Trotz Dutzender zusätzlicher Toiletten erleichterten sich viele EM-Fans in Stuttgart lieber an Baum und Borke. Welche Auswirkungen hat das auf die Vegetation im Schlossgarten?
Tore, Jubel, Heiterkeit – für die Parkpfleger im Stuttgarter Schlossgarten ist auch dies ein bleibender Moment der Fußball-EM gewesen: 30 Herren, die sich beim Fanmarsch absonderten und gegen den Zaun der Betriebsstelle urinierten. Der Parkpfleger waren sauer, aber ließen es geschehen. Was hätten sie auch tun sollen?
Nach vier Wochen EM ist dem Stuttgarter Schlossgarten die Beanspruchung durch feiernde Fans an vielen Stellen anzusehen. Andererseits ist Katja Siegmann, die Fachbereichsleiterin für Parkpflege bei der Wilhelma, doch positiv überrascht. Wo Bühnen standen und Kabelschächte verliefen, muss teilweise Rasen neu angepflanzt werden. Doch sie habe „mit mehr Schäden gerechnet“, sagt Siegmann, die auch ein wenig stolz ist. Gerade von den ausländischen Fans habe man viel Lob für die Grünanlagen erhalten.
Wildpinkelei lockt Spanner an
Nur die Sache mit dem Wildpinkeln ließ sich nicht so richtig in den Griff bekommen. Dabei hatte das Finanzministerium, das für den im Landesbesitz befindlichen Schlossgarten zuständig ist, bei den Verhandlungen mit der Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart speziell darauf wert gelegt, genügend Toilettenangebote zu schaffen. Insgesamt 330 Dixiklos wurden in der Stadt aufgestellt, darunter allein 103 an den Fantreffpunkten in Stadtgarten und Schlossgarten. Doch wenn’s pressiert, sind Fußballfans offenbar nicht zimperlich. Viele erleichterten sich lieber an Bäumen oder Büschen, anstatt auf ein freies Klohäuschen zu warten. Sogar Spanner lockte die Wildpinkelei an, wie mehrere Frauen berichteten.
Welche Spätfolgen für die Vegetation des Parks zu erwarten ist, muss sich noch zeigen. Allerdings würden die Pflanzen die kurzzeitige Überdüngung wohl besser wegstecken, wenn Wildpinkeln nicht auch außerhalb der Fußball-EM ein Problem im Schlossgarten wäre. „Ich glaube, das hat in den vergangenen Jahren zugenommen“, sagt Siegmann. Auch viele Eltern ließen ihre Kinder lieber im Freien ihre Notdurft verrichten, als mit ihnen auf die Toiletten zu gehen.
Mehrere Eiben abgestorben
Für viele Pflanzen ist der erhöhte Nährstoffeintrag jedoch ein Problem, weil dann der Salzgehalt im Boden ansteigt. Dies führt dazu, dass die Wurzeln, die normalerweise über den höheren Salzgehalt verfügen, kein Wasser mehr aufnehmen können. Die Pflanzen verdursten. So seien im Oberen Schlossgarten mehrere Eiben abgestorben. „Die halten das nicht aus.“ Zwar wachsen manche robusten Wildpflanzen nach. Doch dabei handelt es sich häufig nur um Brennnesseln und Brombeerbüsche, deren Früchte Siegmann nicht zum Verzehr empfehlen würde.
Auch neben dem provisorischen Kiosk im Mittleren Schlossgarten führen Trampelpfade ins Unterholz, obwohl sich direkt nebenan eine Toilettenanlage befindet. Doch deren Zustand ist schlecht. Im vergangenen Jahr brannte sie sogar ab. Wegen des ständigen Vandalismus weigerte sich der Toilettenverpächter, eine neue Anlage zu stellen. Jetzt steht dort ein gebrauchter Toilettencontainer, der an diesem Wochenende schon wieder Ziel von Vandalismus war. Jemand riss die Trennwände zwischen den Kabinen heraus. Der Bau eines neuen Kiosks mit angeblich unzerstörbaren Toiletten ist geplant, zieht sich aber hin.
Die Feuerwehr greift durch
So lange bleibt Siegmann und ihren 75 Mitarbeitern, die insgesamt 340 Hektar Parkflächen zu betreuen haben, nichts anderes übrig, als das Gebüsch in den beliebten Toilettenecken herunter zu schneiden, um die Sicht darauf frei zu geben. Sonst sei es für ihre Mitarbeiter auch nicht zumutbar, dort zu arbeiten. „Eigentlich hätten wir lieber einen geschlossenen Gehölzgürtel rund um den Schlossgarten“, sagt Siegmann. An vielen Stellen ist der Blick nun frei auf die begrenzende Betonmauer.
Die Feuerwehr ist dem Problem an ihrer Feuerwache am Wasen übrigens vor zwölf Jahren einmal auf recht rigorose Weise begegnet. Sie schüttete den „Wasenpinkler“ einfach einen Eimer Wasser über den Kopf.