Mensch oder Tier? Das weiß man bei Anette Mürdters Plastiken nicht so genau. Die Werke der Bildhauerin werden bald in ihrer Heimat Winterbach ausgestellt.

Leserredaktion : Kathrin Zinser (zin)

Winterbach - Filigrane Sportler turnen an Geräten, eine Zitrone verwandelt sich nach und nach in ein Gesicht, Gestalten – halb Mensch, halb Tier – hocken auf Sockeln: Im Atelier von Anette Mürdter gibt es eine Menge zu sehen. Bald jedoch werden einige der Kunstwerke einen Umzug auf Zeit antreten. Vom 23. Januar bis 9. Februar stellt die Künstlerin ihre Plastiken im Alten Rathaus in Winterbach aus – der Gemeinde, in der sie aufgewachsen ist, lebt und arbeitet.

 

Die Plastiken sind innen hohl

„Ton an sich ist ein archaisches Material“, sagt Mürdter über ihren Werkstoff. Die 54-Jährige verwendet gerne groben Ton, unter anderem deshalb, weil er stabiler ist. Für ihre überwiegend hohl aufgebauten Plastiken ist das besonders wichtig, damit das Material nicht bricht. Der Vorteil der Hohl-Aufbautechnik sei, dass man die Wandung von beiden Seiten „im Griff“ habe und das Volumen einer Figur von innen herausdrücken könne, erklärt die Bildhauerin. Von der Grundfläche aus wachsen ihre Figuren so Stück für Stück in die Höhe. Anette Mürdter reizt es, die Grenzen dieser Technik auszuloten. „Man muss immer dran bleiben, der Ton darf nicht zu feucht und nicht zu trocken sein.“

Ihre größeren Werke musste die Künstlerin zum Brennen zerlegen – sonst hätten sie nicht in den Ofen gepasst. „Wenn man es weiß, sieht man es noch“, sagt sie und zeigt auf die schmalen Linien an den Schultern und Becken ihrer „Vierbeiner“ – tierartige Wesen mit Menschengesichtern und menschenähnlichen Händen und Füßen. „Ich wundere mich selbst immer, warum ich am Thema Mensch – Tier klebe“, sagt Anette Mürdter. Vielleicht liege es daran, dass das Figürliche sie schon immer gereizt habe – die Abstraktion hingegen eher weniger. Bei ihren tierartigen Wesen könne sie sich vom naturalistischen Vorbild lösen und damit spielen. So verlaufe der Übergang zur Abstraktion eher unmerklich, erklärt die Künstlerin.

Es begann im Kunst-Leistungskurs

In den vergangenen Jahren hat sie sich hauptsächlich auf kleinere Plastiken konzentriert – wie etwa die Sportler, die sie auf Drahtgerüste aufmodelliert, oder Gesichter, die aus der Wand herauszuschauen scheinen. Der Familie wegen sei die Kunst ein wenig in den Hintergrund getreten, erzählt die 54-Jährige. Und doch lässt sie die Bildhauerei nicht los. „Am besten ist es, wenn man alles um sich herum vergisst, wenn man sich im Modellieren verlieren kann“, sagt Anette Mürdter.

Ihre Begeisterung für Kunst ist zu Schulzeiten entstanden, genauer gesagt im Kunst-Leistungskurs. „Das hat mich wirklich interessiert, da habe ich Feuer gefangen“, erinnert sie sich. Ihre erste Begegnung mit Ton hatte sie, ebenfalls als Schülerin, bei einem Töpferkurs in Südfrankreich: „Das hat mich fasziniert“ – so sehr, dass sie bis in die Nacht hinein weiterarbeitete und die anderen Kursteilnehmer sie irgendwann suchten.

Anette Mürdter besuchte die Freie Kunstschule Nürtingen und studierte anschließend Bildhauerei und Keramik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Die Ausstellung im Alten Rathaus ist ihre erste Einzelausstellung in der Heimat. „Das ist schon schön“, sagt sie, und erzählt, dass bei der Vernissage auch ihr Bruder anwesend sein wird. Er ist ebenfalls ein Künstler, für den der Ton wichtig ist – er erschafft ihn allerdings mit seinem Saxofon.

Infos zur Ausstellung

Vernissage: Die Vernissage zur Ausstellung „Plastiken“ von Anette Mürdter findet am Donnerstag, 23. Januar, um 19.30 Uhr im Foyer des Alten Rathauses, Marktplatz 2, in Winterbach statt. Nach der Begrüßung durch Bürgermeister Sven Müller wird der Kunstpädagoge Ulrich Kuttig aus Braunschweig eine Einführung geben. Musikalisch umrahmt wird die Veranstaltung vom Zwischenwelten-Duo, dem neben dem Gitarristen Ralf Raisch der Saxofonist Andreas Mürdter, der Bruder der Bildhauerin, angehört.

Öffnungszeiten: Anette Mürdters Plastiken sind bis Sonntag, 9. Februar, im Alten Rathaus zu sehen. Mittwochs und donnerstags ist die Ausstellung der freischaffenden Künstlerin von 16 bis 18 Uhr, samstags ebenfalls von 16 bis 18 Uhr und sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Es ist Mürdters erste Einzelausstellung in ihrer Heimat Winterbach.