Bilanz des Hauptzollamts Stuttgart Millionenbetrug mit Corona-Kurzarbeit auf der Spur

Haben einige Firmen in der Coronakrise unberechtigt Kurzarbeitgeld abgeschöpft? Die Frage steht bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamts Stuttgart verstärkt im Visier.
Stuttgart - Der Stuttgarter Zoll ist einem Millionenbetrug in Sachen Corona-Kurzarbeitergeld auf der Spur: Auf mehr als 1,5 Millionen Euro Schaden wird der Schaden beziffert, den eine Vermittlungsfirma für medizinische Fachpersonal angerichtet haben soll, indem sie unberechtigt staatliche Hilfen für eine vorgetäuschte Kurzarbeit kassiert haben soll. Die Firma hat ihren Sitz im Rems-Murr-Kreis, wie das Hauptzollamt Stuttgart nun bestätigte.
Bereits am 10. Dezember vergangenen Jahres hatte es eine Zoll-Razzia in mehreren Objekten des Unternehmens gegeben, das bundesweit osteuropäische Pflegefachkräfte an Kliniken und Pflegeeinrichtungen verleiht. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte die Firma im Frühjahr 2020 für einen Großteil seiner mehr als 160 Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld beantragt. Die Leistungen, 60 bis 67 Prozent des ausgefallenen Gehalts, waren nach entsprechender Vorprüfung durch die zuständige Agentur für Arbeit bewilligt und in Teilbeträgen in den Folgemonaten an das Unternehmen ausgezahlt worden.
Trotz Corona gibt es viel zu tun – oder gerade wegen
Die Spitze eines Eisbergs? „Über Betrugshandlungen mit Kurzarbeitergeld insgesamt können wir noch keine Bilanz ziehen“, sagt Stefanie Bernthaler, Sprecherin des Hauptzollamts. Dass der Missbrauch steigt, ist zu vermuten – allerdings gab es im vergangenen Jahr im Bundesgebiet nur bei fünf Prozent der Verdachtsfälle auch konkrete Ermittlungen. Das Dunkelfeld ist aber noch groß.
Trotz Corona-Zeiten haben die spezialisierten Ermittler des Zolls, die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), reichlich zu tun. „Mit einem aufgedeckten Schaden für die Sozialkassen in Höhe von 17,7 Millionen Euro haben wir die guten Ergebnisse der Vorjahre sogar übertreffen können“, sagt Anna Lampel, die Leiterin des Sachgebiets. Und da sind die mutmaßlich 1,5 Millionen Euro Schaden aus dem Rems-Murr-Kreis noch gar nicht dabei.
Die Haftstrafen steigen deutlich
Corona und das Thema Kurzarbeitergeld stellt auch den Zoll vor große Herausforderungen – denn neben Schutz- und Hygienemaßnahmen muss dieses Thema bei den Kontrollen an Ort und Stelle abgefragt werden. Einen Großteil der Ermittlungsarbeit machen freilich die Branchen mit vielen Beschäftigten im Niedriglohnsektor - Bauwirtschaft, der Gebäudereiniger, Hotel- und Gaststättengewerbe oder Firmen aus dem Bereich der Wasser- und Brandschadensanierer. Ziel der Prüfer ist es dabei in erster Linie, Strukturen bei organisierten Formen der Schwarzarbeit zu ermitteln.
„Dabei zeigt sich, dass trotz weniger Prüfungen im letzten Jahr die aufgedeckten Schadenssummen gestiegen sind“, sagt Zollsprecherin Bernthaler. Nämlich on 14,2 auf 17,7 Millionen Euro. Es habe eben weniger, aber größere Schwarzarbeit-Verfahren gegeben. Die Höhe der Geldstrafen stieg von 547000 auf 644000 Euro. Noch auffälliger wird dies bei den Haftstrafen, wenn diese zusammengerechnet werden: Die Betrüger mussten 2020 insgesamt 43 Jahre hinter Gitter – im Jahr davor waren es „nur“ 29 Jahre.
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