, der im Flieger des BND-Präsidenten nach Deutschland befördert wurde. Auch seine Neigung, im Ministerium Leute mit FDP-Parteibuch zu positionieren, stieß auf Kritik. Das Verhältnis des Liberalen zu den Nichtregierungsorganisationen in Deutschland gilt – nicht zuletzt wegen einiger flapsiger Bemerkungen – als angespannt. (tm)

Gesamtnote 2-3

Peter Ramsauer – Verkehr

Konsequenz kann man dem CSU-Mann Peter Ramsauer nicht absprechen – zumindest bei einem Thema nicht, einem Herzensanliegen gewissermaßen: der Pkw-Maut. Es war eine seiner ersten Diensthandlungen, dieses Reizwort auf die Tagesordnung zu heben – obwohl im Koalitionsvertrag, unter dem die Tinte noch nicht trocken war, nichts davon stand. Die Kanzlerin ließ ihn abblitzen. Das ist bis heute so geblieben, denn Ramsauer ist seiner fixen Idee treu geblieben. Obwohl das seinem Parteichef Horst Seehofer gefallen müsste, rangiert der Oberbayer in dessen Wertschätzung keineswegs auf Gipfelniveau. Noch unbeliebter ist Ramsauer bei den Gegnern von Stuttgart 21. Aus Sicht der Befürworter macht er der Landesregierung jedoch ganz geschickt das Leben schwer. Seine erste Krise hatte der Minister mit dem Chaos im Luftverkehr nach dem Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull zu bestehen – und diese passabel gemanagt. Ein Pluspunkt in Ramsauers Bilanz ist auch der Runde Tisch zur studentischen Wohnungsnot. Ansonsten hat er das Thema Mietinflation ziemlich verschlafen. (kä)

Gesamtnote 4

Ronald Pofalla – Chef des Kanzleramts

„Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen.“ So lautet wohl das berüchtigtste Zitat von Ronald Pofalla. Auf jene Weise hat er seinen Parteifreund Wolfgang Bosbach angeblafft, als dieser der Kanzlerin die Stimme für den Euro-Rettungsschirm versagte. Stille Diplomatie zählt nicht zu Pofallas größten Talenten – wäre aber eine wichtige Tugend in seinem Amt. Er ist der oberste Maschinist im Regierungsbetrieb. Wenn dieser läuft wie geschmiert, dann steht seine Chefin Angela Merkel in gutem Licht da – wenn nicht, fällt der Verdacht automatisch auf Pofalla. Dafür gab es zahlreiche Anlässe. Und es kursieren ebenso viele Anekdoten, die zu belegen scheinen, dass er nicht zu Unrecht als Merkels Buhmann angesehen wird. Mit juristischen Tricks versucht der 54-jährige CDU-Mann von Fall zu Fall die Blockademehrheit im Bundesrat auszumanövrieren. Sein Selbstbewusstsein ist jedenfalls unerschütterlich. (kä)

Gesamtnote 3-4

Angela Merkel – Bundeskanzlerin

Schwarz-Rot? Schwarz-Gelb? Schwarz-Grün? Angela Merkel ist es ziemlich egal, mit wessen Hilfe sie regieren darf. Das ließ sie sogar im schönsten Augenblick erkennen, der Union und FDP seit geraumer Zeit vergönnt war: in der Nacht zum 28. September 2009, als der Wahlsieg feststand. Ungeachtet aller Jubelrufe und der Huldigungsgesänge auf das bürgerliche Bündnis machte Merkel deutlich, dass sie sich nicht als Frontfrau eines Lagers vereinnahmen lassen will. Ihr Anspruch klingt größer als großkoalitionär: „Mein Verständnis war und ist es, dass ich Bundeskanzlerin aller Deutschen sein möchte“, sagte sie. Und als solche wird sie offenbar bis heute wahrgenommen. Merkel genießt Rückhalt in allen Lagern.

Die Wähler urteilen schizophren. Sie sind der Koalition überdrüssig, die seit 2009 regiert, aber deren Chefin wollen sie partout behalten. Dank ihres präsidialen Politikstils ist es Merkel gelungen, den Niederungen der schwarz-gelben Alltagsquerelen zu entschweben. Sie benahm sich bisweilen so, als gehe es sie gar nichts an, was die eigenen Leute mal wieder nicht zustande gebracht haben oder worüber sie sich zankten. Nur so erklärt sich, weshalb zwei von drei Bürgern Merkel in Umfragen ihr Vertrauen bekunden.

Offenbar verzeiht ihr das Wahlvolk Brüche, abrupte Kurskorrekturen und plötzliche Volten, an denen es in Merkels Regierungszeit nicht mangelte. Im Herbst 2010 ließ sie eine Umkehr des Atomausstiegs durchpeitschen, um wenige Monate nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima prompt das Ruder wieder in die andere Richtung herumzureißen und einen beschleunigten Ausstieg zu beschließen. Wenig prinzipientreu verhielt sie sich auch in der Eurokrise. Zunächst wollte sie für die Schuldensünder in Griechenland keinen Cent deutsches Steuergeld riskieren. Später wurden es Milliarden. Erst wandte sie sich gegen einen Rettungsschirm, dann gegen einen dauerhaften – um sich letztlich exakt dafür zu verkämpfen. Gleichwohl finden selbst eine Mehrheit der Grünen-Anhänger und immerhin die Hälfte der SPD-Wähler ihren Krisenkurs gut. Vielleicht liegt das auch daran, dass Merkel nie so getan hat, als habe sie ein Patentrezept gegen die Krise. Ihr unideologisches, pragmatisches und letztlich (bis jetzt zumindest) erfolgreiches Handeln wird honoriert.

Merkel hat sich im Laufe ihrer Amtszeit weit von dem entfernt, was zu Beginn ihr Markenkern schien: Anfangs galt sie als kühle Reformerin, inzwischen bedient sie sich ohne Scheu im politischen Baukasten der SPD. Geschadet hat es ihr nicht. Das gilt auch für diverse Kollateralschäden. Zwei von Merkel erwählte Bundespräsidenten sind ihr vorzeitig abhandengekommen. Die CDU hat Landtagswahlen in Serie verloren – und in der Folge auch die Regierungsmacht in Baden-Württemberg, was ehedem als konservatives Stammland gegolten hatte, in Nordrhein-Westfalen, Hamburg und zuletzt in Niedersachsen.

Gleichwohl hat die Merkel-CDU in Umfragen wieder ein Niveau wie zu Helmut Kohls Zeiten erreicht. Selbst ein Wahlsieg und eine Fortsetzung der Koalition mit der schwächelnden FDP scheint denkbar. Ansonsten würde die Bundeskanzlerin aller Deutschen auch mit anderen Partnern regieren. (kä)

Gesamtnote 1-2