Die extreme Hitze hat von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des 29. Stuttgart-Laufs Tribut gefordert. Nicht alle Gemeldeten traten an, das Sanitätspersonal hatte einiges zu tun. Dennoch zieht der Württembergische Leichtathletikverband ein positives Fazit.

Mit zwei Worten auf den Punkt gebracht! Als „wirklich hart“ bezeichnete Bettina Englisch die Bedingungen des 29. Stuttgart-Laufs, der am Samstag und Sonntag nach zweieinhalb Jahren Coronapause wieder stattfand. Das Thermometer zeigte schon am Sonntagvormittag deutlich über 30 Grad. „Ich bin daher nicht auf Zeit, sondern auf Platzierung gelaufen“, sagt die Athletin des TSG 1845 Heilbronn. Und das erfolgreich! Bettina Englisch gewann erstmals den Halbmarathon der Frauen beim Stuttgart-Lauf. Bei den Herren kam Dan Nash aus Stuttgarts Partnerstadt Cardiff als Erster ins Ziel. Auch für ihn eine Premiere. Er sprach ebenfalls von einem „extremen“ Rennen. „Solche Temperaturen haben wir in Wales nicht. Letztlich musst du da einfach durch – und dich zusammenreißen.“

 

Englisch und Dan Nash sind top in ihrem Metier. Doch beim Stuttgart-Lauf sind vor allem Amateure dabei. Familien, Freundes- oder auch Kollegengruppen gehen hier traditionell an den Start. Von den angemeldeten 6600 Lauffans traten nicht alle an. „Wir haben angekündigt, wer bei diesen Temperaturen lieber nicht antreten will, erhält einen Gutschein für 2023“, betonte Alexander Hübner vom Württembergischen Leichtathletikverband, der den Stuttgart-Lauf ausrichtet. Manche hätten auch noch kurzfristig ihre Strecke verkürzt – von 21,0975 Kilometern Halbmarathon auf die zehn Kilometer.

40 Einsätze wurden gezählt, „doch alle sind wieder wohlauf“

Der Zehn-Kilometer-Lauf startete am Sonntag um 8.45 Uhr, erstmals vor dem Halbmarathon, der um 9 Uhr folgte. Stuttgarts Sportbürgermeister Clemens Maier gab den Startschuss. Nach gut einer halben Stunde waren die besten der 10 000-Meter-Läufer schon im Zieleinlauf, bekamen Medaillen und Wasser in die Hand gedrückt – während Sirenen von Rettungswagen aufheulten. Dieses Geräusch sollte sich im Lauf des Vormittags noch einige Male wiederholen. Auf der Strecke hätten sich immer wieder mal Leute erschöpft oder wegen Schwindels hingesetzt, erzählten Teilnehmer.

Wegen der Hitze gab es laut dem Roten Kreuz insgesamt 55 Transporte in Rettungswägen, fünf davon zum Krankenhaus. „Niemand kam in die Intensivstation“, so Hübner. „Dehydrierung und Kreislaufprobleme, alle sind wieder wohlauf. Insgesamt haben die Teilnehmenden gut auf sich aufgepasst – wir ziehen trotz der extremen Wetterlage ein positives Fazit.“ (Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Fassung hatten wir berichtet, dass niemand ins Krankenhaus musste; diese Aussage wurde nachträglich korrigiert.)

Auch Teilnehmer äußerten sich lobend: Helfer und Sanitäter seien sofort da gewesen, wenn jemand schwächelte, sagte eine Sportlerin. „Auch der Wassernachschub stimmte, die Strecke war toll und alles top organisiert“, sagte eine Sportlerin. „Wetter ist halt Wetter, da kannst du nix machen.“

Generalmusikdirektor solz über seine Laufzeit

Mit dabei waren übrigens auch Vertreter der Württembergischen Staatstheater. „Wir haben der Hitze getrotzt“, schrieb Generalmusikdirektor Cornelius Meister stolz und veröffentlichte ein Foto, das ihn zusammen mit Rüstmeister und Personalrat Christopher Greenaway strahlend nach dem Halbmarathon zeigt. „Angesichts der Temperaturen war ich mit meiner Zeit von einer Stunde, 44 Minuten hochzufrieden“, schrieb er. „Das ist weniger als der erste Akt von Richard Wagners ,Götterdämmerung‘. Am Montag probe ich dann wieder bei den Bayreuther Wagner-Festspielen.“

Alexander Hübner zog seinerseits ein positives Fazit – trotz der extremen Wetterlage und obwohl es am Ende nur halb so viel Teilnehmende waren wie 2019. Auch bei den Kleinen am Tag zuvor. Laut WLV hatte es für den Bambini-Lauf und die folgenden Minimarathons von bis zu zwei Kilometer Länge am Samstag rund 1000 Anmeldungen gegeben. Weniger als sonst.

500-Meter-Lauf für die Jahrgänge 2016 und jünger

Von der Kita Sattelstraße in Stuttgart-Untertürkheim indes hatten sich alle elf Kinder auf der Mercedesstraße eingefunden, um – trotz der hohen Temperaturen – den Bambini-Lauf zu absolvieren, berichten die Erzieherinnen Ebru Goga und Anja Ellinger stolz. Mit dem 500-Meter-Lauf für die Jahrgänge 2016 und jünger vorbei am Mercedes-Benz-Museum wurde der 29. Stuttgart-Lauf eröffnet, gefolgt von den Minimarathons. „Wir gehen mit unseren Kindern einmal pro Woche joggen“, meint Ellinger. Das fänden auch ehemalige Sattelstraßen-Kinder so toll, dass sie auch jetzt noch zu Laufevents kämen.

Zum Beispiel Tasin, der jetzt ein Schulkind ist, und Emilys und Magdalenas Medaillen begutachtet. Das Laufen habe total viel Spaß gemacht, sei aber bei der Hitze schon anstrengend, sagen die beiden Fünfjährigen. Nun müssten sie viel trinken!

Heide Drechsler findet wichtig, „Kinder wieder in Bewegung zu bringen“

Die zweifache Weitsprung-Olympiasiegerin Heike Drechsler, die Aufwärmübungen mit den Kindern machte und die Startschüsse gab, lobt Events wie den Stuttgart-Lauf, in den höchsten Tönen. „Das ist wichtig, um Kinder in Bewegung zu bringen“, betonte sie. Gerade nach den Coronajahren, wo wenig passiert sei und Sportvereine gelitten hätten, müsse man dies fördern. Die Kinder spürten dann, wie gut das Laufen dem Körper tue. „Ohne Druck, mit Spaß, es geht nicht ums Gewinnen“, betont Heike Drechsler. „Dabei sein ist alles!“

So viele haben mitgemacht

Anmeldungen
Für den Stuttgart-Lauf mit seinen verschiedenen Wettbewerben hatten sich nach Angaben von Alexander Hübner, Marketing- und Event-Verantwortlichem beim Veranstalter Württembergischer Leichtathletikverband (WLV), ursprünglich 6600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer angemeldet. Davon 3600 für den Halbmarathon und 1500 für den Zehn-Kilometer-Lauf. Von den 5100 für Sonntag Gemeldeten sind laut WLV 3900 tatsächlich auch gestartet. An den Läufen am Samstag nahmen rund 1000 Kinder teil. (mos)