Ohne große Hoffnung auf einen dauerhaften Sitz verabschiedet sich Deutschland aus dem Führungszirkel der UN. Zum fünften Mal konnte die Bundesrepublik über Krieg und Frieden mitentscheiden – als Mitglied zweiter Klasse.

Korrospondenten: Jan Dirk Herbermann (jdh)

New York - Deutschland scheidet nach zwei Jahren turnusmäßig aus dem Sicherheitsrat der UN aus. Zum fünften Male in der Geschichte der Vereinten Nationen konnte die Bundesrepublik in diesem Spitzengremium über Krieg und Frieden mitentscheiden – als Mitglied zweiter Klasse. Denn über die wahre Macht verfügen die fünf ständigen Ratsmitglieder USA, China, Russland, Frankreich und Großbritannien. Sie haben das Recht, alle Entscheidungen zu blockieren. Deutschland als eines der zehn nichtständigen Mitglieder konnte nur begrenzt reüssieren.

 

Der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Eberhard Sandschneider, beurteilt die deutsche Leistung als „ordentlich, wenn auch weithin unspektakulär.“ Der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig betont: „Wir haben unser Bestes versucht, um der Arbeit des Sicherheitsrates Mehrwert zu geben.“

Massive Kritik an der deutschen Enthaltung

In der Bilanz sticht eine Entscheidung heraus: Am 17. März 2011, die Bundesregierung hatte sich gerade an ihre neue Machtfülle gewöhnt, votierte der Sicherheitsrat über Libyen. Das Gremium ermächtigte die UN-Mitglieder, Gewalt zum Schutz der Zivilbevölkerung zu ergreifen, und errichtete eine Flugverbotszone. Die Resolution forcierte den Sturz von Muammar al-Gaddafi. Alle westlichen Verbündeten Deutschlands stimmten dafür. Die Bundesrepublik enthielt sich jedoch auf Geheiß von Bundesaußenminister Guido Westerwelle – zusammen mit Russland, China, Brasilien und Indien. Die Reaktionen auf den kurzfristig beschrittenen deutschen Sonderweg konnten krasser nicht ausfallen: Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer zischte: „Mir bleibt nur die Scham für das Versagen unserer Regierung.“ Der Historiker Heinrich August Winkler dozierte: Die Libyen-Enthaltung sei „vermutlich der größte politische Fehler, der in den letzten Jahrzehnten in Deutschland auf außenpolitischem Gebiet überhaupt gemacht worden ist“. Amerikanische, britische und französische Regierungsvertreter warnten, dass Berlin sich in der „Isolation“ verirre. Und der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy, der für eine Militärintervention getrommelt hatte, prophezeite: Deutschland werde „bitter bezahlen“.

Letztlich blieb die Libyen-Krise jedoch ohne längerfristige Auswirkungen. Der Sturm der Entrüstung verebbte. „Eine Isolierung auf internationaler Ebene und von den wichtigsten Verbündeten ist nicht eingetreten“, analysiert die Generalsekretärin der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), Beate Wagner.

Vorbildlicher Einsatz für Kinder in Kriegsgebieten

Bei anderen Fragen agierte Deutschland geschickter. Besonders im Syrien-Konflikt machte Berlin eine gute Figur. Es drang früh auf eine harte Gangart gegenüber Diktator Baschar al-Assad. Die Bundesregierung pochte darauf, dass die Verantwortlichen für die Verbrechen in dem Bürgerkrieg juristisch zur Rechenschaft gezogen werden. „Die deutschen Diplomaten haben sich in der Syrien-Krise sehr kreativ und ideenreich engagiert, das wird auch von den westlichen Partnern honoriert“, urteilt Beate Wagner. Letztlich blieben aber die Bemühungen vergeblich, denn die Vetomächte Russland und China blockierten.

Mit mehr Erfolg machte sich Deutschland für mehr Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten stark. Auf Drängen Berlins prangert die UN seit 2011 in ihrer „Liste der Schande“ auch Kriegsparteien an, die Schulen und Kliniken angreifen. „Deutschland hat sich vorbildhaft eingesetzt. Die Ausweitung der Liste der Schande kann zu Strafen für diejenigen führen, die bewusst Wehrlose in Schulen und Krankenhäusern attackieren“, lobt die UN-Sonderbeauftragte für Kinder und bewaffnete Konflikte, Leila Zerrougui.

Berlin reklamiert weiter einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat. Die zwei Jahre am Hufeisentisch halfen dabei aber kaum – die Chancen stehen seit Jahren schlecht. Um einen Sitz zu ergattern, müssten die UN-Mitglieder die UN-Charta ändern. „Ich halte das für völlig unrealistisch“, urteilt DGVN-Generalsekretärin Wagner.