Pädagogen sind mehrheitlich dafür, dass der Bund in der Schulpolitik mehr zu sagen hat. Auch in der Gesamtbevölkerung zeigt sich dieser Trend.

Stuttgart - Die Lehrer in Deutschland plädieren mehrheitlich dafür, den Bildungsföderalismus in Deutschland abzuschaffen. Eine Umfrage des Allensbach-Instituts im Auftrag der Vodafone-Stiftung ergab, dass sich 61 Prozent des Lehrpersonals für eine Übertragung der Zuständigkeit von den Ländern auf den Bund aussprechen. Drei Viertel der Lehrer fordern bundesweit einheitliche Abschlussprüfungen. Auch in der Gesamtbevölkerung, so stellt die Allensbach-Studie fest, ist das Vertrauen in den Bildungsföderalismus in den vergangenen Jahren weiter gesunken. In Baden-Württemberg ist beispielsweise der Anteil derer, die sich für bundesweit einheitliche Abschlussprüfungen aussprechen, mit 80,5 Prozent von allen westdeutschen Ländern am größten.

 

Dass immer mehr Menschen von der Idee eines Länderwettbewerbs abrücken, führt Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher unter anderem auf die "Schnellschüsse" der Landesregierungen bei ihren Reformbemühungen zurück. Noch vor 15 Jahren sei das Meinungsbild ein anderes gewesen. Damals wurde der Ansatz, den Ländern als Zwischenebene zur fernen Bundespolitik die Bildungshoheit zu überlassen, mehrheitlich befürwortet. Doch seitdem ist ein Negativtrend zu beobachten, den Köcher unter anderem auf die größer werdende Mobilität der Bevölkerung zurückführt. Wer von einem Land in ein anderes ziehe, "möchte nicht in eine völlig andere Bildungswelt kommen", begründet Köcher den Sinneswandel.

Die "letzte große Kompetenz" der Länder

Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, merkte an, die Länder sähen in der Bildungspolitik mehr und mehr ihre Daseinsberechtigung. Bildung sei "die letzte große Kompetenz", die ihnen verblieben sei. Im Ergebnis zeigten sich etwa bei der Lehrerausbildung zwischen den einzelnen Bundesländern oft größere Unterschiede als zwischen Deutschland und europäischen Nachbarstaaten. Die besten politischen Rahmenbedingungen erkennen Lehrer in Bayern und Baden-Württemberg.

Die Lehrer, so Renate Köcher, setzten sich für mehr schulische Freiräume ein. Rund zwei Drittel wollen mehr Mitsprachemöglichkeiten bei der Lehrplangestaltung und bei der Einstellung neuer Kollegen. Die Studie offenbart außerdem eine große Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung der Lehrer und den Erwartungen der Eltern. Fast jeder zweite Lehrer glaubt, dass er nur einen geringen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler hat. Nur 31 Prozent der Pädagogen glauben, dass Eltern einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung ihrer Kinder haben. Deutlich höher gewichten sie den Einfluss der Medien und des Freundeskreises.

Umgekehrt ist die Erwartungshaltung der Eltern an die pädagogischen Fähigkeiten der Lehrer extrem hoch. Erwartet wird neben der Vermittlung schulischer Fertigkeiten von rund zwei Dritteln der Eltern, dass den Schülern auch Werte wie Pünktlichkeit, Benehmen und Hilfsbereitschaft nahegebracht werden.