Man schätzt, dass etwa 40 Prozent der Flüchtlinge in Baden-Württemberg Bibliotheken besuchen. Der Landesbibliotheksverband fordert daher vom Land künftig eine Regelförderung für Büchereien, um der gewachsenen Nachfrage angemessen zu begegnen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Rund 1600 Büchereien gibt es in Baden-Württemberg, große, aber auch viele kleine. Diese Bibliotheken spielen inzwischen eine wichtige Rolle bei der Integration von Flüchtlingen. Dass die Gesellschaft diesen Umstand überhaupt richtig zur Kenntnis nimmt, ist ein Anliegen des baden-württembergischen Bibliothekenverbands. Von der Landesregierung wünscht sich die Verbandsgeschäftsführerin Monika Ziller, das Thema künftig stärker in den Blick zu nehmen. „Das sind sehr leistungsfähige Einrichtungen, die viel tun können, wenn man sie entsprechend ausstattet“, sagt Ziller.

 

Seit die Flüchtlingszahlen auch in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr stark gestiegen sind, verzeichnen auch die Büchereien deutliche Zuwächse aus der Gruppe der Zuwanderer. Verbandsgeschäftsführerin Monika Ziller, die auch Leiterin der Heilbronner Stadtbibliothek ist, kann dies mit eigenen Zahlen belegen. So nutzten von den rund 1300 in Heilbronn untergebrachten Flüchtlingen etwa 500 die dortige Stadtbücherei, sagte Ziller bei einem Treffen mit Kolleginnen in der Stuttgarter Stadtbibliothek am Mailänder Platz. „Wir erreichen damit fast 40 Prozent aller Flüchtlinge“, erklärte sie.

Man versteht sich als „internationales Haus“

Wie diese Zahlen in den der Landeshauptstadt sind, wo es neben der Zentralbibliothek 17 Stadtteilbüchereien gibt, lässt sich nicht sagen, da Flüchtlinge die gleichen Ausweise erhalten wie alle anderen Nutzer, machte Bibliotheksleiterin Christine Brunner deutlich. Dass der Wert aber erheblich sein dürfte, ergibt sich schon daraus, dass man sich in Stuttgart seit langem „als internationales Haus versteht“. Im Grunde sei die alltäglich Arbeit seit dem vergangenen Jahr nur mit einem besonderen Schwerpunkt versehen worden.

So treffen sich beispielsweise auch in der Zentralbibliothek der Stadt viele Vorbereitungsklassen, die von Flüchtlingen besucht werden. Es gibt auch ein spezielles Programm für junge Flüchtlinge, sehr erfolgreich erprobe man die Kombination des Deutschlernens beim Brettspiel mit dem Projekt „Spielend Deutsch lernen“, nannte Christine Brunner einige Beispiele.

Stuttgart gehört zu den sieben Städten im Land, in deren Bibliotheken eine E-Learning-Plattform angeboten wird, deren Nutzer dort online Deutsch lernen können. „Der Ausbau dieser Plattform ist dringend erforderlich, damit mehr Menschen an diesem Angebot partizipieren können“, sagt Monika Ziller. Als ersten Schritt hat das Land nun 50 000 Euro zur Verfügung gestellt, damit Bibliotheken Lernplätze für die Nutzung der E-Learning-Angebote bereitstellen können. „Damit schaffen wir eine neue Möglichkeit, Flüchtlinge besser an die deutsche Sprachpraxis heranzuführen und damit deren Integration zu beschleunigen“, sagte Marion von Wartenberg (SPD), Kultusstaatssekretärin und stellvertretende Vorsitzende des baden-württembergischen Bibliotheksverbandes.

Kostenloses Wlan und internationale Presse

Monika Ziller ist der Auffassung, dass das Land die Bibliotheken künftig grundsätzlich stärker als Orte der Integration durch Bildung in den Blick nehmen und unterstützen sollte. „Bisher gibt es keine Regelförderung durch das Land“, stellte sie fest, alles hänge von den teils kleinen Trägern ab.

Büchereien sind für Flüchtlinge aus verschiedenen Gründen interessant: es gibt dort kostenloses Wlan, sie bieten ein attraktives Onlineportal mit 2500 internationalen Pressetiteln, viele Ehrenamtliche nutzten sie als Ort für Sprachkurse mit Flüchtlingen, und nicht zuletzt sind diese ein besserer Lernort für die Asylbewerber, als es deren Unterkünfte in den meisten Fällen sind. Deshalb seien die Bibliotheken auch „mit neuen, zusätzlichen Anforderungen konfrontiert: nach längeren Öffnungszeiten, mehr Arbeitsplätzen und Computern“, so Ziller. „Und die Nachfrage nach Lehrwerken zum Erlernen der deutschen Sprache steigt ständig.“ Die Bibliotheken könnten diese Nachfrage nicht mehr decken.

Diese Entwicklung ist vor allem für kleinere Büchereien im ländlichen Raum eine große Herausforderung, machte Nadin Cicek deutlich. Die Vorsitzende der Verbandskommission Interkulturelle Bibliotheksarbeit leitet selbst die Ortsbücherei in der kleinen Gemeinde Nordheim im Raum Heilbronn. Cicek schilderte am eigenen Fall, wie wichtig es gerade für kleine Büchereien sei, mit Asylkreisen zusammenzuarbeiten, die persönliche Kommunikation zu pflegen und etwa „Deutschkurse in die Bibliothek zu holen“, aber mit seinem Angebot „auch aus dem Haus zu gehen“.