Der Leiter der Wahlbeobachtermission der OSZE, Michael Link, zieht eine positive Bilanz der Präsidentschaftswahl in der Türkei. Die Kommission des Europarats bemängelt dagegen fehlende Transparenz.

Michael Link, Leiter der Wahlbeobachtermission der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) in der Türkei und FDP-Abgeordneter im Bundestag, zieht trotz einzelner Vorfälle eine überwiegend positive Bilanz der Arbeit der Delegation bei den Präsidentschaftswahlen am Sonntag. „Bis auf wenige Ausnahmen konnten wir völlig frei beobachten“, sagte Link unserer Zeitung. „Bei allen Problemen in den Medien und bei der Zulassung von Kandidaten muss man positiv feststellen, dass die Türkei weit von diktatorischen Zuständen wie zum Beispiel in Russland entfernt ist.“

 

Am Montag war bekannt geworden, dass Wahlbeobachter der Partei Die Linke bei ihrer Arbeit gehindert worden waren. Doch offenbar gab es nur wenige solcher Fälle. Zudem sagte Link, dass die Wahlbeobachter bei der Stimmauszählung nur wenige Auffälligkeiten festgestellt hätten. Link wies aber auf eine andere Schwierigkeit im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen hin: „Die öffentlichen Medien haben den Wahlkampf stark für Erdogan und gegen Kilicdaroglu beeinflusst. Dort bestand eindeutig keine Chancengleichheit.“

Ein weiteres Problem lag darin, dass viele Menschen, die durch das Erdbeben im Februar ihre Häuser und Wohnungen verloren hatten, sich nur schwer für die Präsidentschaftswahl registrieren konnten. „Viele vom Erdbeben Betroffene hatten in der Tat Schwierigkeiten, ihr Wahlrecht tatsächlich wahrzunehmen aufgrund komplizierter Verfahren“, sagte Link. „Mehr Anstrengungen der Behörden wären hier im zweiten Wahlgang wichtig.“

Weil keiner der Kandidaten am Sonntag die absolute Mehrheit erlangen konnte, kommt es Ende Mai nun zur Stichwahl zwischen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan (AKP) und dem Zweitplatzierten Kemal Kilicdaroglu (CHP), der von Vertreterinnen und Vertretern eines Oppositionsbündnisses unterstützt wird. „Beide tragen erkennbar schwer an der Verantwortung für den jetzt anstehenden zweiten Wahlgang“, sagte Link. Er fügte hinzu: „Es bleibt zu hoffen, dass der Wahlkampf jetzt nicht außer Kontrolle gerät.“

Andere Wahlbeobachter äußerten sich nach der Abstimmung am Sonntag skeptischer. Von der Wahlbeobachtungsmission des Europarats hieß es am Montag, der Stimmauszählung habe es an Transparenz gefehlt. Rund 62 Millionen Menschen waren am Sonntag in der Türkei dazu aufgerufen, ein neues Parlament und einen Präsidenten zu wählen. Die Wahl gilt wegen ihrer innen- und außenpolitischen Wirkung als eine der wichtigsten des Jahres. Wie sie ausgeht, entscheidet sich in der Stichwahl am 28. Mai.