Bürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) hat für Stuttgart ein neues Konzept erarbeitet. Die Halbtagsbetreuung wird weniger werden – doch es gibt Zwist mit dem Sozialressort.

Stuttgart - Bis zum Jahr 2020 sollen alle Stuttgarter Grundschulen, die dies wollen, zu Ganztagsschulen umgestaltet worden sein. Gleichzeitig sollen auch Eltern, die für ihr Kind eine Halbtagsschule bevorzugen, weiterhin ihren Willen bekommen. Wie die Ausgestaltung beider Formen aussehen soll, will die Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann in den nächsten Wochen dem Gemeinderat vorstellen. Sie beruft sich dabei auf eine Expertise des Landesinstituts für Schulentwicklung. „Wir gehen davon aus, dass zehn Prozent unserer 72 Grundschulen reine Ganztagsschulen sein werden; 90 Prozent der Schulen werden beides anbieten: Halbtags- und Ganztagszüge“, sagte Eisenmann der Stuttgarter Zeitung. Auf Anfrage erläuterte sie die Eckpunkte des künftigen pädagogischen Rahmenkonzepts.

 

Zwei Wege zum Ganztagsangebot an den Grundschulen

Demnach gebe es für Grundschulen zwei Wege, um Ganztagsschule zu werden: entweder direkt – oder über den Umweg der Schülerhäuser (also Horte, die in die Schulgebäude verlagert werden). Gleichzeitig werde das Angebot der flexiblen Nachmittagsbetreuung im Rahmen der verlässlichen Grundschule zurückgefahren. Der Plan, dieses Angebot künftig bereits um 14 Uhr zu beenden und den Halbtagskindern kein Mittagessen zuzusichern, wurde von Eltern bereits kritisiert. In diesem Punkt sieht Eisenmann Spielraum: „Wenn der Gemeinderat ein Zusatzangebot bis 15 Uhr will, wäre das auch möglich.“ Dann würde der Personalbedarf in der verlässlichen Grundschule ansteigen.

Das Hauptaugenmerk der Schulbürgermeisterin liegt jedoch auf dem Ausbau der Ganztagsschule. Diese müsse das Entwicklungspotenzial aller Kinder im Blick haben. So solle diese neben sozialpädagogischen Aufgaben auch zusätzliche begabungs- und interessenbezogene Angebote abdecken, sei es im musischen, sportlichen, handwerklichen oder naturwissenschaftlichen Bereich. Und sie solle mittelfristig qualitativ noch über dem Niveau der Horte und Schülerhäuser angesiedelt sein. Im Unterschied zu Letzteren stehe dabei nicht allein die Betreuung der Kinder im Vordergrund, sondern insbesondere eine gute Verzahnung von Schul- und Sozialpädagogik.

Betreuungsform bis zum Ende der Grundschule beibehalten

Über die detaillierten Standards müsse mit den freien Trägern noch verhandelt werden, so die Schulbürgermeisterin. Vom Land gebe es für jede Ganztagsklasse acht zusätzliche Lehrerstunden pro Woche. Zudem sei vorgesehen, dass das freizeitpädagogische Angebot (organisiert durch freie Träger, finanziert von der Stadt) so ergänzt werde, dass sich während der Hauptzeit, also bis 16 Uhr, zwei Personen um die Schüler kümmerten – entsprechend dem Personalschlüssel im Hort. Das sei „eine Sonderleistung der Kommune“, so Eisenmann. Wobei einer der Personen auch ein Lehrer sein könne. „Wir wollen auch ein Qualitätsmanagement mit der Bertelsmann-Stiftung erarbeiten“, kündigt die Schulbürgermeisterin an.

Bis Ende nächsten Jahres sollen die Schulen angeben, wie sie sich in Richtung Ganztagsschulen entwickeln: auf direktem Weg oder über Schülerhäuser. Den Familien hingegen solle zugesichert werden, dass ein Grundschüler die einmal gewählte Betreuungsform bis zum Ende der vierten Klasse beibehalten dürfe.

Zur Wahl können während des Übergangs also drei Betreuungsformen stehen: die flexible, verlässliche Halbtagsschule bis 14 oder 15 Uhr, die Schülerhäuser oder die Ganztagsschule. Ein Wechsel zu einer anderen Betreuungsform sei zwar „pädagogisch nicht sinnvoll, aber möglich“, so Susanne Eisenmann. Uneinigkeit besteht zwischen Eisenmann und ihrer Kollegin Isabel Fezer vom Sozialressort hingegen noch über die Frage, ob auch das städtische Jugendamt als Träger der Ganztagsbetreuung auftreten darf oder nicht. Fezer hätte dies gern, Eisenmann lehnt es grundsätzlich ab; ihre Begründung: „Der Anspruch an die pädagogische Ausbildung ist bei der Ganztagsschule höher als beim Hort.“ Statt auf Erzieher will Eisenmann dort vermehrt auf Sozialpädagogen setzen, auch wenn das die Stadt teurer kommen werde.

SPD: Qualität der Ganztagsschulen vertraglich sichern

Fezer argumentiert: „Wenn Schulen die Stadt als Ganztagsträger möchten und die Zusammenarbeit mit den Schülerhäusern sich bewährt hat, dann sollte dies auch weiterhin möglich sein.“ Dies sei auch ein wichtiges Signal für die Pluralität der Träger. Zudem wären die Erzieher aus Hort oder Schülerhaus sonst gezwungen, auf die Betreuung kleinerer Kinder auszuweichen – oder den Arbeitgeber zu wechseln. Dies habe bei den Betroffenen wenig Begeisterung ausgelöst. Eisenmann hingegen versteht nicht, weshalb die Erzieherinnen nicht in den Krippen eingesetzt werden sollen, wo massiv Fachkräfte fehlten. Sie meint: „Der Gemeinderat muss entscheiden, wo die Personalressourcen eingesetzt werden sollen.“

Unterdessen hat die SPD-Ratsfraktion bereits eigene Eckpunkte für ein pädagogisches Rahmenkonzept in Form eines Antrags eingebracht. Darin fordert sie unter anderem, die Qualität der Ganztagsschule vertraglich zu sichern und für die Beteiligten einen „Angebotskorridor“ festzuschreiben. Auch bezüglich der räumlichen Voraussetzungen, die an den Schulen sehr unterschiedlich sind, würde die SPD gern einheitliche Standards definieren – was bis jetzt nicht geplant ist. Zudem verlangt sie, das Jugendamt wegen seiner Kompetenz sowohl in die konzeptionelle als auch operative Arbeit personell und organisatorisch einzubinden. Zu klären sei auch noch die Teilnahme der Halbtagsschüler am Mittagessen sowie – für alle Kinder – dessen Preis. Zum neuen Jahr soll er von 2,75 auf 3,25 Euro angehoben werden; Bonuscard-Kinder zahlen einen Euro.